Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Weiser kennt das Derby von beiden Seiten
Heute ist er Trainer beim Bayer-Nachwuchs, früher spielte er für Köln. Am Samstag ist die Werkself zu Gast bei den Domstädtern.
LEVERKUSEN Derbys zwischen Köln und Leverkusen gab es in der Bundesliga schon viele. Auch Patrick Weiser hat mehr als ein Dutzend der Nachbarschaftsduelle als Spieler des „Effzeh“auf dem Rasen erlebt. An eines erinnert sich der Ex-Profi nachdrücklich: das 3:3 am vorletzten Spieltag der Saison 1994/95. „Das war schon ein besonderes Spiel für mich. Natürlich auch, weil ich ein Tor geschossen habe“, sagt der 47-Jährige. Eine halbe Stunde vor dem Schlusspfiff lag Leverkusen nach Treffern von Rudi Völler und einem Doppelpack von Ulf Kirsten schier uneinholbar auswärts mit 3:0 in Führung. Dann starteten die Gastgeber aber eine spektakuläre Aufholjagd: Bruno Labbadia, Weiser und Rico Steinmann retteten Köln schließlich den verdienten Punkt.
Ein Unentschieden würde dem Schlusslicht aus der Domstadt im 63. Aufeinandertreffen beider Klubs am Samstag (15.30 Uhr) freilich nur bedingt helfen. Es wäre aber zumindest ein Achtungserfolg für den mit einem Zähler in drei Versuchen bislang glücklosen FC-Coach Markus Gisdol. Schließlich befindet sich die Werkself trotz des 0:2 am Mittwoch gegen Juventus Turin zuletzt klar im Aufwind und ist eindeutig Favorit.
Das sieht auch Weiser so, der den Derby-Faktor allerdings mehr auf den Rängen als auf dem Rasen verortet. „Klar ist es auch für Köln ein Derby, aber für die Zuschauer ist es meiner Meinung nach bedeutender als für die Profis. Es gibt inzwischen viel mehr Spieler aus anderen Ländern und anderen Kulturkreisen. Nicht jeder ist mit der langen Rivalität zwischen den beiden Klubs vertraut.“
Seit seinem Karriereende Mitte der 2000er erlebt Weiser die Lokalduelle nur noch als Trainer, Zuschauer oder Vater. Unter Stole Solbakken war der gebürtige Dürener 2011/12 fast eine Saison als Co-Trainer in Köln, ehe es ihn nach dem Rauswurf bei den Domstädtern gemeinsam mit dem Norweger zum damaligen Zweitligisten
Wolverhampton Wanderers nach England zog.
Die Zeit in beiden Vereinen hat Weisers Sicht auf den Profifußball nachhaltig verändert. „Ich habe auch die Schattenseiten dieses Bereichs kennengelernt“, sagt er. „Das Geschäft ist von vielen Unwägbarkeiten bestimmt. Über den Verbleib eines Trainers entscheiden viele Faktoren und nicht immer ist es ausschließlich die eigene Qualität.“Viele Menschen würden in das Geschäft drängen und sich, wenn sie dort angekommen sind, sehr wichtig nehmen. „Ich sehe das Fußballgeschäft schon mit kritischen Augen.“
Seine Liebe zum Fußball ist allerdings ungebrochen. Seit 2016 ist er Trainer im Bayer-Nachwuchs, betreut derzeit gemeinsam mit Markus von Ahlen Leverkusens U19. Wenn es ihm die Zeit erlaubt, schaut sich der Fußballlehrer auch heute noch gerne die Spiele der Werkself an. Vor allem natürlich, wenn sein aktuell wegen eines Bänderrisses im Sprunggelenk verletzter Sohn Mitchell aufläuft. „Ansonsten versuche ich abseits meiner Arbeit für Bayer 04 eher, eine Distanz zum Profifußball herzustellen. Ich merke selbst: Wenn ich zu viel Fußball schaue, nimmt das einen negativen Einfluss auf meinen Alltag.“
Mit seinem 25-jährigen Sohn unterhalte sich der dreifache Vater Weiser ohnehin nur „relativ wenig“über den Beruf. „Für mich ist Mitch in erster Linie mein Sohn und ein Mensch mit einer ganz eigenen, facettenreichen Persönlichkeit. Bei ihm gab es nicht von klein auf den Plan, dass er Fußballspieler wird. Das hat er sich selbst erarbeitet“, sagt der ehemalige Mittelfeldspieler.
Er zeigt sich von der Arbeit von Mitchells jetzigem Trainer Peter Bosz beeindruckt. „Ich mag seinen Stil, weil er mutig und offensiv spielen lässt“, erklärt Weiser. Dass der Niederländer seiner Linie „mit Ausnahme von Nuancen“treu bleibe, zeichne ihn besonders aus. „Spieler brauchen einen Trainer, der von seiner Idee überzeugt ist.“
Der 270-fache Bundesligaspieler, der 1999 ein Länderspiel für die deutsche A2-Nationalmannschaft absolvierte, wirbt mit Blick auf den risikoreichen Ansatz Boszs für noch mehr Akzeptanz beim Leverkusener Publikum. „Es könnte diesen Stil sicherlich noch mehr honorieren. Denn es gibt nicht viele Mannschaften, die so mutig und offensiv spielen – egal gegen welches Team.“
Von seiner Spielidee wird Bosz sicherlich auch am Samstag nicht abweichen. „Wenn wir das Spiel gewinnen wollen, müssen wir das über Fußball erreichen“, betonte der 56-jährige Bayer-Coach. Obwohl seine Elf durch die Champions League schon sechs Pflichtspiele mehr absolviert hat als die Kölner, sei es topfit, versicherte er. „Ich habe absolut noch nicht das Gefühl, dass die Spieler müde sind und in die Winterpause müssen.“
Patrick Weiser wird das erste Derby zwischen Köln und Leverkusen seit März 2018 im Bus nach Dresden verfolgen. Dort ist er am Sonntagmorgen mit seiner U19 im DFB-Pokal gefordert – weit weg vom rheinischen Getöse rund um das Duell seines alten und seines neuen Klubs.