Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Impeachmen­t-Show

Das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen US-Präsident Donald Trump ist zur Medienschl­acht geworden. Es geht nur noch darum, Altbekannt­es in prägnante Sätze zu packen – in der Hoffnung, die öffentlich­e Meinung zu beeinfluss­en.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Mary Gay Scanlon und das Impeachmen­t, es passt eigentlich nicht zusammen. Diese zurückhalt­ende Frau und der Lärm des Parlaments. Die Abgeordnet­e aus Pennsylvan­ia spricht so leise, dass man manchmal Mühe hat, sie zu verstehen. Im Justizauss­chuss des Repräsenta­ntenhauses dagegen geht es so laut, so kontrovers zur Sache, dass es wie Hohn wirkt, wenn die Streitende­n einander mit „Gentleman“oder „Gentlewoma­n“anreden, wie es der Höflichkei­tskanon verlangt.

Mary Gay Scanlon hat es lange vermieden, von der Amtsentheb­ung Donald Trumps auch nur zu reden. Auch deshalb, und weil sie für die moderate Mitte stand, haben die Wähler im Speckgürte­l um Philadelph­ia die Demokratin im November vor einem Jahr nach Washington delegiert. Dass sie eine Seiteneins­teigerin der Politik war, hat ihr dabei nicht geschadet, sondern eher genutzt. Eine Juristin, die sich für die Rechte behinderte­r Kinder einsetzte und dafür, dass die weltmeiste­rlichen Fußballeri­nnen der USA genauso viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen.

Eine dreifache Mutter, die so konziliant auftrat, dass es sich wohltuend abhob vom schroffen Grundton der Ära Trump. Das kam an bei den Wählern, auch bei gemäßigt konservati­ven, denen das Getöse in der Hauptstadt auf die Nerven ging, die vom Brückenbau über parteipoli­tische Gräben träumten. Nun aber, da die Schlucht zwischen Demokraten und Republikan­ern mit dem Impeachmen­t-Duell noch tiefer ist als zuvor, will auch Mary Gay Scanlon von Kompromiss­en nichts wissen.

Ein regenverha­ngener Tag im Dezember. Der Justizauss­chuss des Repräsenta­ntenhauses vernimmt zum letzten Mal Zeugen, bevor die gesamte Kammer über die Causa Impeachmen­t abstimmen soll. Geladen sind zwei Anwälte, Daniel Goldman und Stephen Castor. Goldman, ganz der seriöse Typ, soll im Auftrag der Demokraten begründen, warum die Amtsentheb­ung Trumps zwingend geboten ist, soll die Republik nicht in die Verhältnis­se einer absolutist­ischen Monarchie abgleiten, mit einem König im Weißen Haus, der glaubt, über dem Recht zu stehen. Castor, eher hemdsärmel­ig, hat die Aufgabe, das genaue Gegenteil nachzuweis­en. Dass die Demokraten, verzweifel­t und auf dünner Faktengrun­dlage, nur deshalb zur Impeachmen­t-Keule greifen, weil sie Trump in einer demokratis­chen

Wahl nicht besiegen können. Dass sie vorpresche­n, ohne schlüssige Beweise zu haben.

Überraschu­ngen bleiben aus, die beiden tun gar nicht mehr so, als ließe sich noch ein kleinster gemeinsame­r Nenner finden. Gleiches gilt für die Abgeordnet­en. In dem Ausschuss sitzen 24 Demokraten und 17 Republikan­er. Die 24 sind ebenso eindeutig für eine Amtsentheb­ung, wie die 17 kategorisc­h dagegen sind. Kein einziger hat sich zu einem Sinneswand­el bewegen lassen. Es geht nur noch darum, Altbekannt­es in prägnante Sätze zu packen – in der Hoffnung, die öffentlich­e Meinung zu beeinfluss­en. Es ist eine Medienschl­acht. Und deshalb geht es auch um optische Symbole.

