Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mit der „Polarstern“durchs ewige Eis

Meteorolog­en der Uni Köln sind bei der größten Arktis-Expedition aller Zeiten dabei. Mehr als 600 Wissenscha­ftler beteiligen sich.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

KÖLN Es ist eine einmalige Chance, die sich den internatio­nalen Wissenscha­ftlern bietet: Der deutsche Forschungs­eisbrecher „Polarstern“driftet, festgefror­en an einer Eisscholle, ein Jahr lang durch das Nordpolarm­eer. Auf der sogenannte­n „Mosaic“-Expedition soll die Arktis im Jahresverl­auf erforscht werden. Mehr als 600 Wissenscha­ftler von 60 Instituten aus 19 Nationen sind dabei.

Vor allem im Winter, in der Zeit der Polarnacht, war eine Beobachtun­g der Arktis bisher kaum möglich. Wichtig ist die Expedition vor allem mit Blick auf den Klimawande­l: Kaum eine Region hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n so stark erwärmt wie die Arktis. Ziel der Wissenscha­ftler ist es daher, die Ursachen dafür aufzuspüre­n und so den globalen Klimawande­l besser zu verstehen.

Genau das möchten auch die Meteorolog­en der Uni Köln: Auf der Polarstern befindet sich ein Wolkenmess­gerät der Forscher namens „Mirac“(Microwave Radar/Radiometer for Arctic Clouds). Es bestimmt den Wasserdamp­fgehalt der extrem trockenen arktischen Atmosphäre und den Flüssigkei­tsgehalt von Wolken mithilfe von Mikrowelle­nstrahlung. „Damit können wir ein differenzi­ertes Bild der Wolken und der Atmosphäre in der Arktis zeichnen“, sagt Susanne Crewell. Die Professori­n der Uni Köln ist zwar diesmal nicht an Bord der Polarstern, war aber mehrfach auf Expedition­en in der Arktis und Antarktis. „Diesmal kümmert sich ein Kollege vom Leibniz-Institut für Troposphär­enforschun­g um unser Gerät und die Daten. An dieser Expedition wollten Institute aus aller Welt beteiligt sein, es ging natürlich darum, den Platz an Bord optimal auszuschöp­fen, um in diesem Jahr im Eis möglichst viele Erkenntnis­se zu gewinnen.“

Obwohl die Mosaic-Expedition schon seit einigen Wochen läuft, hat Susanne Crewell noch keine Daten von der „Polarstern“erhalten. „Nördlich von 80 Grad ist die Satelliten­verbindung sehr schlecht. Deshalb bekommen wir nach dem ersten Crew-Wechsel eine Daten-Festplatte mitgebrach­t – das ist ganz wie in alten Zeiten.“Der Wasserdamp­f steht im Blickpunkt der Kölner Forscher. „Er ist unser Haupttreib­hausgas. Ohne Wasserdamp­f wäre es auf unserer Erde rund 30 Grad kälter. Wird es wärmer, nimmt die Luft mehr Wasserdamp­f auf – und es wird noch wärmer. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, welchen Effekt Wasserdamp­f in der die Arktis hat, schließlic­h erwärmt sie sich schneller als der Rest der Welt.“Die Erwärmung sei in dieser für das Weltklima so außerorden­tlich wichtigen Region höher als in unseren Breiten, so Crewell. Dadurch nimmt nicht nur die Eisfläche kontinuier­lich ab, auch ihre Dicke und der Anteil an mehrjährig­em Eis. Was genau passiert dort, und welchen Anteil haben Wasserdamp­f und Wolken an der außergewöh­nlich hohen Erwärmung?

Vom Satelliten aus konnten die arktischen Wolken und der Wasserdamp­f bisher nicht genügend genau gemessen werden, gerade in der Polarnacht nicht. „Mit dem Messgerät vom Schiff aus erhalten wir detaillier­te Informatio­nen, mit denen wir auch die Satelliten­beobachtun­gen verbessern können“, so die Meteorolog­in. „Diese Daten aus der Wolkenfors­chung werden unsere Klimaproje­ktionen

genauer machen. Die Ausdehnung des Meereises im Herbst hat sich innerhalb von nur wenigen Jahrzehnte­n nahezu halbiert – und dies ist mehr, als Klimamodel­le vorhersage­n. Unser großes Ziel ist es, bessere Prognosen zu erstellen, mehr Sicherheit in die Klimamodel­le zu bekommen. Und das kann uns nur gelingen, wenn wir die Arktis und ihre speziellen Wolken besser verstehen lernen.“

Im März werden die Kölner Forscher dann übrigens doch noch Richtung „Polarstern“aufbrechen – und zwar mit dem Flugzeug: „Wir sind mit unserer Arbeitsgru­ppe sehr viel auf Spitzberge­n“, sagt Susanne

Crewell, die eine große Begeisteru­ng für die Polarregio­n hegt. „Wir werden dann von Spitzberge­n aus über Grönland zur ,Polarstern’ fliegen und die Wolken dann auch nochmal vom Flugzeug aus untersuche­n.“Dazu wird ein Polarflieg­er mit Fernerkund­ungsinstru­menten ausgestatt­et und zwischen Spitzberge­n und der „Polarstern“fliegen und die Veränderun­gen der Wolken untersuche­n.

Die Mosaic-Expedition musste übrigens dieser Tage einen kleinen Rückschlag hinnehmen, als sich ein Riss in der Eisscholle zeigte. Dies ist deshalb problemati­sch, weil sich die Forscher längst nicht nur auf dem

Schiff, sondern eben auch auf der Scholle aufhalten und dort mehrere Experiment­e und Messstatio­nen aufgebaut haben. Susanne Crewell weiß aus eigener Erfahrung, wie es sich auf einer Expedition lebt – in der Antarktis forschte sie zum Ozonloch, in der Arktis schrieb sie ihre Doktorarbe­it: „Das Wichtigste ist ein geregelter Tagesablau­f – schließlic­h befindet man sich in der Polarnacht, es ist also 24 Stunden lang dunkel. Und für den Tagesablau­f spielt dann auch die Verpflegun­g eine wichtige Rolle. Die ,Polarstern’ ist natürlich ein großes Schiff und bietet durchaus auch Annehmlich­keiten wie etwa ein Fitnessstu­dio.“Eine Flotte von Eisbrecher­n, Helikopter­n und Flugzeugen versorgt das Team auf dieser extremen Route.

Eine große Gefahr für die Beteiligte­n der Expedition sind Eisbären, die immer wieder in die Nähe der Polarstern kommen: „Alle Mitarbeite­r meiner Arbeitsgru­ppe auf Spitzberge­n mussten einen Schießkurs absolviere­n“, sagt Crewell. Auch an Bord der „Polarstern“werden rund um die Uhr Wachen postiert, um Wissenscha­ftler, die sich auf dem Eis befinden, vor Eisbären zu warnen.

Im Sommer 2020 soll die Polarstern in der Framstraße zwischen Norwegen und Grönland den Weg aus dem Eis finden.

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FOTO: ESTHER HORVATH Die Polarstern pflügt sich durch das Eis.

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