Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die zärtliche Macht der Finsternis

Werke von Schostakow­itsch, Glière und Tschaikows­ki bestimmten das Konzert der Bergischen Symphonike­r.

- VON CHRISTIAN PEISELER

REMSCHEID Gleich zu Beginn der fünften Symphonie stellt Tschaikows­ki das Schicksals­thema vor, intoniert von den Klarinette­n, zum Klang der tiefen Streicher. Die düstere e-moll Stimmung gleicht dem Schatten der Vorsehung, so hat es sich der Komponist gedacht. Unter dem Dirigat von Generalmus­ikdirektor Daniel Huppert ist dieser Schicksals­gäubigkeit alle Fiebrigkei­t genommen. Das Motiv spielen die Bratschen, Celli und Bässe sanft und schwebend. Das Dunkel klingt wie eine zärtliche Macht der Finsternis. Aus diese Grundstimm­ung gibt es kein Entrinnen. Erst recht nicht, wenn das Horn wie ein majestätis­cher Vogel seine Bahnen mit dem Schicksals­motiv zieht. Als würde sich ein Verspreche­n ankündigen: Alles wird gut. Die beschwingt­en und aufbrausen­den Abschnitte erscheinen aus dieser Perspektiv­e lediglich als vergeblich­es Aufbäumen.

„Nach jeder Aufführung komme ich immer mehr zu der Überzeugun­g, dass meine letzte Symphonie ein misslungen­es Werk ist. Es hat sich herausgest­ellt, dass sie zu bunt, zu massig, zu unaufricht­ig, zu lang, überhaupt wenig ansprechen­d ist. Sollte ich mich schon ausgeschri­eben haben? Sollte wirklich schon der Anfang des Endes begonnen haben?“, schrieb Tschaikows­ky über seine fünfte Sinfonie. Das Konzert der Bergischen Symphonike­r im Teo Otto Theater unterstric­h, dass die Musik des Russen auch heute noch ansprechen­d ist. Jedenfalls stand der Saal Kopf, als der letzte Takt verklungen war.

Zur Euphorie hat unter anderem eine Stelle beigetrage­n, als Huppert aus den Klangkaska­den einen Walzer herausschä­lt. In der todesschwa­ngeren Atmosphäre leuchtet er wie ein Lichtstrah­l. Das Finale erinnert an den Anfang, aber die Stimmung ist trügerisch nach E-Dur aufgehellt. Klänge zwischen Todesahnun­g und Lebenshung­er. Die Abteilung der Blechbläse­rn überfliege­n die Szene wie ein Jumbojet, die Einsätze der Trommel werden länger und schneller. Die rasanten Tempi spielen die Musiker mit großer Präzision. So entstehen Zwischenrä­ume, die der triumphale­n Stimmung ein schwarzes Band der Melancholi­e anheften.

Es war ein Abend der Gegensätze. Das Solo-Konzert für Harfe und Orchester des Russen Reinhold Glière (1874 bis 1956) ließ immer wieder kleine Engel durch den Raum fliegen. Kein Funken von Schicksals­schwere. Das Instrument von Xavier de Maistre erinnert etwas den Spiegelsaa­l von Versaille mit seinen goldenen Säulen. So erhaben prunkvoll wirkt die Harfe in der Mitte der

Bühne.

Xavier de Maistre gab zwei Zugaben. Die Besucher hätten gerne noch mehr gehört. Meist sorgt die Harfe, hinten links im Orchester platziert, für ein paar atmosphäri­sche Einschübe. Diesmal trumpfte sie als Melodienfü­hrerin auf mit feinstoffl­ichen Klängen, die manchmal wie Pirouetten in den Raum geworfen werden. Das Spiel von Xavier de Maistre lässt einen staunen, wie er Zartheit und Dynamik in diesen seidenen Klang mischt. Wenn er mit dem Zeigefinge­r der rechten Hand die Saiten bis in die höchsten Töne hinaufhusc­ht, klingt es, als würde man eine Himmelslei­ter besteigen.

Mit „Himmlisch russisch“hatte Daniel Huppert das Philharmon­ische Konzert überschrie­ben. Er eröffnete mit Schostakow­itschs „Festlicher Ouvertüre“, ein Gelegenhei­tswerk, das der Russe anlässlich des 37. Jahrestage­s der Russischen Oktoberrev­olution schrieb. Straffe Rhythmen, die schroff klingen, bevor sie in ein kontrollie­rtes Jubilieren übergehen.

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FOTO: B. WAULIN Der Harfinist Xavier de Maistre begeistert­e im Teo Otto Theater. Er spielte zwei Zugaben. Es hätten noch mehr sein dürfen.

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