Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Bundestag überprüft Details der gescheiterten Pkw-Maut
Der neue Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit auf. Die Anklage der Opposition gegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sind fertig.
BERLIN E200 steht draußen am Sitzungssaal. Drinnen geht es um das Schicksal von Verkehrsminister Andreas Scheuer. Wird dem CSU-Politiker sein milliardenschweres Vorgehen zur (vergeblichen) Einführung der Pkw-Maut zum Verhängnis? Das will von diesem Donnerstag an der dritte Untersuchungsausschuss des Bundestages klären. Nach Breitscheidplatz-Attentat und Berateraffäre beugen sich die Parlamentarier nun intensiv über die Aussagen und Akten zur Maut.
Es hat etwas Skurriles, als Ausschusschef Udo Schiefner (SPD) zunächst allen Beteiligten öffentlich mit auf den Weg gibt, den Ausschuss nicht als „Showbühne“misszuverstehen. Die Mitglieder seien mitnichten in der Rolle des Anklägers, auch nicht in der Rolle des Verteidigers, sondern allein als Aufklärer unterwegs. Und dann betreten die Matadore von Opposition und Koalition natürlich die Showbühne und nehmen genauso natürlich die Rolle von Ankläger und Verteidiger ein.
Schon vor der ersten Sitzung steht für Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer
fest: „Andreas Scheuer hat die Verfassung gebrochen und das Parlament belogen.“Auch FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic spricht von „schweren Fehlern“im Zusammenhang mit Scheuers Vorgehen, formal die Ausgaben auf zwei Milliarden Euro zu deckeln, das Vergabeverfahren dann aber so zu dehnen, dass die Drei-Milliarden-Forderung der Maut-Betreiber unterm Strich erfüllt wird. Linke und AfD argumentieren ähnlich. Die SPD zieht sich zumindest darauf zurück, dass hier „schwere Anschuldigungen im Raum“stünden.
So weit die Anklage. Mit einem fröhlichen „Grüß Gott“, meldet sich Scheuers Verteidigung zu Wort. Unions-Verkehrspolitiker Ulrich Lange will zunächst mit „Infrastrukturabgabe“statt Maut die Debatte versachlichen. Sodann ruft er in Erinnerung, dass auch der Bundesrat einschließlich des rot-rot-grün regierten Landes Thüringen zugestimmt, dass auch das Finanzministerium beteiligt war, dass die EU das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt hatte. Damit sind die Eingangsplädoyers gehalten: Freispruch für den CSU-Minister, fordert die CSU. Die Anklage von der Opposition wird die Zeit bis Ende nächsten Jahres somit zu klären versuchen, dass Scheuer die Verträge erstens nicht hätte machen dürfen, solange vor dem Europäischen Gerichtshof noch verhandelt wurde. Und dass er sie zweitens schon gar nicht derart ungewöhnlich zu Lasten des Bundes hätte gestalten dürfen. Die Verteidigung wird aus den Unterlagen herauszulesen versuchen, dass Scheuer gezwungen gewesen sei, ein von Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetz umzusetzen und sich dabei nichts zuschulden kommen ließ. Dazu werden ab Mitte Januar zunächst Experten für Europa- und Vergaberecht gehört, parallel mehr als 50 Ordnern Akten über die Entscheidungsfindung gewälzt, dann die Beteiligten einvernommen, bevor gegen Jahresende der Minister selbst Rede und Antwort zu stehen hat. Sollte der Ausschuss eklatante und eindeutige Fehler finden, dürfte er fällig sein. Zu erwarten sind auf jeden Fall zwei Berichte über die gewonnenen Erkenntnisse. Einer von der Anklage. Und einer von der Verteidigung.