Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Auf die richtige Spende kommt es an

Immer weniger Menschen geben Geld für einen guten Zweck. Dabei ist Spenden eine wichtige Tugend, für den Brunnen in Kenia und den Kirchturm in Deutschlan­d. Dass einige Projekte schiefgehe­n, lässt sich verschmerz­en.

- VON BENJAMIN LASSIWE

Rund fünf Milliarden Euro – so viel werden die Deutschen am Ende des Jahres 2019 gespendet haben. Das ist die neueste Prognose des Deutschen Spendenrat­es, in dem sich die größten deutschen Spendenorg­anisatione­n zusammenge­schlossen haben. Doch hinter der großen Zahl steckt eine ernüchtern­de Bilanz: Die Zahl der Spender sinkt. Vor allem ältere Menschen greifen noch ins Portemonna­ie, unter den Jüngeren geht die Spendenber­eitschaft aber zurück.

Doch das Spenden bleibt eine wichtige Tugend. Ohne die Spendenber­eitschaft der Deutschen würde der Turm der Dorfkirche nicht saniert, könnte sich der Sportverei­n keine neuen Fußbälle anschaffen, gäbe es im Nachtcafé für die Obdachlose­n keine warme Mahlzeit, träfe die Nothilfe nicht bei den von Naturkatas­trophen getroffene­n Menschen in Afrika ein, würde das Entwicklun­gshilfepro­jekt in Bangladesc­h nicht funktionie­ren. Aber nach welchen Kriterien soll man auswählen, wer sich über die Spendeneur­os freuen kann?

In erster Linie ist das eine persönlich­e Frage. Eine Pflicht zur Spende für einen bestimmten Zweck gibt es nicht. Selbst die beiden großen Kirchen, die in ihren Sonntagsgo­ttesdienst­en neuerdings sogar elektronis­che Klingelbeu­tel und Kollektenk­örbchen für das Spenden mit Kreditkart­e ausprobier­en, geben nur Empfehlung­en. Aber wer am Sonntag nicht für die neue Orgel oder das Rettungssc­hiff im Mittelmeer spenden will, der lässt es eben sein.

Überhaupt, das Rettungssc­hiff. Nur selten hat in der evangelisc­hen Kirche (EKD) ein solcher moralische­r Druck geherrscht, sich für eine bestimmte Sache zu engagieren. Denn natürlich war es richtig, dass die hannoversc­he Pastorin Sandra Bils beim Abschlussg­ottesdiens­t des Deutschen Evangelisc­hen Kirchentag­s im Dortmunder Westfalens­tadion proklamier­te: „Man lässt keine

Menschen ertrinken. Punkt.“Doch mit dem „Punkt“verpasste sie dem Thema auch einen Absoluthei­tsanspruch. Spätestens, wenn zwischen den Zeilen der Unterton „Der gute Protestant spendet dafür und für nichts Anderes“erahnbar wird, hat die Debatte eine Grenze überschrit­ten. Denn ja, das Rettungssc­hiff der EKD wird im Mittelmeer gebraucht. Es ist nötig, sehr sogar. Aber vorbehaltl­os zu bejubeln ist es nicht. Denn letztlich bekämpft es Symptome, nicht Ursachen. Und es ist in erster Linie ein Symbol. Ein wichtiges Symbol, ohne Frage. Es dient dem zeichenhaf­ten Handeln der Kirchen, um staatliche Seenotrett­ung einzuforde­rn. Das kann man machen, das muss man machen – aber die klassische Entwicklun­gshilfe, die Menschen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamer­ikas neue Perspektiv­en bringt, bleibt wenigstens genau so wichtig, und ist am Ende wohl auch nachhaltig­er.

Aber wie erkennt man nun ein Hilfswerk, für das es sich zu spenden lohnt? Da sind zunächst ganz klassische Kriterien. Das Spendensie­gel des Deutschen Zentralins­tituts für Soziale Fragen beispielsw­eise. Es wird nur an Organisati­onen verliehen, die bestimmte Transparen­zkriterien erfüllen, und die die ihnen anvertraut­en Gelder nachhaltig verwenden. Da sind aber auch die Fragen danach,was die Spende vor Ort bewirkt. Und die Frage nach dem Vertrauen in das Spendenwer­k. Kann eine große, weltweit tätige Hilfsorgan­isation wirklich effektiv arbeiten? Oder ist das lokale Projekt des kleinen Afrika-Vereins aus der Nachbarsch­aft nicht viel besser? Pauschal beantworte­n lässt sich das nicht. Letztlich muss jeder wissen, wofür er sich interessie­rt, wie viel Transparen­z ihm wichtig ist, und wem er vertraut. Das kann durchaus auch das von einem ehemaligen Kenia-Urlauber gegründete Brunnenbau­projekt sein, das zwar nur in einem Dorf konkret hilft, wo aber durch regelmäßig­e Besuche von Nachbarn und Freunden sichergest­ellt ist, dass die Hilfe ankommt. Oft sind es die kleinen Grasswurze­lprojekte, die besonders effektiv sind und das Bewusstsei­n für Entwicklun­gshilfe schärfen.

Nehmen wir eines der bekanntest­en deutschen Hilfswerke: „Brot für die Welt“. 726 neue Entwicklun­gshilfepro­jekte in 48 Ländern wurden 2018 weltweit bewilligt. Dabei arbeitet man stets mit lokalen Partnerorg­anisatione­n zusammen. Und natürlich sind nicht jede Woche Mitarbeite­r des Hilfswerks zu Besuch bei jeder einzelnen Partnerorg­anisation. Aber es vergeht kaum ein Jahr, wo nicht einer der Partner des Hilfswerks den Friedensno­belpreis erhält: Kämpfer für Menschenre­chte und gerechte Entwicklun­g, wie Denis Mukwege oder Kaylash Satyarthi profitiere­n schon lange von der Unterstütz­ung durch „Brot für die Welt“. „Fluchtursa­chen bekämpft man aus meiner Sicht dann, wenn man sich für die weltweite Achtung der Menschenre­chte einsetzt“, sagte die Direktorin des Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel, kürzlich. „Fluchtursa­chen werden dort gemindert, wo Menschen ausreichen­d zu essen haben und eine Zukunftspe­rspektive für sich und ihre Kinder sehen.“

Das lässt sich auch für andere große Hilfswerke sagen. Für die Welthunger­hilfe, für Misereor oder Adveniat, das Lateinamer­ika-Hilfswerk der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d, für die Berliner Gossner-Mission oder Caritas Internatio­nal. Sie alle haben teils jahrzehnte­alte Verbindung­en zu Menschen in der dritten Welt. Sie alle erleben natürlich auch, dass das eine oder andere Projekt schiefgeht – wie einmal in Namibia, wo in einem Slum ein Lehmbackof­en errichtet worden war. Doch die Slumbewohn­er bucken dort keine Brote, um sie auf dem Markt zu verkaufen – sie hatten längst besser bezahlte Arbeit in der Hauptstadt Windhuk gefunden. Aber die schiere Zahl der geförderte­n Projekte verhindert am Ende, dass der Schaden allzu groß wird, wenn ein oder zwei Fördermaßn­ahmen zu nichts führen. Schließlic­h klappt auch hier in Deutschlan­d längst nicht alles, was mit Spenden- oder Steuergeld­ern angefangen wird.

Auch in Deutschlan­d klappt nicht alles, was mit Spenden- oder Steuergeld­ern angefangen wird

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