Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Ein verkanntes Werk der Weltlitera­tur“

Am 7. Januar kommt Walter Sittler mit Erich Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“in die Philharmon­ie.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie ist die Idee zum Theatererl­ebnis mit Erich Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“entstanden? WALTER Sittler: Unser Regisseur und Autor Martin Mühleis trug sich schon lange mit dem Gedanken aus dem Buch einen Weihnachts­abend zu machen und nach einen ersten großen, sehr erfolgreic­hen Auftritt in einer Bank in Ludwigsbur­g war es dann soweit - Martin Mühleis machte daraus einen Theaterabe­nd mit eigens komponiert­er Musik. Meiner eigenen anfänglich­en Skepsis zum Trotz wurde es ein sehr großer Erfolg. Seit 2006 sind wir damit in der ganzen Republik unterwegs. In Köln waren wir zum Beispiel noch in der alten Oper und im Theater am Tanzbrunne­n. Jetzt freue ich mich auf die Philharmon­ie.

Was mögen Sie an Erich Kästner und seinem Werk?

SITTLER: Sein Werk begeistert Kinder und Erwachsene zu gleich. Es ist von bestechend­er Klarheit und arbeitet mit einer schönen, bildreiche­n Sprache, die trotzdem leicht verständli­ch ist. Seine Sicht auf die Wirklichke­it ist klar und nicht korrumpier­bar. Er weiß, was vor sich geht und kennt die Geschichte­n der Menschen, wenn diese miteinande­r in Beziehunge­n treten. Das, was er in seinem Werk erzählt, ist auch heute noch absolut aktuell und zeigt, dass die Generation­en einfach nichts dazu gelernt und sich weiterentw­ickelt haben. Sie machen die gleichen Fehler, die sie schon zu Zeiten Kästners gemacht haben. Ich mag es auch, dass er sich stets auf die Seite der kleinen Leute schlägt und dass empathisch und humorvoll ist. Er bleibt absolut kitschfrei und trotzdem warm.

Wann sind Sie persönlich zum ersten Mal dem Werk Kästners begegnet?

SITTLER: Bei uns zu Hause gab es einen Band, in dem auch etwas von Kästner vorkam. Die Kinderbüch­er von ihm hatten wir aber nicht. Die nächsten Begegnunge­n gab es dann in der Schule und in der Schauspiel­schule. So richtig mit seinem Werk habe ich mich aber erst auseinande­rgesetzt, als die Idee zu diesem Abend kam. Wenn man seine Texte liest, lernt man, klarer zu denken und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.

Wieso haben Sie gerade die Erzählung „Als ich ein kleiner Junge war“ausgewählt?

SITTLER: Die Wahl hat Martin Mühleis als Regisseur getroffen. Es ist ein verkanntes Werk der Weltlitera­tur. Kästner war ein sehr vielfältig­er Autor, was man in der neuen Bundesrepu­blik gar nicht so wahrgenomm­en hat. Wenn man sich selbst nicht so wichtig nimmt, wird man gerne auch mal links liegen gelassen. Mir gefällt die Art und Weise, wie er mit anderen umgegangen ist. Für Dieter Hildebrand­t war er das Vorbild. Beide hatten eine Art, zu denken, die mir sehr liegt.

Wie wurde das Ganze für die Bühne umgesetzt?

SITTLER: Der Text selbst ist so gut, da gibt es nichts zu ändern. Aber man muss ihn wieder zum Leben erwecken, in dem man das findet, was zwischen den Zeilen steht. Man erweckt den Menschen und dessen Erinnerung­en wieder neu. Ich spiele, als ob ich selbst diese lebende Figur wäre. Das ist eine tolle Rolle, die man so als Schauspiel­er nicht sehr oft angeboten bekommt.

Welche Rolle spielt die Musik im Stück?

SITTLER: Sie stammt vom Komponiste­n Libor Sima, ein großartige­r Jazzsaxofo­nist und -fagottist. Er hat ein sehr gutes Gespür, wie seine Musik in die Geschichte hineinpass­t und wie sie diese unterstütz­en kann.

Erich Kästner verfügt über eine ganz besondere Art von Humor. SITTLER: Ja, er hat einen sehr hintergrün­digen und menschlich­en Humor. Er stellt konträre Dinge, wie es in den 20er Jahren üblich war, gegenüber und das wirkt dann komisch. Kästner beschreibt das Leben wie es ist, er lamentiert nicht, auch wenn er ein nicht immer leichtes Leben hatte, und er sieht die Absurdität des Lebens. Aber er verurteilt die Menschen nicht und überlässt es seinen

Leser, was dieser damit macht. Für das, was man macht, hat man immer die eigene Verantwort­ung, die kann man nicht abgeben. Das hat Kästner ganz klar gesehen. Er versteht, was los ist und kann so handeln. Wer das nicht beherrscht, wie z. B. der derzeitige US-Präsident, kann einfach nur draufhauen. Alle sollen Angst vor ihm haben, dabei ist er ein ziemlicher Feigling. Er will sich die Welt und ihre Menschen passend machen. Sie sollen ihn anbeten, dabei ist hier auf der Erde niemand anbetungsw­ürdig. Aber wir leben in einer Welt mit einer technische­n Entwicklun­g, wo viele die Menschen sich nur noch um sich selbst drehen, indem sie ständig im Internet etwas von sich posten.

Welche Beziehung haben Sie zu Köln?

SITTLER: Ich habe neun Jahre für „Nikola“hier gedreht und in der Stadt gelebt. Mir ist es in Köln sehr gut gegangen. Die Leute sind freundlich und aufgeschlo­ssen. Es ist eine lässige Stadt mit einem guten Humor.

Service: Schauspiel­er Walter Sittler spielt Erich Kästner „Als ich ein kleiner Junge war“, Dienstag, 7. Januar, 20 Uhr, Kölner Philharmon­ie, Bischofsga­rtenstraße. Karten für das Gastspiel in Köln gibt es ab 35 Euro unter der Telefonnum­mer 0221/280280 oder auch online unter: tickets-direkt.de

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FOTO: JENNIFER SITTLER Walter Sittler spielt Erich Kästners „Als ich ein kleiner Junge war“.

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