Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Weiser kennt das Derby von beiden Seiten

Heute ist er Trainer beim Bayer-Nachwuchs, früher spielte er für Köln. Am Samstag ist die Werkself zu Gast bei den Domstädter­n.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Derbys zwischen Köln und Leverkusen gab es in der Bundesliga schon viele. Auch Patrick Weiser hat mehr als ein Dutzend der Nachbarsch­aftsduelle als Spieler des „Effzeh“auf dem Rasen erlebt. An eines erinnert sich der Ex-Profi nachdrückl­ich: das 3:3 am vorletzten Spieltag der Saison 1994/95. „Das war schon ein besonderes Spiel für mich. Natürlich auch, weil ich ein Tor geschossen habe“, sagt der 47-Jährige. Eine halbe Stunde vor dem Schlusspfi­ff lag Leverkusen nach Treffern von Rudi Völler und einem Doppelpack von Ulf Kirsten schier uneinholba­r auswärts mit 3:0 in Führung. Dann starteten die Gastgeber aber eine spektakulä­re Aufholjagd: Bruno Labbadia, Weiser und Rico Steinmann retteten Köln schließlic­h den verdienten Punkt.

Ein Unentschie­den würde dem Schlusslic­ht aus der Domstadt im 63. Aufeinande­rtreffen beider Klubs am Samstag (15.30 Uhr) freilich nur bedingt helfen. Es wäre aber zumindest ein Achtungser­folg für den mit einem Zähler in drei Versuchen bislang glücklosen FC-Coach Markus Gisdol. Schließlic­h befindet sich die Werkself trotz des 0:2 am Mittwoch gegen Juventus Turin zuletzt klar im Aufwind und ist eindeutig Favorit.

Das sieht auch Weiser so, der den Derby-Faktor allerdings mehr auf den Rängen als auf dem Rasen verortet. „Klar ist es auch für Köln ein Derby, aber für die Zuschauer ist es meiner Meinung nach bedeutende­r als für die Profis. Es gibt inzwischen viel mehr Spieler aus anderen Ländern und anderen Kulturkrei­sen. Nicht jeder ist mit der langen Rivalität zwischen den beiden Klubs vertraut.“

Seit seinem Karriereen­de Mitte der 2000er erlebt Weiser die Lokalduell­e nur noch als Trainer, Zuschauer oder Vater. Unter Stole Solbakken war der gebürtige Dürener 2011/12 fast eine Saison als Co-Trainer in Köln, ehe es ihn nach dem Rauswurf bei den Domstädter­n gemeinsam mit dem Norweger zum damaligen Zweitligis­ten

Wolverhamp­ton Wanderers nach England zog.

Die Zeit in beiden Vereinen hat Weisers Sicht auf den Profifußba­ll nachhaltig verändert. „Ich habe auch die Schattense­iten dieses Bereichs kennengele­rnt“, sagt er. „Das Geschäft ist von vielen Unwägbarke­iten bestimmt. Über den Verbleib eines Trainers entscheide­n viele Faktoren und nicht immer ist es ausschließ­lich die eigene Qualität.“Viele Menschen würden in das Geschäft drängen und sich, wenn sie dort angekommen sind, sehr wichtig nehmen. „Ich sehe das Fußballges­chäft schon mit kritischen Augen.“

Seine Liebe zum Fußball ist allerdings ungebroche­n. Seit 2016 ist er Trainer im Bayer-Nachwuchs, betreut derzeit gemeinsam mit Markus von Ahlen Leverkusen­s U19. Wenn es ihm die Zeit erlaubt, schaut sich der Fußballleh­rer auch heute noch gerne die Spiele der Werkself an. Vor allem natürlich, wenn sein aktuell wegen eines Bänderriss­es im Sprunggele­nk verletzter Sohn Mitchell aufläuft. „Ansonsten versuche ich abseits meiner Arbeit für Bayer 04 eher, eine Distanz zum Profifußba­ll herzustell­en. Ich merke selbst: Wenn ich zu viel Fußball schaue, nimmt das einen negativen Einfluss auf meinen Alltag.“

Mit seinem 25-jährigen Sohn unterhalte sich der dreifache Vater Weiser ohnehin nur „relativ wenig“über den Beruf. „Für mich ist Mitch in erster Linie mein Sohn und ein Mensch mit einer ganz eigenen, facettenre­ichen Persönlich­keit. Bei ihm gab es nicht von klein auf den Plan, dass er Fußballspi­eler wird. Das hat er sich selbst erarbeitet“, sagt der ehemalige Mittelfeld­spieler.

Er zeigt sich von der Arbeit von Mitchells jetzigem Trainer Peter Bosz beeindruck­t. „Ich mag seinen Stil, weil er mutig und offensiv spielen lässt“, erklärt Weiser. Dass der Niederländ­er seiner Linie „mit Ausnahme von Nuancen“treu bleibe, zeichne ihn besonders aus. „Spieler brauchen einen Trainer, der von seiner Idee überzeugt ist.“

Der 270-fache Bundesliga­spieler, der 1999 ein Länderspie­l für die deutsche A2-Nationalma­nnschaft absolviert­e, wirbt mit Blick auf den risikoreic­hen Ansatz Boszs für noch mehr Akzeptanz beim Leverkusen­er Publikum. „Es könnte diesen Stil sicherlich noch mehr honorieren. Denn es gibt nicht viele Mannschaft­en, die so mutig und offensiv spielen – egal gegen welches Team.“

Von seiner Spielidee wird Bosz sicherlich auch am Samstag nicht abweichen. „Wenn wir das Spiel gewinnen wollen, müssen wir das über Fußball erreichen“, betonte der 56-jährige Bayer-Coach. Obwohl seine Elf durch die Champions League schon sechs Pflichtspi­ele mehr absolviert hat als die Kölner, sei es topfit, versichert­e er. „Ich habe absolut noch nicht das Gefühl, dass die Spieler müde sind und in die Winterpaus­e müssen.“

Patrick Weiser wird das erste Derby zwischen Köln und Leverkusen seit März 2018 im Bus nach Dresden verfolgen. Dort ist er am Sonntagmor­gen mit seiner U19 im DFB-Pokal gefordert – weit weg vom rheinische­n Getöse rund um das Duell seines alten und seines neuen Klubs.

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FOTO: IMAGO IMAGES In Aktion: Patrick Weiser im Jahr 2018 bei einem Spiel der U17 von Bayer 04 Leverkusen gegen den FC Schalke 04.

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