Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wenn Partei-Interessen die Sachpolitik verdrängen
Die SPD riskiert eine monatelange Lähmung der Stadtverwaltung – und dass zu einer Zeit, in der die Finanzen der Stadt in der Krise stecken.
Wenn es um die Wahl eines Beigeordneten geht, dann spielen parteipolitische Erwägungen eine Rolle. Das ist nicht ungewöhnlich. Allerdings spitzt es sich selten so zu wie bei der Wahl des neuen Beigeordneten für Radevormwald, die am vergangenen Dienstag im Stadtrat im Bürgerhaus stattfand. Auch wenn die Beteiligten auf beiden Seiten versichern, es sei nicht um Partei-Interessen gegangen – der unbefangene Beobachter kann das schwer glauben.
Die weitere Entwicklung nach der Wahl bestätigt diesen Eindruck. Die Alternative Liste hatte bereits erwogen, die Wahl von Christian
STEFAN GILSBACH
Klicki anzufechten. Nun ist man von der AL – den „besten Kunden“der Kommunalaufsicht – nichts anderes gewohnt. Dass nun aber die SPD nachlegt und die Wahl rechtlich beanstanden will, ist ein Paukenschlag. In jüngster Zeit war das Verhältnis von CDU und SPD recht harmonisch – nun aber, neun Monate vor der Kommunalwahl, tun sich Gräben auf.
Dass die SPD die Qualifikation von Christian Klicki anzweifelt, hat mehr als ein Geschmäckle. Denn so lange der von der SPD favorisierte Kandidat noch im Rennen war, hat es nach Aussage mehrerer Ratsmitglieder keine Diskussion über die fachliche Eignung des
CDU-Bewerbers gegeben.
Doch der SPD-Kandidat hatte offenbar nicht die Nerven, bis zuletzt durchzuhalten und eine Niederlage zu riskieren. Erst nach seinem Absprung wurde die Eignung des CDU-Kandidaten plötzlich in Zweifel gezogen. Und es fehlten nur wenige Stimmen, um die ganze Wahl platzen zu lassen.
Wie werden die Radevormwalder diese Auseinandersetzungen aufnehmen? Jeder weiß, wie übel es bei den Bürgern ankommt, wenn der Eindruck entsteht, Parteipolitik gehe vor Sachpolitik. Dass die CDU bei ihrer Wahl offensichtlich auch auf das Parteibuch geschaut hat, das mag man kritisieren. Doch dass die SPD nun riskiert, die Entscheidung über die Verwaltungsspitze vor Gericht zu bringen, und zwar zu einer Zeit, wo Rade Haushaltsprobleme hat und dringend eine ruhige, stetige Finanzpolitik braucht – das kann man den Menschen kaum vermitteln. Eine monatelange Lähmung der Stadtgeschäfte droht, und das alles nur, um über den politischen Gegner einen kleinen Triumph zu feiern. Kein Wunder, dass Bürger sich von den Volksparteien abwenden, radikalen Kräften hinterherlaufen oder gleich ganz der Wahlurne fernbleiben. Auf die Wahlbeteiligung im September darf man gespannt sein.