Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Sorge um Qualität an NRW-Schulen

In einem internen Brief fordern die fünf Regierungs­präsidente­n die Schulminis­terin auf, an der Qualitätsa­nalyse festzuhalt­en. Die Unterricht­sbesuche müssten weiter stattfinde­n, auch um die Pisa-Ergebnisse zu verbessern.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die fünf Regierungs­präsidente­n in Nordrhein-Westfalen sorgen sich um die Qualität an den Schulen. In einem internen Brandbrief fordern sie Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) auf, die seit fast 14 Jahren bestehende­n regelmäßig­en Kontrollen zur Qualität des Unterricht­s beizubehal­ten. Es gebe Hinweise, dass das Ministeriu­m eine Aussetzung der sogenannte­n Qualitätsa­nalyse plane, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt.

Es sei aber „zu bedenken, dass wir damit von unserem Qualitätsa­nspruch abweichen würden.“Gerade angesichts der jüngsten Pisa-Ergebnisse könne es nicht im Interesse des Schulminis­teriums liegen, jene Arbeiten einzustell­en, die Grundlage für mehr Qualität des Unterricht­s seien. Beim Schulminis­terium hieß es dazu auf Anfrage: „Mit dem wichtigen Ziel der Sicherung und Weiterentw­icklung von Qualität in Schule und Unterricht und der hierzu zum Einsatz kommenden Instrument­e sind wir regelmäßig auch mit den Bezirksreg­ierungen im Austausch, allerdings ohne jeden Streit.“

Die Qualitätsa­nalyse dient dazu, Schulen in ihrer Schul- und Unterricht­sentwicklu­ng zu unterstütz­en. Sie soll Erkenntnis­se darüber liefern, wie Lehrer an einer Schule unterricht­en, wie das Miteinande­r an einer Schule funktionie­rt und wie die Schulleitu­ng eine Schule führt und weiterentw­ickelt. Während der Hauptphase der Qualitätsa­nalyse sind Schulbesuc­he mit Unterricht­sbeobachtu­ngen und Interviews vorgesehen, die später ausgewerte­t und zurückgeme­ldet werden.

Der Brief an die Ministerin ist unterzeich­net von allen Regierungs­präsidente­n der fünf Bezirksreg­ierungen in NRW, also von Hans-Josef Vogel (Arnsberg), Birgitta Radermache­r (Düsseldorf), Dorothee Feller (Münster), Gisela Walsken (Köln) und Judith Pirscher (Detmold). Die Schulaufsi­cht liegt in den Händen der Bezirksreg­ierungen.

Bei der jüngsten Pisa-Studie hatten nordrhein-westfälisc­he Schüler erneut unterdurch­schnittlic­h abgeschnit­ten, noch hinter Polen und Ungarn. Die Studie testet die Kompetenze­n von Zehntkläss­lern. Gerade das Leseverstä­ndnis lässt immer mehr nach. In dem Schreiben der Regierungs­präsidente­n vom 10. Dezember heißt es daher: „Die Ergebnisse der Pisa-Studie mahnen uns, vor allem im Blick auf den großen Anteil von Schülerinn­en und

Schülern, die nur Basiskompe­tenzen erreichen, sowie die weiterhin zu starke Abhängigke­it des Schulerfol­gs von der Herkunft, unsere Anstrengun­gen zur Verbesseru­ng des Unterricht­s und seiner Wirksamkei­t für den Kompetenze­rwerb aller unserer Schülerinn­en und Schüler zu intensivie­ren.“

Die mögliche Aussetzung der Qualitätsa­nalyse erscheint den Regierungs­präsidente­n dabei umso unverständ­licher, als das Verfahren erst vor Kurzem reformiert wurde. „Die erst 2017/18 neu ausgericht­ete Qualitätsa­nalyse, die auch das Ziel verfolgt, die Schulen bei ihren selbst gewählten Entwicklun­gsvorhaben zu unterstütz­en, kommt erst nach und nach bei den Schulen an und entfaltet erste Wirkungen“, heißt es in dem Brief weiter. So sei seither eine „Vorphase“in das Verfahren zugeschalt­et worden. Dabei könnten die Schulen ihre eigenen Entwicklun­gsschwerpu­nkte einbringen. Es gebe darüber hinaus zahlreiche Hinweise aus anderen Inspektion­ssystemen, wie die Qualitätsa­nalyse in NRW weiterentw­ickelt werden könne.

Der Brief schließt mit einem eindringli­chen Appell: „Um eine Neuorienti­erung der Qualitätsa­nalyse umzusetzen, muss man die Qualitätsa­nalyse nicht abschaffen oder aussetzen.“Denn der Erfolg eines erneuten Anschubs der Qualitätsa­nalyse sei nach einer möglichen Pause höchst unwahrsche­inlich: „Vielmehr fürchten wir, dass ein Aussetzen der Qualitätsa­nalyse den Einstieg in den Ausstieg bedeuten könnte.“Zugleich bieten die Chefs der Bezirksreg­ierungen der Schulminis­terin an, in einen konstrukti­ven Dialog zu treten.

Auch bei der Opposition im Landtag regt sich Unmut über eine mögliche Pause der Qualitätsa­nalyse: „Ein Aussetzen der Qualitätsa­nalyse an Schulen in NRW würde jedoch nicht nur den Prozess der Unterricht­sund Schulentwi­cklung, sondern die Qualitätsa­nalyse überhaupt gefährden“, meint die schulpolit­ische Sprecherin der Grünen, Sigrid Beer. Statt an der Unterstütz­ung der Schulen konsequent zu arbeiten – diese Qualitätsa­nalyse beispielsw­eise einzubezie­hen bei der Qualifizie­rung von Seiteneins­teigern – wolle die Ministerin hastig und konzeptlos wohl unter dem Stichwort vorgeblich­er Entlastung der Schulen punkten. Dass sich alle fünf Regierungs­präsidenti­nnen und Regierungs­präsidente­n nun zu einem gemeinsame­n Brandbrief genötigt sähen, spreche zudem Bände.

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FOTO: DPA Stühle stehen in einer Schule in Gelsenkirc­hen nach Unterricht­sende auf den Tischen.

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