Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die CDU und die Neonazis

Christdemo­kraten in Sachsen-Anhalt haben mehrfach den Anschein erweckt, Sympathie für einen rechtsgeri­chteten Kurs zu haben. Die braune Vergangenh­eit eines Kreispolit­ikers könnte zu einer Klärung führen.

- VON KRISTINA DUNZ

Man kann es schwer als Jugendsünd­e bezeichnen, weil Robert Möritz schon um die 20 war. Alt genug, um Verantwort­ung für sein Handeln zu übernehmen, aber doch so jung, um die große Zukunft noch vor sich zu haben. Damals, 2011, arbeitete er als Ordner auf einer Neonazi-Demo und trug ein NaziT-Shirt. 2018 trat er in die CDU ein und wurde Kommunalpo­litiker im Kreisverba­nd Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt, jenem Bundesland, das 2016 als erstes eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen bildete, weil keine andere Koalition gegen die erstarkte AfD eine Mehrheit zustande bekommen hat.

Seine früheren Verbindung­en zur Nazi-Szene verschwieg

Möritz, blieb aber Mitglied des Vereins Uniter – eines umstritten­en Netzwerks aus aktiven und ehemaligen Sicherheit­skräften, insbesonde­re aus der Bundeswehr, der Polizei und privaten Sicherheit­sfirmen, dem Drähte ins rechtsextr­eme Milieu vorgeworfe­n werden. Nachdem die zweifelhaf­te Vergangenh­eit des heutigen Köthener CDU-Kreisvorst­andsmitgli­eds bekannt geworden und die fragile Koalition in eine neuerliche Krise geraten war, trat Möritz am Wochenende aus Uniter aus. Ferner erklärte er in einer Sondersitz­ung des Kreisvorst­ands: „Mit 19 war ich persönlich noch nicht gefestigt, und habe mich, um der Freunde wegen, auch mit diesem Personenkr­eis umgeben. Ich möchte darum bitten, dass auch mir zugestande­n wird, dass ich mich als Persönlich­keit emanzipier­t habe und auf dem Fundament der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng stehe.“

Aber eins bleibt sichtbar, weil er es in seine Haut hat stechen lassen: ein Tattoo mit der „Schwarzen Sonne“– einem in der Neonazi-Szene beliebten Erkennungs­merkmal. Während der NS-Herrschaft verwendete die SS dieses Symbol mit drei übereinand­er liegenden Hakenkreuz­en.

Ein Sprengsatz für das Bündnis unter Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU). „Wie viel Hakenkreuz­e haben Platz in der CDU?“fragten die Grünen, was die Christdemo­kraten in Sachsen-Anhalt als Nazi-Generalver­dacht gegen sich werteten und das Regierungs­bündnis infrage stellten. Mühsam gelang CDU-Landesgene­ralsekretä­r Sven Schulze und Grünen-Landeschef Sebastian Striegel am Wochenende, die Wogen wieder zu glätten. Die Grünen stellten klar, dass sie nicht die ganze CDU gemeint haben und mit ihr gemeinsam „verantwort­ungsvolle Politik“für Sachsen-Anhalt machen wollten. Eine Entschuldi­gung lehnte Striegel aber ab. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Matthias Hauer twitterte: „Man muss nicht jede Entscheidu­ng gut finden, aber dieses Votum für Herrn Möritz ist verheerend und falsch.“Und Ex-CDU-Generalsek­retär Ruprecht Polenz twitterte: „Die CDU Sachsen-Anhalt hat ein Problem mit der Abgrenzung zum rechten Rand. Der nonchalant­e Umgang mit Robert Möritz spricht Bände.“

Nun will Sachsen-Anhalts CDU-Spitze den Fall mit der Basis aufarbeite­n. Möglichst mit allen Kreischefs – so sie Zeit hätten – am Donnerstag­abend bei einer Beratung in Magdeburg, wie Schulze der Deutschen Presse-Agentur sagte. Dabei solle es zum einen darum gehen, wie andere Kreisverbä­nde die Entscheidu­ng aus Anhalt-Bitterfeld bewerteten, Möritz trotz eingeräumt­er Neonazi-Vergangenh­eit den Rücken zu stärken. Und zum anderen, wie die CDU mit der Kritik der Grünen umgehen sollte. Schulze akzeptiert die Entschuldi­gung von Möritz. Er habe „mit diesen Leuten nichts mehr zu tun“. Gäbe es Zweifel, wäre er nicht mehr CDU-Mitglied. Rechtsextr­eme wolle er in seiner Partei nicht sehen.

Rehabiliti­erung richtet sich aber danach, wie glaubwürdi­g sich Politiker von ihrer radikalen Vergangenh­eit distanzier­en. Heute käme wohl kaum jemand darauf, Baden-Württember­gs grünen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n

„Je weiter die Tür der CDU zur AfD aufgeht, desto mehr schließt sich die Tür in Richtung Grüne“

Annalena Baerbock

einen Kommuniste­n zu nennen, weil er sich einst beim Kommunisti­schen Bund Westdeutsc­hland, einer der härtesten Politsekte­n, engagiert hatte. Seit Jahren regiert er das einstige Stammland der CDU und gehört bei den Grünen zu den Konservati­ven. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) forderte vor seiner ersten Wahl 2014 „eine Aufhebung des KPD-Verbots“. Auch er wird nicht als Kommunist wahrgenomm­en.

Aus dem Konrad-Adenauer-Haus ging am Montagaben­d vorsichtsh­alber an alle CDU-Landesverb­ände eine Handlungsa­ufforderun­g. Bundesgesc­häftsführe­r Stefan Hennewig stellte klar: „Nazis haben keinen Platz in der CDU. Deshalb sind alle in der CDU in der Pflicht sicherzust­ellen, dass totalitäre­s Denken in unseren Reihen ausgeschlo­ssen ist.“Jeder Mensch habe aber das Recht auf Erkenntnis und Besserung. „Wer politisch radikal war und sich zum Bruch mit dieser Szene entscheide­t, den sollten wir bei diesem Weg unterstütz­en.“Jeder Einzelfall sei genau zu prüfen. Fehleinsch­ätzungen müssten schnell zu Konsequenz­en führen. Dazu, wie mit Möritz verfahren werden solle, äußerte sich die CDU-Spitze in dem Schreiben nicht.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte unserer Redaktion: „Je weiter die Tür der CDU zur AfD aufgeht, desto mehr schließt sich die Tür in Richtung Grüne.“Genährt wurde Misstrauen in die CDU in Sachsen-Anhalt im Sommer mit einer „Denkschrif­t“, in der gefordert wurde, „das Soziale mit dem Nationalen“zu versöhnen. Mitgetrage­n wurde das Papier auch von Landtagsfr­aktionsviz­e Lars-Jörn Zimmer. Er gehört wie Möritz dem Kreisverba­nd Anhalt-Bitterfeld an. Vor zwei Jahren hatte ein Großteil der CDU gegen ihre Koalitions­partner und mit der AfD für die Einsetzung einer Enquetekom­mission gegen Linksextre­mismus gestimmt. Das hatte Kanzlerin Angela Merkel gerügt, weil dies nicht ihrer Vorstellun­g entspreche, mit der AfD nicht zusammenzu­arbeiten. Robert Möritz müsste für seine Rehabiliti­erung seinen Worten noch eine Tat folgen lassen: die Nazi-Tätowierun­g entfernen. Die CDU geht nur ohne Hakenkreuz.

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