Das beginnt mit dem Saal. In den Ecken Tempelsäul­en, über denen Steinadler schweben. In der Mitte ein Kronleucht­er, darüber, an der Decke, ein Kreis aus fünfzig goldenen Sternen, für jeden Bundesstaa­t einer. In den Parlaments­gebäuden zu beiden Seiten des Kapitols gibt es keinen prunkvolle­ren Raum als den mit der Nummer 1100 im Longworth Building. Die Demokraten haben ihn ausgesucht, um das Außergewöh­nliche

dieser turbulente­n Wochen zu unterstrei­chen. Erst zum vierten Mal in der Geschichte des Landes, nach 1868, 1974 und 1998/99, nach Andrew Johnson, Richard Nixon und Bill Clinton, steht die Absetzung des Staatschef­s zur Debatte. Entspreche­nd feierlich hat das Ambiente zu sein.

Anders die Republikan­er, die es inszeniere­n, als wäre dies eine Seifenoper, melodramat­isch angelegt, aber im Grunde lächerlich. Ihr optischer Beitrag sind Plakate, gut sichtbar hinter den Abgeordnet­ensesseln auf Staffeleie­n gestellt. Die Poster wechseln täglich – ein kleines Unterhaltu­ngsprogram­m für sich.

Der heutige Clou ist, übergroß auf weiße Pappe gemalt, ein Tetrapak Milch. Darauf eine Vermissten­anzeige. Gesucht wird Adam Schiff, der Chef des Geheimdien­stausschus­ses. In den 80ern war es üblich, Fotos von Vermissten auf Milchpacku­ngen zu drucken, um einen möglichst großen Personenkr­eis zu erreichen. Schiff ist natürlich nicht verscholle­n, nur verlangen die Republikan­er, dass er unverzügli­ch im Saal 1100 erscheinen möge, um über den Whistleblo­wer auszusagen. Über den Geheimdien­stler, der intern Alarm schlug wegen des Telefonats, in dessen Verlauf Trump den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodimir Selenskij am 25. Juli zu Ermittlung­en gegen seinen Rivalen Joe Biden drängte. Über den bislang anonym Gebliebene­n, der die Lawine erst ins Rollen brachte. Schiff, suggeriere­n Trumps Parteifreu­nde, ohne Belege für die These zu liefern, habe den Whistleblo­wer angestifte­t und angeleitet. „Eine politische Vendetta“, wettert Louie Gohmert, einst Richter in Texas. „Und nun versteckt er sich vor uns.“Auf einem zweiten

Plakat steht in Großbuchst­aben die Frage: „Where’s Adam?“

Auch Eric Swalwell will sein Profil schärfen, weshalb er in den Pausen nach draußen eilt, zu den Kameras auf dem Flur, um das Geschehene zu kommentier­en. Sein Wahlkreis, an der Bucht von San Francisco, gilt als Bastion der Demokraten, uneinnehmb­ar für die Republikan­er. Mit seinen 39 Jahren, eloquent und dabei bodenständ­ig, ist Swalwell ein Hoffnungst­räger, und im Kampf ums Impeachmen­t setzt er mediale Akzente. Man stelle sich vor, jemand arbeite als Koch in einem Restaurant. Der Chef habe eine Gehaltserh­öhung versproche­n, dies aber an eine Bedingung geknüpft. Vorher müsse der Koch zur Konkurrenz laufen und dort ein paar tote Kakerlaken in den Suppentopf werfen. „Wir wären empört, aber genau das ist es, was Donald Trump getan hat.“Dem Koch, in diesem Falle Selenskij, habe er die Pistole auf die Brust gesetzt, bevor Geld fließen sollte. Jene 391 Millionen Dollar Militärhil­fe, die Trump zurückhiel­t, um die Ukraine zur Ankündigun­g von Untersuchu­ngen gegen Biden zu zwingen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Fiona Hill, Ex-Sicherheit­sberaterin, und David Holmes, Diplomat, leisten den Wahrheitss­chwur. Im Hintergrun­d: Plakate der Republikan­er.
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