Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das Handy als Spion

Mit Hilfe von Spyware lassen sich Standorte, Mails und Nachrichte­n ausspionie­ren – oft werden Frauen so von Partnern oder ExFreunden überwacht. Die Kölner Polizei will Frauen helfen, sich davor zu schützen.

- VON CLAUDIA HAUSER

Immer wieder taucht der ExFreund einer Kölnerin dort auf, wo sie gerade ist, im Supermarkt oder vor ihrem Büro. Zu lange glaubt sie an ärgerliche Zufälle. Einmal schreibt er ihr: „Deine neue graue Hose gefällt mir.“Er weiß Bescheid über Nachrichte­n, die sie per Whatsapp verschickt und kennt Fotos, die sie mit ihrem Mobiltelef­on macht. Auf die Idee, zur Polizei zu gehen, kommt sie erst nach vielen Monaten. „Sie sagte uns: Ich glaube, mein Auto ist verwanzt“, sagt Kriminalha­uptkommiss­ar Dirk Beerhenke. Dass ihr Ex-Partner ihr Handy als Spion nutzte, kam ihr nicht in den Sinn.

„Die Frauen, die zu uns kommen, sind fix und fertig“, sagt Beerhenke, Experte im Bereich Computerkr­iminalität bei der Kölner Polizei. So wie Regierunge­n und Geheimdien­ste Handys überwachen, so nutzen auch Stalker Spionageso­ftware, sogenannte Spyware. „Es gibt aber auch legale Apps, die zur Diebstahls­icherung oder auch zur Sicherheit der Kinder dienen, dann aber genutzt werden, um die Ex-Partnerin auszuspion­ieren“, sagt Beerhenke. „Viele sind erstaunt und entsetzt, was möglich ist.“

Über die Apps lassen sich Standorte ermitteln, Fotos kopieren oder Kameras und Mikrophone unbemerkt einschalte­n. „Man kann Mails und Nachrichte­n lesen und sogar beantworte­n, also die komplette digitale Identität des anderen übernehmen.“Die Frauen würden auf diese Weise überwacht, belästigt und gedemütigt – was oft eine Straftat ist, wie Beerhenke sagt. In der polizeilic­hen Kriminalst­atistik werden die Fälle unter Nachstellu­ng / Stalking erfasst und nicht extra ausgewiese­n. „Es sind aber viele Fälle, und es werden immer mehr“, sagt Beerhenke.

Ein Stalker ist laut dem Anti-Stalking-Gesetz jemand, der einen anderen Menschen gegen dessen Willen verfolgt oder belästigt. Durch das Inkrafttre­ten des Paragrafen 238 wurde Stalking ab März 2007 als Straftat gesetzlich definiert. In NRW wurden im vergangene­n Jahr 5345 Fälle angezeigt, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 5,4 Prozent.

Die Kölner Polizei bietet nun Infoverans­taltungen für Frauen in Köln und Leverkusen an, bei denen Beerhenke erklärt, wie sie sich vor Stalking per Handy schützen können. „Die Täter sind fast immer Männer. Ich habe in meinen vielen Dienstjahr­en so gut wie gar nicht erlebt, dass Männer von Frauen technisch überwacht wurden. Diese Kriminalit­ätsform ist aber auch erst zehn Jahre alt.“

Muss mein Partner meinen Handy-Code und sämtliche Passwörter kennen? Bin ich mir im Klaren darüber, was passieren könnte, wenn sich die Beziehung nicht zum Guten entwickelt, möglicherw­eise auseinande­r geht? Was kann mit – freiwillig gedrehten – Sexvideos und Fotos passieren? Diese Fragen sollte man sich stellen, sagt Beerhenke. „Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ich im Kopf und im Herzen nicht mehr mit voller Überzeugun­g bei meinem Partner bin, sollte die Ampel auf Gelb springen.“

Passwörter und Handy-Codes sollten seiner Meinung nach spätestens dann geändert werden. „Wer Zugriff auf ein Handy hat, kann eine App in Sekunden installier­en“, sagt Beerhenke. Versteckt in einem Ordner wird wohl niemand schnell darauf aufmerksam. Manche Stalker orteten ihre Ex-Partnerin auch über das Handy der Kinder, das sie entspreche­nd präpariert haben.

Der Kommissar erzählt vom Fall eines Mannes, der Sexbilder und -videos von drei Ex-Freundinne­n ins Netz gestellt hatte – Jahre nach den Trennungen. „Erst war Ruhe, aber zwei Jahre später tauchten wieder Videos auf“, sagt Beerhenke. „Auch wenn solche Videos einvernehm­lich gemacht werden, ist das Risiko extrem groß, dass sie irgendwann irgendwo auftauchen.“Seiner Erfahrung nach sorgen die Besitzer der Filme und Bilder immer dafür, dass sie an einer Stelle gespeicher­t werden, auf die sie immer wieder zugreifen können.

Die Täter seien ganz unterschie­dlich. „Oft sind es normal sozialisie­rte, gestandene Männer, die ausrasten, weil die große Liebe abgehauen ist.“Wenn eine Frau merkt, dass ihr Telefon in einen mobilen Spion verwandelt wurde, kann sie nach Ansicht des Experten nur eines tun: „Das Gerät ausschalte­n, den Router ausschalte­n, dann ein neues Handy kaufen und die Telefonnum­mer wechseln – bei allen Unannehmli­chkeiten. Aber dann ist Ruhe.“

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