Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Rettung bei voller Fahrt

Ein Fahrer erleidet auf der B 8 in Düsseldorf in seinem Auto einen epileptisc­hen Anfall und kann den Wagen nicht mehr kontrollie­ren. Ein angehender Fahrlehrer bremst ihn aus und rettet ihm damit vermutlich das Leben.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND CHRISTOPH REICHWEIN

DÜSSELDORF Am Donnerstag­mittag ist Tim von Dahlen mit seinem Auto auf der Bundesstra­ße 8 auf dem Weg nach Düsseldorf. Der 40-Jährige ist beruflich unterwegs; er macht eine Ausbildung zum Fahrlehrer. Da fällt ihm plötzlich ein vor ihm fahrender Renault auf. Das Fahrzeug kann sich kaum in der Spur halten. Dann kommt eine Tagesbaust­elle. Der Renault rammt mit dem Außenspieg­el ein Baustellen­schild. „Spätestens da wusste ich, dass mit dem Fahrer etwas nicht in Ordnung sein muss“, sagt von Dahlen. Doch das Auto fährt unbeirrt weiter, kommt

„Ich habe so etwas in meiner fast 40-jährigen Dienstzeit noch nicht erlebt“

André Hartwich Polizeispr­echer Düsseldorf

immer wieder von der Fahrbahn ab, prallt dabei gegen die Betonleitp­lanken. Dennoch hält sich der Wagen irgendwie auf der zweispurig­en Fahrbahn.

Von Dahlen, der in Mönchengla­dbach wohnt, beschließt, das Fahrzeug rechts zu überholen und auszubrems­en. „Ich musste das tun, weil der Wagen sonst vermutlich gegen einen Brückenpfe­iler gefahren wäre. Und die Brücke kam immer näher“, sagt er. Er schaltet den Warnblinke­r ein, um den nachfolgen­den Verkehr zu warnen. Als er auf gleicher Höhe mit dem Renault ist, schaut er ins Wageninner­e. „Der Fahrer hatte Schaum vorm Mund und blutete im Gesicht. Er schlug wild mit den Armen um sich“, erzählt der 40-Jährige nur wenige Stunden später.

Um den Wagen zu stoppen, setzt sich der angehende Fahrlehrer mit seinem Auto vor den Renault, drosselt dann seine Geschwindi­gkeit langsam runter. Tatsächlic­h gelingt es ihm, das Fahrzeug zu stoppen. „Dabei wurde ich in meinem Auto noch 90 Grad vor den anderen Wagen geschoben“, sagt von Dahlen.

Dennoch bleibt er unverletzt.

Nach dem erfolgreic­hen Manöver sieht er sofort im Renault nach dem anderen Fahrer und verständig­t die Polizei. Der Mann, laut Polizei 29 Jahre alt, liegt benommen auf seinem Sitz. Er hatte einen epileptisc­hen Anfall, wie sich später herausstel­lt. Ansonsten bleibt auch er unverletzt. Zufällig fährt ein Anästhesis­t an der Unfallstel­le vorbei und hält an. „Er hat dann sofort medizinisc­he Hilfe geleistet“, sagt von Dahlen. Das Unfallopfe­r wird mit einem Rettungswa­gen in ein Krankenhau­s gebracht. „Er war da schon wieder ansprechba­r.“

Die Polizei Düsseldorf lobt den Einsatz von Dahlens als profession­ell und couragiert. „Sein Eingreifen ist nicht hoch genug einzuschät­zen. Das war vorbildlic­h. Ich habe so etwas in meiner fast 40-jährigen Dienstzeit noch nicht erlebt“, sagt der Düsseldorf­er Polizeispr­echer André Hartwich. „Er hat in

Kauf genommen, selbst zu Schaden zu kommen bei der Aktion. Dieses selbstlose Verhalten sieht man in der heutigen Zeit leider nicht mehr häufig.“Mit seinem Verhalten habe er vermutlich viel Schlimmere­s verhindert, meint Hartwich. „Wenn der Fahrer einfach weitergefa­hren wäre, hätte es auch Tote geben können.“Auch van Dahlen selbst hätte schwer verletzt werden können – zumal er selbst nur einen VW up fuhr, also ein deutlich kleineres Fahrzeug.

Laut Polizeiber­icht war der 29-Jährige gegen 13 Uhr mit seinem Renault auf der Danziger Straße (B 8) aus Richtung Norden in Richtung Düsseldorf unterwegs. Kurz vor der Ausfahrt Düsseldorf-Kalkum fuhr der Fahrer des Renault Schlangenl­inien und benötigte die gesamte Breite der zweispurig­en Richtungsf­ahrbahn. Beide Fahrzeuge mussten nach dem Vorfall abgeschlep­pt werden.

Von Dahlen ist froh, dass alles glimpflich verlaufen ist. „In solchen Momenten denkt man nicht großartig nach. Man handelt einfach“, sagt er. „Zum Nachdenken bleibt auch keine Zeit.“Ein wenig ärgert der 40-Jährige sich jedoch über das Verhalten anderer Autofahrer, die an der Unfallstel­le vorbei gefahren sind. „Die haben mich zum Teil aus ihren Autos heraus wüst beschimpft, weil wir die Straße blockiert haben und sie nicht schnell genug durchkamen“, sagt er. „Selbst als die Polizei da war und absperrte, sind manche noch durch die Absperrung gefahren.“

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FOTOS: CHRISTOPH REICHWEIN Tim von Dahlen (l.) hat am Donnerstag­mittag einem Mann auf der Bundesstra­ße 8 in Fahrtricht­ung Düsseldorf das Leben gerettet.
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Ein Polizist und Tim von Dahlen begutachte­n den Schaden.

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