Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Sorge um Qualität an NRW-Schulen
In einem internen Brief fordern die fünf Regierungspräsidenten die Schulministerin auf, an der Qualitätsanalyse festzuhalten. Die Unterrichtsbesuche müssten weiter stattfinden, auch um die Pisa-Ergebnisse zu verbessern.
DÜSSELDORF Die fünf Regierungspräsidenten in Nordrhein-Westfalen sorgen sich um die Qualität an den Schulen. In einem internen Brandbrief fordern sie Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) auf, die seit fast 14 Jahren bestehenden regelmäßigen Kontrollen zur Qualität des Unterrichts beizubehalten. Es gebe Hinweise, dass das Ministerium eine Aussetzung der sogenannten Qualitätsanalyse plane, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt.
Es sei aber „zu bedenken, dass wir damit von unserem Qualitätsanspruch abweichen würden.“Gerade angesichts der jüngsten Pisa-Ergebnisse könne es nicht im Interesse des Schulministeriums liegen, jene Arbeiten einzustellen, die Grundlage für mehr Qualität des Unterrichts seien. Beim Schulministerium hieß es dazu auf Anfrage: „Mit dem wichtigen Ziel der Sicherung und Weiterentwicklung von Qualität in Schule und Unterricht und der hierzu zum Einsatz kommenden Instrumente sind wir regelmäßig auch mit den Bezirksregierungen im Austausch, allerdings ohne jeden Streit.“
Die Qualitätsanalyse dient dazu, Schulen in ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung zu unterstützen. Sie soll Erkenntnisse darüber liefern, wie Lehrer an einer Schule unterrichten, wie das Miteinander an einer Schule funktioniert und wie die Schulleitung eine Schule führt und weiterentwickelt. Während der Hauptphase der Qualitätsanalyse sind Schulbesuche mit Unterrichtsbeobachtungen und Interviews vorgesehen, die später ausgewertet und zurückgemeldet werden.
Der Brief an die Ministerin ist unterzeichnet von allen Regierungspräsidenten der fünf Bezirksregierungen in NRW, also von Hans-Josef Vogel (Arnsberg), Birgitta Radermacher (Düsseldorf), Dorothee Feller (Münster), Gisela Walsken (Köln) und Judith Pirscher (Detmold). Die Schulaufsicht liegt in den Händen der Bezirksregierungen.
Bei der jüngsten Pisa-Studie hatten nordrhein-westfälische Schüler erneut unterdurchschnittlich abgeschnitten, noch hinter Polen und Ungarn. Die Studie testet die Kompetenzen von Zehntklässlern. Gerade das Leseverständnis lässt immer mehr nach. In dem Schreiben der Regierungspräsidenten vom 10. Dezember heißt es daher: „Die Ergebnisse der Pisa-Studie mahnen uns, vor allem im Blick auf den großen Anteil von Schülerinnen und
Schülern, die nur Basiskompetenzen erreichen, sowie die weiterhin zu starke Abhängigkeit des Schulerfolgs von der Herkunft, unsere Anstrengungen zur Verbesserung des Unterrichts und seiner Wirksamkeit für den Kompetenzerwerb aller unserer Schülerinnen und Schüler zu intensivieren.“
Die mögliche Aussetzung der Qualitätsanalyse erscheint den Regierungspräsidenten dabei umso unverständlicher, als das Verfahren erst vor Kurzem reformiert wurde. „Die erst 2017/18 neu ausgerichtete Qualitätsanalyse, die auch das Ziel verfolgt, die Schulen bei ihren selbst gewählten Entwicklungsvorhaben zu unterstützen, kommt erst nach und nach bei den Schulen an und entfaltet erste Wirkungen“, heißt es in dem Brief weiter. So sei seither eine „Vorphase“in das Verfahren zugeschaltet worden. Dabei könnten die Schulen ihre eigenen Entwicklungsschwerpunkte einbringen. Es gebe darüber hinaus zahlreiche Hinweise aus anderen Inspektionssystemen, wie die Qualitätsanalyse in NRW weiterentwickelt werden könne.
Der Brief schließt mit einem eindringlichen Appell: „Um eine Neuorientierung der Qualitätsanalyse umzusetzen, muss man die Qualitätsanalyse nicht abschaffen oder aussetzen.“Denn der Erfolg eines erneuten Anschubs der Qualitätsanalyse sei nach einer möglichen Pause höchst unwahrscheinlich: „Vielmehr fürchten wir, dass ein Aussetzen der Qualitätsanalyse den Einstieg in den Ausstieg bedeuten könnte.“Zugleich bieten die Chefs der Bezirksregierungen der Schulministerin an, in einen konstruktiven Dialog zu treten.
Auch bei der Opposition im Landtag regt sich Unmut über eine mögliche Pause der Qualitätsanalyse: „Ein Aussetzen der Qualitätsanalyse an Schulen in NRW würde jedoch nicht nur den Prozess der Unterrichtsund Schulentwicklung, sondern die Qualitätsanalyse überhaupt gefährden“, meint die schulpolitische Sprecherin der Grünen, Sigrid Beer. Statt an der Unterstützung der Schulen konsequent zu arbeiten – diese Qualitätsanalyse beispielsweise einzubeziehen bei der Qualifizierung von Seiteneinsteigern – wolle die Ministerin hastig und konzeptlos wohl unter dem Stichwort vorgeblicher Entlastung der Schulen punkten. Dass sich alle fünf Regierungspräsidentinnen und Regierungspräsidenten nun zu einem gemeinsamen Brandbrief genötigt sähen, spreche zudem Bände.