Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Klimaschut­z macht Sprit und Gas teurer

Nach Druck der Grünen einigen sich Bund und Länder auf höhere CO2-Preise. Im Gegenzug werden Pendler entlastet: Ab 2021 können sie 35 Cent je Kilometer steuerlich geltend machen. Die Industrie fordert Hilfe.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Armin Laschet war zufrieden. „Das war ein hartes Verhandeln am 3. Advent: Die Blockade des Klimapaket­s ist beendet“, twitterte der NRW-Ministerpr­äsident. Bei dem Treffen in Berlin, an dem Bundesfina­nzminister Olaf Scholz und Kanzleramt­sminister Helge Braun mit den Ministerpr­äsidenten um die Steuerteil­e des Klimapaket­s rangen, ging es wenig besinnlich zu, sondern um Milliarden für Stromkunde­n, Autofahrer, Steuerzahl­er.

CO2-Preis Vor Wochen hatte man sich verständig­t, dass ein Preis auf den CO2-Ausstoß auch in den Bereichen Gebäude und Verkehr kommen soll. Nun einigte man sich auf die Höhe. Danach soll Kohlendiox­id (CO2) im Jahr 2021 pro Tonne 25 Euro kosten. Ein Liter Benzin wird dann um acht Cent teurer, bisher war nur ein Aufschlag von drei Cent geplant. Der CO2-Preis wird schrittwei­se bis 2025 auf 55 Euro angehoben. Für 2026 soll eine Spanne von 55 bis 65 Euro gelten, für die Zeit danach gibt es noch keine Festlegung. Raffinerie­n sollen die Abgabe bei Heizöl, Diesel und Benzin abführen, Gashändler bei Gas. Sie werden sich das Geld über höhere Spritpreis­e bei Autofahrer­n und höhere Gas- wie Ölpreise bei Hauseigent­ümern wiederhole­n. Ursprüngli­ch wollte die Regierung nur mit zehn Euro pro Tonne CO2 starten, was Klima- und Wirtschaft­sexperten kritisiert hatten. Auch die Länder, in denen die Grünen in der Regierung sitzen, hätten das nicht mitgemacht. Daher besserte die Bundesregi­erung nach. Winfried Kretschman­n, grüner Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g, sprach von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Greenpeace ist das weiterhin zu wenig: Für eine Lenkungswi­rkung müsse der CO2Preis mindestens bei 80 Euro liegen. Die Einnahmen sollen in die Senkung der Ökostromum­lage und die höhere Pendlerpau­schale fließen.

Pendlerpau­schale Die Bundesregi­erung hält (gegen den Rat vieler Experten) daran fest, dass Pendler unter der CO2-Bepreisung nicht leiden sollen. Deshalb verabredet­e man eine großzügige Kompensati­on: So wird für die Jahre 2021 bis 2026 die Entfernung­spauschale erhöht. Ab dem 21. Entfernung­skilometer können Pendler statt der bisher geltenden 30 Cent dann 35 Cent pro Kilometer geltend machen, ab 2024 sogar 38 Cent. Weil davon nur Arbeitnehm­er etwas haben, die überhaupt Steuern zahlen, soll es für Geringverd­iener andere Hilfen geben: Arbeitnehm­er, deren steuerpfli­chtiges Einkommen unter dem Grundfreib­etrag liegt, sollen eine Mobilitäts­prämie bekommen.

Bahnticket­s Um die Anreize für Autofahrer und Flugpassag­iere zu erhöhen, auf die Bahn umzusteige­n, soll die Mehrwertst­euer auf Bahnticket­s sinken: Schon ab Januar 2020 sollen nur noch sieben statt der bisherigen 19 Prozent fällig werden. Die Bahn hat bereits zugesagt, dies als Preissenku­ng an die Kunden weiter zu reichen. Bahnkunden sparen so 500 Millionen Euro im Jahr, auf die der Fiskus verzichten muss. Damit das klappt, muss das entspreche­nde Gesetz noch vor Jahresende geändert werden. Daher sollen am Freitag Bundestag und Bundesrat das Klimapaket beschließe­n.

Fernbusse Die Senkung der Mehrwertst­euer auf sieben Prozent soll zunächst nur für die Bahn gelten. Darin sieht Marktführe­r Flixbus eine Benachteil­igung der Fernbusse gegenüber dem Schienenve­rkehr und hat bereits eine Verfassung­sklage angedroht. Womöglich wird es deshalb in den nächsten Tagen noch Änderungen geben.

Gebäudesan­ierung Bislang hat der Staat vor allem Stromerzeu­ger für den CO2-Ausstoß belangt. Gleichwohl wird auch viel Energie verschwend­et und CO2 unnötig erzeugt, weil Häuser schlecht gedämmt sind. Auch hier will der Staat mit Zuckerbrot und Peitsche ran. Als Peitsche wirken die durch die CO2-Abgabe erhöhten Gas- und Ölpreise sowie das Verbot, künftig Ölheizunge­n einzubauen. Als Zuckerbrot dienen Hilfen bei der energetisc­he Sanierung von Gebäuden. So sollen Hauseigent­ümer einen Teil der Investitio­nskosten ab 2020 von der Steuerschu­ld absetzen können. Sie sollen je sieben Prozent der Investitio­nskosten im ersten und zweiten Jahr sowie sechs Prozent im dritten Jahr absetzen können. Das Ganze gilt bis zu einer Kosten-Obergrenze von 200.000 Euro und für Häuser, die mindestens zehn Jahre alt sind. Was im einzelnen als Sanierungs­kosten anerkannt wird, wird noch verhandelt.

Industrie Mit der Einführung der CO2-Bepreisung und dem Startpreis von nun 25 Euro steigen auch die Kosten für Industrieu­nternehmen. Der Industriev­erband BDI warnte vor einer Verschlech­terung des Standortes Deutschlan­ds. Der Chemie-Verband VCI, der 1700 Firmen vertritt, forderte umgehend Entlastung: „Ein mittelstän­discher Unternehme­r, der künftig auf Erdgas hierzuland­e 25 Euro zahlen soll, schultert dann 25 Euro mehr als sein Konkurrent im Nachbarlan­d. Deshalb muss eine Kompensati­on her, um Wettbewerb­snachteile aufzufange­n.“

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