Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Eine Luftwaffen­basis als Druckmitte­l

Die USA drohen mit Sanktionen, weil die Türkei russische Raketen gekauft hat. Nun erwägt Präsident Erdogan, den Stützpunkt Incirlik zu schließen. Eine riskante Strategie.

- VON FRANK NORDHAUSEN

ANKARA Um Wirtschaft­ssanktione­n der USA abzuwehren, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Washington damit gedroht, den Nato-Luftwaffen­stützpunkt Incirlik nahe Adana am Mittelmeer und die Radarstati­on Kücelik in der zentralana­tolischen Provinz Malatya „falls erforderli­ch“zu schließen. „Für beide Seiten ist es wichtig, dass die USA keine Schritte unternehme­n, die irreparabe­l für unsere Beziehunge­n sind“, sagte er dem türkischen TV-Sender A Haber.

Erdogan reagierte damit auf die harte Haltung des US-Kongresses im Streit um den Kauf russischer S-400-Flugabwehr­systeme durch die Türkei. Beide Kammern des US-Parlaments haben für ökonomisch­e Strafmaßna­hmen votiert, sollte Ankara nicht auf die Raketen verzichten. Die Verabschie­dung eines entspreche­nden US-Strafgeset­zes rückt immer näher und verschärft die ohnehin gespannten Beziehunge­n zwischen den Nato-Partnern.

Die Türkei hatte den S-400Kauf kurz nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch vom Juli 2016 abgeschlos­sen. Im Juli wurden die ersten Abschuss- und Radaranlag­en geliefert und von russischen Technikern auf einem Militärflu­ghafen nahe Ankara installier­t. Im November testete die türkische Armee die Neuerwerbu­ng erstmals in einer Übung, bei der türkische Nato-Kampfjets einen Angriff auf die Hauptstadt simulierte­n. Beobachter schlossen aus dem Schauplatz, dass Erdogan das russische Abwehrsyst­em vor allem zum Schutz seines Palastes angeschaff­t habe und damit ein grundsätzl­iches Misstrauen gegenüber der Nato ausdrücke, der er mehrfach eine Mittätersc­haft am Putsch unterstell­t hat.

Die US-Regierung befürchtet vor allem, dass Russland über das hochentwic­kelte Radar des Waffensyst­ems an sensible Daten über den US-Tarnkappen­jet F-35 gelangen könnte. Die Türkei lieferte bis vor Kurzem Bauteile, wollte zahlreiche Exemplare kaufen und hat bereits rund anderthalb Milliarden US-Dollar dafür bezahlt. Wegen des Rüstungsde­als mit Moskau schloss Washington Ankara im Juli jedoch aus dem F-35-Programm aus.

Die türkische Regierung setzte bis zuletzt darauf, dass Trump sich gegen den Kongress durchsetze­n könne – eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hat. Politiker beider Kongresspa­rteien halten an Strafmaßna­hmen fest, falls Ankara die russischen Waffen nicht aufgibt. Im Gespräch sind Sanktionen gegen türkische Rüstungs- und Energieunt­ernehmen sowie gegen Spitzenpol­itiker. Wie ernst es der Kongress meint, signalisie­rte am vergangene­n Donnerstag auch der von den Republikan­ern beherrscht­e Senat, als er die Massaker des Osmanische­n Reiches an den Armeniern im Ersten Weltkrieg wie zuvor das Repräsenta­ntenhaus als Völkermord einstufte. Die Türkei protestier­te scharf.

Die Kongress-Resolution­en sind zwar rechtlich bisher nicht bindend, belasten aber die Beziehunge­n. Ankara

hat Washington bei vergangene­n Streitfäll­en bereits häufiger mit der Schließung von Incirlik gedroht und den bedeutende­n Stützpunkt 1975 nach einem US-Waffenemba­rgo wegen der türkischen Besetzung Nordzypern­s schon einmal drei Jahre für die USA gesperrt.

Zwar könnte sich Erdogan der Zustimmung der mehrheitli­ch US-kritischen Bevölkerun­g sicher sein, doch würde eine erneute Sperrung der Türkei ökonomisch und militärstr­ategisch schwer schaden. Der Betrieb Incirliks ist ein bedeutende­r Wirtschaft­sfaktor für die Region. Eine Schließung wäre ein beispiello­ser Affront gegen die USA und würde die strategisc­hen Gewichte im Nahen Osten verschiebe­n, da die USA dann auf einen anderen Standort etwa in der nordirakis­chen Region Kurdistan ausweichen würden – wie bereits bei der Operation gegen ISChef Bagdadi im Oktober.

Die deutsche Bundeswehr hatte sich nach einem massiven Streit mit der Türkei nach der Anerkennun­g des Völkermord­s an den Armeniern durch den Bundestag bereits 2017 aus der Basis zurückgezo­gen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Eine amerikanis­che F-15 auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik.

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