Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Durchgeröstet
Seit einigen Jahren boomen kleine Röstereien, die eng mit Kaffeeproduzenten kooperieren und schonend rösten. Für gute Ergebnisse kommt es vor allem auf Erfahrung an.
„Der Geschmack steckt in der Pflanze – wir Röster versuchen nur, den Charakter herauszuholen“
Carsten Wolters Kaffeeröster „roestbar“
Ein guter Kaffee ist vor allem: Handarbeit. Dazu gehören natürlich Farmer und Händler, aber am Ende der Kette auch die Röster. Ohne gelungene Röstung kein leckerer Kaffee. Und damit vor dem Aufbrühen das Beste aus der Bohne herausgekitzelt wird, braucht es Leidenschaft fürs Produkt, geschulte Geschmacksnerven und große handwerkliche Erfahrung. „Das Probieren ist das A und O“, sagt Carsten Wolters, der in der Münsteraner „roestbar“die Bohnen auf Temperatur bringt.
Dabei meint er sowohl das Probieren in flüssiger Form als auch das allmähliche Herantasten an den optimalen Röstprozess. Jede Röstung sei anders, erklärt er, Feuchtigkeit im Kaffee, der Luftdruck oder das Wetter generell können das Ergebnis beeinflussen. „Die Kunst ist es, für Konstanz zu sorgen, eine bestimmte Sorte immer wieder gleich schmecken zu lassen“, sagt Wolters.
Zunehmend mehr Kunden wissen den sorgsamen Umgang mit der Bohne zu schätzen. Seit Anfang der 2000er Jahre etablieren sich neben den großen Unternehmen kleine Hausröstereien, die oft zusätzlich ein kleines Café betreiben, wo die eigenen Kreationen verkostet werden können. Vergleichbar ist das etwa mit den Craft-Bier-Brauereien. Von bundesweit rund 700 Röstereien sind etwa 650 kleinere Betriebe, schätzt der Deutsche Kaffeeverband, mehr als 40 haben sich in NRW niedergelassen. So wie die „roestbar“.
Sandra Götting und Mario Joka gründeten die Rösterei im Jahr 2003, einfach aus Liebe zum Kaffee, und landeten einen Treffer. Neben vielen anderen Auszeichnungen kürte das Magazin „Der Feinschmecker“die „roestbar“2018 zur besten Rösterei in NRW. Mittlerweile gibt es in Münster fünf Café-Filialen, und geröstet wird nicht mehr wie ursprünglich im Ladenlokal, sondern in einem externen Gebäude. Bei etwa 80 Tonnen Bohnen, die jährlich verarbeitet werden, ließe sich das anders kaum realisieren. „Obwohl es schön ist, den Röstprozess zu erleben“, schwärmt Wolters.
In der Theorie ist das Rösten einfach, es ist beispielsweise auch kein Ausbildungsberuf. Wer es zur Meisterschaft bringen will, muss sich das Wissen selbst aneignen, Workshops und Weiterbildungskurse besuchen. Erfahrungen sammeln eben. Geröstet wird in der „roestbar“in einem Trommelröster von Kirsch und Mausser. Zwischen zehn und 25 Kilo Bohnen werden pro Röstgang verarbeitet, bei Temperaturen von maximal 210 Grad. Erhitzt wird die Trommel von unten mit einer Gasflamme, die Temperatur sowie die Abluft können stufenlos geregelt werden, auch die Geschwindigkeit der Trommel ist einstellbar. Auf einem Monitor sieht Wolters die Röstkurve. „Es gibt eine Soll- und eine Ist-Kurve“, sagt der 43-Jährige. „Die Frage ist immer, wie weit ich mich vom Original wegbewege.“
Temperatur und Röstzeit sind mitentscheidend für das Resultat. Je nach Füllmenge oder Sorte passt Wolters die Röstzeit an, sie liegt aber meist bei 12 bis 20 Minuten. Verglichen mit den etwa drei bis vier Minuten langen Röstungen industrieller Röster sind das sogenannte Langzeitröstungen, die schonend mit dem Kaffee umgehen. „Zu große Hitze schadet der Bohne“, erklärt Wolters, „gerade am Ende des Prozesses kann sie leicht verbrennen.“Oft würden die Röstaromen dann zu dominant. Um ein optimales Ergebnis beispielsweise bei einer neuen Bohnensorte zu erzielen, müsse man sich daher herantasten, kleine Mengen rösten und immer wieder probieren. Aber nicht sofort, sondern nach einer gewissen Ruhezeit. Frühestens einen Tag nach dem Rösten sollte der Kaffee weiterverarbeitet werden. Wobei auch die Zubereitung am Ende wichtig ist. „Da kann man noch alles versauen“, sagt Wolters. „Letztlich sind alle Stationen des Weges von der Pflanze in die Tasse wichtig.“
Überhaupt, die Pflanze. Kleinere Röstereien wie die „roestbar“legen meist Wert darauf, dass nachhaltig produziert und fair gehandelt wird. Kontakte zu Farmern würden über mehrere Jahre hinweg gepflegt, sagt Wolters, dazu reise man einmal jährlich selbst in Ursprungsländer, um dort entweder neue Kontakte zu knüpfen und neue Kaffeesorten zu entdecken oder bestehende Kooperationen auszubauen. Letztlich sei es entscheidend, welche Bohne verarbeitet werde. „Der Geschmack steckt in der Pflanze“, sagt Wolters, „wir Röster versuchen nur, den Charakter herauszuholen.“Mit dem Kaffee verhält es sich ansonsten ein wenig wie mit Wein – nicht nur die Anbauregion entscheidet über die Qualität, auch jede Ernte schmeckt anders. Mit dem Unterschied, dass Kaffee aromatisch abbaut, je älter er wird. „Deshalb versuchen wir auch immer, die Ernte einer Saison im Laufe des Jahres zu verbrauchen“, sagt Wolters.
Dass nur die kleinen Röstereien in der Kaffeebranche für einen Aufschwung gesorgt haben, könne man aber so pauschal nicht sagen, erklärt Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands. „Die Branche ist insgesamt sehr lebendig.“Kleine Ladenröstereien könnten jedoch das handwerkliche Verfahren und Qualitätsmerkmale bei der Veredelung von Kaffee leichter an den Kunden transportieren als große Röster. „Insofern kann man sagen, dass kleinere Röstereien dazu beigetragen haben, die Wertschätzung von Kaffee auf Seiten des Konsumenten zu steigern“, sagt Preibisch.
Das geht sogar so weit, dass viele Bohnen-Enthusiasten ihren Kaffee daheim selber rösten möchten. Das geht theoretisch im Ofen oder in der Pfanne, ist laut Wolters aber nicht unbedingt empfehlenswert. Müssen die Bohnen doch möglichst gleichmäßig geröstet werden, also in Bewegung bleiben. Und das ist in der Pfanne schwierig. „Erst passiert in der Regel nichts, dann geht es meist sehr schnell“, sagt Wolters. Und viele Bohnen verbrennen.
Empfehlenswerter seien kleine, mit Heißluft betriebene Heimröster, die es bereits ab 200 Euro zu kaufen gibt. Allerdings sollten die Bohnen nach dem Rösten auf jeden Fall abkühlen und ruhen, möglichst mindestens einen Tag lang. „Sie müssen ausgasen, damit sich das Aroma entfalten kann“, erklärt der Profi-Röster. „Zu frischer Kaffee schmeckt meistens gar nicht so gut.“