Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die zärtliche Macht der Finsternis
Werke von Schostakowitsch, Glière und Tschaikowski bestimmten das Konzert der Bergischen Symphoniker.
REMSCHEID Gleich zu Beginn der fünften Symphonie stellt Tschaikowski das Schicksalsthema vor, intoniert von den Klarinetten, zum Klang der tiefen Streicher. Die düstere e-moll Stimmung gleicht dem Schatten der Vorsehung, so hat es sich der Komponist gedacht. Unter dem Dirigat von Generalmusikdirektor Daniel Huppert ist dieser Schicksalsgäubigkeit alle Fiebrigkeit genommen. Das Motiv spielen die Bratschen, Celli und Bässe sanft und schwebend. Das Dunkel klingt wie eine zärtliche Macht der Finsternis. Aus diese Grundstimmung gibt es kein Entrinnen. Erst recht nicht, wenn das Horn wie ein majestätischer Vogel seine Bahnen mit dem Schicksalsmotiv zieht. Als würde sich ein Versprechen ankündigen: Alles wird gut. Die beschwingten und aufbrausenden Abschnitte erscheinen aus dieser Perspektive lediglich als vergebliches Aufbäumen.
„Nach jeder Aufführung komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass meine letzte Symphonie ein misslungenes Werk ist. Es hat sich herausgestellt, dass sie zu bunt, zu massig, zu unaufrichtig, zu lang, überhaupt wenig ansprechend ist. Sollte ich mich schon ausgeschrieben haben? Sollte wirklich schon der Anfang des Endes begonnen haben?“, schrieb Tschaikowsky über seine fünfte Sinfonie. Das Konzert der Bergischen Symphoniker im Teo Otto Theater unterstrich, dass die Musik des Russen auch heute noch ansprechend ist. Jedenfalls stand der Saal Kopf, als der letzte Takt verklungen war.
Zur Euphorie hat unter anderem eine Stelle beigetragen, als Huppert aus den Klangkaskaden einen Walzer herausschält. In der todesschwangeren Atmosphäre leuchtet er wie ein Lichtstrahl. Das Finale erinnert an den Anfang, aber die Stimmung ist trügerisch nach E-Dur aufgehellt. Klänge zwischen Todesahnung und Lebenshunger. Die Abteilung der Blechbläsern überfliegen die Szene wie ein Jumbojet, die Einsätze der Trommel werden länger und schneller. Die rasanten Tempi spielen die Musiker mit großer Präzision. So entstehen Zwischenräume, die der triumphalen Stimmung ein schwarzes Band der Melancholie anheften.
Es war ein Abend der Gegensätze. Das Solo-Konzert für Harfe und Orchester des Russen Reinhold Glière (1874 bis 1956) ließ immer wieder kleine Engel durch den Raum fliegen. Kein Funken von Schicksalsschwere. Das Instrument von Xavier de Maistre erinnert etwas den Spiegelsaal von Versaille mit seinen goldenen Säulen. So erhaben prunkvoll wirkt die Harfe in der Mitte der
Bühne.
Xavier de Maistre gab zwei Zugaben. Die Besucher hätten gerne noch mehr gehört. Meist sorgt die Harfe, hinten links im Orchester platziert, für ein paar atmosphärische Einschübe. Diesmal trumpfte sie als Melodienführerin auf mit feinstofflichen Klängen, die manchmal wie Pirouetten in den Raum geworfen werden. Das Spiel von Xavier de Maistre lässt einen staunen, wie er Zartheit und Dynamik in diesen seidenen Klang mischt. Wenn er mit dem Zeigefinger der rechten Hand die Saiten bis in die höchsten Töne hinaufhuscht, klingt es, als würde man eine Himmelsleiter besteigen.
Mit „Himmlisch russisch“hatte Daniel Huppert das Philharmonische Konzert überschrieben. Er eröffnete mit Schostakowitschs „Festlicher Ouvertüre“, ein Gelegenheitswerk, das der Russe anlässlich des 37. Jahrestages der Russischen Oktoberrevolution schrieb. Straffe Rhythmen, die schroff klingen, bevor sie in ein kontrolliertes Jubilieren übergehen.