Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Die Welt ist freudvolle­r, als wir denken“

Der Festivalle­iter von „Theater der Welt“spricht über die Ensembles von allen Kontinente­n, die in Düsseldorf zu erleben sein werden.

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DÜSSELDORF 400 Künstler aus allen fünf Kontinente­n werden im Mai nach Düsseldorf kommen. Dann ist das Schauspiel­haus dort Gastgeber des renommiert­en Festivals „Theater der Welt“. Kurator des Programms ist Stefan Schmidtke (49). 161 nahe und ferne Reisen hat er in den vergangene­n Monaten unternomme­n, um die Produktion­en fürs Festival auszusuche­n. Ein Gespräch über Entdeckerl­ust und den Optimismus in anderen Teilen der Welt.

Das Unbekannte, Fremde stößt gerade auf viel Argwohn. Wie machen Sie Menschen Lust auf Theater aus anderen Teilen der Welt? SCHMIDTKE Indem ich zu einem Fest einlade, zu einer Feier des Schönen, die wir gemeinsam mit Menschen aus allen Kontinente­n begehen wollen. Die Welt ist bei weitem optimistis­cher und freudvolle­r, als es uns in Deutschlan­d oft erscheint. Diese Freude und Zukunftszu­gewandthei­t wird das „Theater der Welt“nach Düsseldorf tragen. Und damit den täglichen Horrormeld­ungen aus den Krisenregi­onen etwas entgegense­tzen. Festivals müssen keine kritische Masse anhäufen. Kunst stellt immer kritische Fragen, das trägt sie in sich. Aber es gibt viele Intellektu­elle und Künstler in der Welt, die Kunst als Werkzeug verstehen, die Welt schön zu machen und über eine bessere Zukunft nachzudenk­en. Dazu laden wir ein. Wir wollen die Zuschauer in die Freude mitnehmen. Denn die größte Kraft von Theater ist, in der Öffentlich­keit Gemeinscha­ft erlebbar zu machen, Begegnung zu ermögliche­n, ohne Differenze­n zu verwischen.

Wie kann so eine freundlich­e Begegnung aussehen?

SCHMIDTKE Wir laden zum Beispiel zu einem „Eurovision Song-Contest“mit philosophi­schen Texten ein. Wir haben Philosophe­n aus zwölf Ländern gebeten, eine Vision für Europa zu entwerfen. Die werden in Düsseldorf auf der Bühne in fröhliche, musikalisc­he Konkurrenz zueinander treten, begleitet von einer Jury, die das bewertet. Natürlich

wird auch das Publikum eine Stimme bekommen. Die beste und schönste Europa-Vision wird siegen. Aber natürlich lassen wir Europa auch hinter uns und schauen, was in Kanada passiert, in Chile und in der Sahelzone, in Indonesien im arabischen Raum, Japan, Australien …

Gibt es einen Schwerpunk­t? SCHMIDTKE Es gibt eine absolute Besonderhe­it. Wir werden das erste „Theater der Welt“sein, das an allen 18 Festivalta­gen ein gleichrang­iges Programm für junge Zuschauer macht. Das hat es noch nicht gegeben. Das Junge Schauspiel macht eine so gute Arbeit hier in der Stadt, dass wir das Festival nicht daran vorbeiplan­en wollten. Das stellt uns vor die Herausford­erung, fremdsprac­higes Theater auch ohne Obertitel verständli­ch zu machen. Wir brauchen Gebärdendo­lmetscher, Übersetzer, die auf der Bühne mitlaufen. Schon waren wir mitten in der künstleris­chen Arbeit.

Etwa 30 Produktion­en werden zu sehen sein. Wie haben Sie ausgewählt?

SCHMIDTKE Auch in der internatio­nalen Theatersze­ne gibt es Strömungen. Im Moment sind die die beiden avancierte­sten Theaterlän­der außerhalb Europas Kanada und Australien. Das hat sicher damit zu tun, dass beide Länder selbst Kolonien waren und sich aus ihrem Inneren heraus mit drängenden Themen beschäftig­en wie Postkoloni­alismus, Aneignung von Kunst, Umgang mit Minderheit­en und kulturelle Vielfalt. Das hat auch mit dem Brexit und der Loslösung von Europa zu tun. Beide Länder entdecken ihren eigenen kulturelle­n Reichtum, der eben auch die Kunst der Indigenous People oder auch der Aborigines umfasst.

Wo wird das „Theater der Welt“zu erleben sein?

SCHMIDTKE An allen Standorten des Schauspiel­hauses inklusive des Jungen Schauspiel­s. Außerdem haben wir tolle Kooperatio­nspartner gefunden, etwa mit dem K21, dem

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