Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Leichtes Spiel für Betrüger beim Tennis

Wenige Sportarten sind so anfällig für Wettmanipu­lationen wie Tennis. Immer wieder kommt es zu kuriosen Ergebnisse­n, vor allem bei ganz kleinen Turnieren. Die Verbände schreiten nur zögerlich ein.

- VON GIANNI COSTA

DOHA Wer darüber ächzt, es gäbe zu viele Spiele im Fußball, der sollte mal einen Blick auf den Turnierkal­ender im Tennis werfen. Denn neben den vier großen Grand-Slam-Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York veranstalt­et die Internatio­nale Tennis Federation (ITF) noch hunderte Veranstalt­ungen der untersten Kategorie rund um den Erdball. Dotiert mit Preisgelde­rn in der Regel zwischen umgerechne­t 13.500 und 22.400 Euro. Diese Formate sollen vor allem junge Spieler an die Profi-Turniere der ATP heranführe­n. Offenbar sind sie aber auch eine ideale Spielwiese für Betrüger.

Erst am vergangene­n Wochenende kam es zu einer verdächtig­en Partie bei einer dieser Veranstalt­ungen in Doha. Ein gewisser Artem Bahmet hat es zu einer zweifelhaf­ten Berühmthei­t gebracht, weil er das Kunststück vollbracht­e, keinen einzigen Ballwechse­l zu gewinnen. Am Ende ging der Ukrainer mit 0:6 und 0:6 als Verlierer vom Platz. Ein sogenannte­s „Golden Match“für seinen Kontrahent­en, unter normalen Umständen ist der Ausgang einer Partie eigentlich ausgeschlo­ssen.

Bei Bahmet ist es zumindest nachvollzi­ehbar. Angeblich soll er noch nie zuvor in seinem Leben einen Tennisschl­äger in der Hand gehabt haben. In anderen Bereichen soll er dagegen deutlich talentiert­er sein. Behmet, so heißt es, sei Kopf einer Bande von Wettbetrüg­ern. Und die haben sich einen Spaß gemacht, auf den Untergang ihres Anführers zu wetten. Prinzipiel­l kann jeder Mensch an Tennisturn­ieren der untersten Klasse der 15.000er ITF-Turniere teilnehmen. Es muss halt ein Platz im Feld für ihn frei sein. „Du benötigst nur einen Online-Zugang zu den Turniermel­dungen. Der kostet 65 Dollar im Jahr. Dort siehst du alle Turniere, die angeboten werden. Artem Bahmet hatte keinen Weltrangli­stenpunkt, hat aber für das Turnier in Doha gemeldet“, erklärt Andreas

Thies vom Tennis-Podcast Chip & Charge. „So wie sehr viele andere Spieler auch. Er war auf Platz 44 der sogenannte­n Alternate List, das heißt noch nicht in der Qualifikat­ion. Es mussten also einige Spieler absagen. Die haben abgesagt, er rückte nach.“

Vor der Qualifikat­ion muss noch ein Startgeld von 40 Dollar gezahlt werden. Wenn diese Rechnung beglichen wird, kann ein Spieler auch spielen, egal, wie gut er ist. „Solch eine Situation kommt extrem selten vor. Vor dieser Saison hat die

ITF das eigentlich eindampfen und die Zahl der Profis verringern wollen, die auf solchen Turnieren teilnehmen können“, sagt Thies. „Dagegen regte sich großer Widerstand, es wurde wieder zurückgefa­hren. Es hätte auf diese Partie niemals gewettet werden dürfen. So wird Betrug natürlich Haus und Hof bereitet. Und verschoben­e Matches sind gerade auf diesem Level leider keine Ausnahme.“

Es gibt immer wieder Verdächtig­ungen im Tennis. Wenige Sportarten sind so anfällig für Wettmanipu­lationen. Man kann auf den kompletten Spielverla­uf Geld setzen – und vieles ist von den Akteuren auf dem Platz kalkulierb­ar, sie haben es ja selbst in der Hand. Das macht die Sache für Kriminelle so lukrativ. Beim Fußball muss man in der Regel mehr als einen Komplizen haben, was die Sache deutlich erschwert. Das Risiko wächst damit, recht schnell aufzuflieg­en. Beim Tennis ist es einfacher. Wer schlägt den ersten Ball ins Netz, wem passiert er erste ungezwunge­ne Fehler und so weiter und so fort.

Die Associatio­n of Tennis Profession­als (ATP), gemeinsame Organisati­on der Berufsspie­ler und

Turnierver­anstalter, versucht sich gegen die Betrüger zu wehren. Es gibt eine Art Radarsyste­m im Kampf gegen Wettmanipu­lation. Wenn auf eine Partie ungewöhnli­ch viel Geld gesetzt wird, schlägt der Alarm an. Dieses Warnsystem zu umgehen, heißt es aus Tenniskrei­sen, sei relativ simpel. Es reiche oftmals schon aus, den Einsatz zu stückeln. Den ganz großen Eifer hat die ATP bisher tatsächlic­h nicht an den Tag gelegt.

„Jeder Spieler, der manipulier­en will, kann sein Bestes bis zu den letzten Spielen eines Satzes geben, dann ein paar Fehler machen, ein paar Doppelfehl­er servieren – und das ist es“, hat der schottisch­e Tennis-Profi Andy Murray einmal dazu gesagt. „Jeder weiß, dass es passiert. Es ist aber eben sehr schwer, einem Kollegen eine absichtlic­he Niederlage zu beweisen.“

Bei der ATP geriet der Russe Nikolai Dawidenko, zu dem Zeitpunkt die Nummer vier der Weltrangli­ste, einmal in den Verdacht, mit dunklen Mächten zusammenzu­arbeiten. Der ATP reichte, dass Dawidenko seine Unschuld beteuerte, um ihn von jeglicher Schuld freizuspre­chen – seine Bankdaten und Telefonver­bindungen musste er nicht offenlegen.

„Es ist schwer, einem Kollegen eine absichtlic­he Niederlage zu beweisen“

Andy Murray Tennis-Profi

Newspapers in German

Newspapers from Germany