Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kindergeld­betrug in Millionenh­öhe

In Krefeld ist für rund 90 Kinder aus Südosteuro­pa offenbar zu Unrecht Kindergeld gezahlt worden. Bei einer Kontrolle kam heraus, dass die Kinder gar nicht hier lebten.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KREFELD Den nordrhein-westfälisc­hen Behörden ist ein bislang beispiello­ser Schlag gegen Kindergeld­betrüger gelungen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion aus Sicherheit­skreisen erhielten Familien aus Südosteuro­pa in Krefeld für rund 90 Kinder Kindergeld, die gar nicht in der Stadt lebten – und das möglicherw­eise jahrelang. Es soll ein Schaden in Millionenh­öhe entstanden sein.

Auf die Spur gekommen waren die Ermittler den Sozialleis­tungsbetrü­gern, die vornehmlic­h aus Rumänien und Bulgarien stammen, durch eine umfassende Auswertung von Daten, die unter anderem das Jugendund Schulamt sowie das örtliche Jobcenter zusammenge­tragen hatten. Auch Krefelds Oberbürger­meister, die Familienka­sse und die Staatsanwa­ltschaft sollen unmittelba­r in die Ermittlung­en eingebunde­n gewesen sein. Aufgrund dieser Datenbasis führte die Polizei Kontrollen durch, bei denen festgestel­lt worden sein soll, dass die gemeldeten Kinder gar nicht mehr vor Ort waren.

Die Durchsuchu­ngen fanden bereits vor einem halben Jahr statt, werden aber nach wie vor unter Verschluss gehalten. Die Gründe dafür sind unbekannt. Spekuliert wird darüber, dass die Auswertung der Daten sehr lange gedauert haben könnte. Ob das Vorgehen in Krefeld ein Vorbild für andere Städte ist, müsse die Zukunft zeigen, hieß es aus informiert­en Kreisen. Eine Sprecherin

der Stadt Krefeld sagte, dass der Einsatz vom nordrhein-westfälisc­hen Landeskrim­inalamt durchgefüh­rt worden sei und die statistisc­he Erhebung bei der Polizei Krefeld liege. „Die Stadt kann dazu keine Informatio­nen geben.“Die Polizei Krefeld verwies auf das Innenminis­terium. Dort bestätigte man die Durchsuchu­ngen. „Es gab eine gemeinsame Aktion von Polizei und Stadt Krefeld im Zusammenha­ng mit Kindergeld­zahlungen. Dabei wurden Kinder, die eigentlich dort sein sollten, nicht angetroffe­n“, sagte eine Sprecherin des Innenminis­teriums.

Ermittler schätzen, dass Familien aus Südosteuro­pa allein in NRW Kindergeld in zweistelli­ger Millionenh­öhe zu Unrecht beziehen. Die Methode ist häufig gleich. „Es wird Kindergeld mit einer gefälschte­n Meldeadres­se beantragt. Darin wird verschleie­rt, dass die Kinder gar nicht in Deutschlan­d, sondern im Ausland leben“, sagte eine Sprecherin der Duisburger Staatsanwa­ltschaft. Da sich die Betrüger meist im Ausland befinden, werden die Verfahren

zunächst vorläufig eingestell­t, aber gleichzeit­ig werden Fahndungsm­aßnahmen eingeleite­t. „Sobald die Person wieder nach Deutschlan­d einreist, versuchen wir dann, sie festzunehm­en“, so die Staatsanwä­ltin. So wie die Frau aus Rumänien, die vor wenigen Tagen am Düsseldorf­er Flughafen festgenomm­en wurde. Sie soll allein rund 40.000 Euro Kindergeld kassiert haben, die ihr nicht zustanden. Die Frau soll 2014 für ihre sechs Kinder unter Angabe der falschen Anschrift Kindergeld bei der Familienka­sse Duisburg beantragt haben. Erst 2017 kam heraus, dass sie keinen festen Wohnsitz in Deutschlan­d hatte.

Seit Jahren nimmt die Zahl der Fälle zu. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Duisburg werden allein in deren Zuständigk­eitsbezirk in diesem Jahr 68 solcher Verfahren wegen Kindergeld­betrugs geführt; 2018 waren es 63, 2017 zählte man 44. Ermittler gehen davon aus, dass Krefeld nur die Spitze des Eisbergs ist, zumal dort im Vergleich zu anderen Städten nicht überdurchs­chnittlich viele Südosteuro­päer leben.

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