Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Auf die richtige Spende kommt es an
Immer weniger Menschen geben Geld für einen guten Zweck. Dabei ist Spenden eine wichtige Tugend, für den Brunnen in Kenia und den Kirchturm in Deutschland. Dass einige Projekte schiefgehen, lässt sich verschmerzen.
Rund fünf Milliarden Euro – so viel werden die Deutschen am Ende des Jahres 2019 gespendet haben. Das ist die neueste Prognose des Deutschen Spendenrates, in dem sich die größten deutschen Spendenorganisationen zusammengeschlossen haben. Doch hinter der großen Zahl steckt eine ernüchternde Bilanz: Die Zahl der Spender sinkt. Vor allem ältere Menschen greifen noch ins Portemonnaie, unter den Jüngeren geht die Spendenbereitschaft aber zurück.
Doch das Spenden bleibt eine wichtige Tugend. Ohne die Spendenbereitschaft der Deutschen würde der Turm der Dorfkirche nicht saniert, könnte sich der Sportverein keine neuen Fußbälle anschaffen, gäbe es im Nachtcafé für die Obdachlosen keine warme Mahlzeit, träfe die Nothilfe nicht bei den von Naturkatastrophen getroffenen Menschen in Afrika ein, würde das Entwicklungshilfeprojekt in Bangladesch nicht funktionieren. Aber nach welchen Kriterien soll man auswählen, wer sich über die Spendeneuros freuen kann?
In erster Linie ist das eine persönliche Frage. Eine Pflicht zur Spende für einen bestimmten Zweck gibt es nicht. Selbst die beiden großen Kirchen, die in ihren Sonntagsgottesdiensten neuerdings sogar elektronische Klingelbeutel und Kollektenkörbchen für das Spenden mit Kreditkarte ausprobieren, geben nur Empfehlungen. Aber wer am Sonntag nicht für die neue Orgel oder das Rettungsschiff im Mittelmeer spenden will, der lässt es eben sein.
Überhaupt, das Rettungsschiff. Nur selten hat in der evangelischen Kirche (EKD) ein solcher moralischer Druck geherrscht, sich für eine bestimmte Sache zu engagieren. Denn natürlich war es richtig, dass die hannoversche Pastorin Sandra Bils beim Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Kirchentags im Dortmunder Westfalenstadion proklamierte: „Man lässt keine
Menschen ertrinken. Punkt.“Doch mit dem „Punkt“verpasste sie dem Thema auch einen Absolutheitsanspruch. Spätestens, wenn zwischen den Zeilen der Unterton „Der gute Protestant spendet dafür und für nichts Anderes“erahnbar wird, hat die Debatte eine Grenze überschritten. Denn ja, das Rettungsschiff der EKD wird im Mittelmeer gebraucht. Es ist nötig, sehr sogar. Aber vorbehaltlos zu bejubeln ist es nicht. Denn letztlich bekämpft es Symptome, nicht Ursachen. Und es ist in erster Linie ein Symbol. Ein wichtiges Symbol, ohne Frage. Es dient dem zeichenhaften Handeln der Kirchen, um staatliche Seenotrettung einzufordern. Das kann man machen, das muss man machen – aber die klassische Entwicklungshilfe, die Menschen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas neue Perspektiven bringt, bleibt wenigstens genau so wichtig, und ist am Ende wohl auch nachhaltiger.
Aber wie erkennt man nun ein Hilfswerk, für das es sich zu spenden lohnt? Da sind zunächst ganz klassische Kriterien. Das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen beispielsweise. Es wird nur an Organisationen verliehen, die bestimmte Transparenzkriterien erfüllen, und die die ihnen anvertrauten Gelder nachhaltig verwenden. Da sind aber auch die Fragen danach,was die Spende vor Ort bewirkt. Und die Frage nach dem Vertrauen in das Spendenwerk. Kann eine große, weltweit tätige Hilfsorganisation wirklich effektiv arbeiten? Oder ist das lokale Projekt des kleinen Afrika-Vereins aus der Nachbarschaft nicht viel besser? Pauschal beantworten lässt sich das nicht. Letztlich muss jeder wissen, wofür er sich interessiert, wie viel Transparenz ihm wichtig ist, und wem er vertraut. Das kann durchaus auch das von einem ehemaligen Kenia-Urlauber gegründete Brunnenbauprojekt sein, das zwar nur in einem Dorf konkret hilft, wo aber durch regelmäßige Besuche von Nachbarn und Freunden sichergestellt ist, dass die Hilfe ankommt. Oft sind es die kleinen Grasswurzelprojekte, die besonders effektiv sind und das Bewusstsein für Entwicklungshilfe schärfen.
Nehmen wir eines der bekanntesten deutschen Hilfswerke: „Brot für die Welt“. 726 neue Entwicklungshilfeprojekte in 48 Ländern wurden 2018 weltweit bewilligt. Dabei arbeitet man stets mit lokalen Partnerorganisationen zusammen. Und natürlich sind nicht jede Woche Mitarbeiter des Hilfswerks zu Besuch bei jeder einzelnen Partnerorganisation. Aber es vergeht kaum ein Jahr, wo nicht einer der Partner des Hilfswerks den Friedensnobelpreis erhält: Kämpfer für Menschenrechte und gerechte Entwicklung, wie Denis Mukwege oder Kaylash Satyarthi profitieren schon lange von der Unterstützung durch „Brot für die Welt“. „Fluchtursachen bekämpft man aus meiner Sicht dann, wenn man sich für die weltweite Achtung der Menschenrechte einsetzt“, sagte die Direktorin des Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel, kürzlich. „Fluchtursachen werden dort gemindert, wo Menschen ausreichend zu essen haben und eine Zukunftsperspektive für sich und ihre Kinder sehen.“
Das lässt sich auch für andere große Hilfswerke sagen. Für die Welthungerhilfe, für Misereor oder Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, für die Berliner Gossner-Mission oder Caritas International. Sie alle haben teils jahrzehntealte Verbindungen zu Menschen in der dritten Welt. Sie alle erleben natürlich auch, dass das eine oder andere Projekt schiefgeht – wie einmal in Namibia, wo in einem Slum ein Lehmbackofen errichtet worden war. Doch die Slumbewohner bucken dort keine Brote, um sie auf dem Markt zu verkaufen – sie hatten längst besser bezahlte Arbeit in der Hauptstadt Windhuk gefunden. Aber die schiere Zahl der geförderten Projekte verhindert am Ende, dass der Schaden allzu groß wird, wenn ein oder zwei Fördermaßnahmen zu nichts führen. Schließlich klappt auch hier in Deutschland längst nicht alles, was mit Spenden- oder Steuergeldern angefangen wird.
Auch in Deutschland klappt nicht alles, was mit Spenden- oder Steuergeldern angefangen wird