Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
So ticken die Bundesliga-Trainer
In der Fußball-Bundesliga treffen Trainer mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen aufeinander. Die Frage nach dem Image des Trainers, nach seiner Philosophie, steht immer häufiger im Fokus. Aber welche Kategorien von Trainern gibt es in der Liga eigentli
DÜSSELDORF Über die Rolle des Trainers in Fußball-Vereinen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Eine sehr gängige vertritt Peter Hermann (67), der in seiner langen Karriere geradezu zum Sinnbild des loyalen Assistenten wurde. Er sagt: „Der Cheftrainer ist der wichtigste Mann im Verein.“Sein ehemaliger Vorgesetzter, der einstige Leverkusener Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, hat dagegen das goldene Wort geprägt: „Ein Trainer ist eine temporäre Erscheinung.“
Zu dieser Einschätzung passt, dass inzwischen kaum ein Coach mehr seine vorgesehene Vertragszeit erfüllt. Anerkennung in der Öffentlichkeit hilft bei der Arbeitsplatzsuche und wenn es mal wackelt. Für Anerkennung sorgt auch das Image. Es war vielleicht nie wichtiger. Wir wagen eine kleine Typologie der Bundesliga-Trainer:
Die Fußballehrer Es ist (zum Glück) eine immer noch sehr große Gruppe von Trainern, die ihre wesentliche Aufgabe darin sehen, als Pädagogen auf dem Fußballplatz, in der Kabine und in den Besprechungsräumen zu wirken. Zu ihnen zählt sicher der Dortmunder Lucien Favre (62), der seinen Lehrauftrag so ernst nimmt, dass so mancher seiner Zöglinge am Perfektionismus des Trainers verzweifelt.
Hansi Flick (54) von Bayern München hat sich bereits in der Assistenzzeit beim DFB als Vermittler verstanden. Christian Streich (Freiburg, 54) musste lange überredet werden, ehe er die Freiburger Fußballschule gegen das Profiteam tauschte. Streich arbeitet derart überzeugend, dass sogar der Italiener Vincenzo Grifo den urbadischen Dialekt versteht.
Oliver Glasner (45) brachte den VfL Wolfsburg überraschend schnell in die Bahn. Und er lässt sich auch vom Zwischentief in der Bundesliga nicht erschüttern. Urs Fischer (53) hat Union Berlin in mühevoller Kleinarbeit ein wuchtiges Defensivsystem verpasst. Und Alfred Schreuder (47) überzeugte mit seiner gelassenen Art in Hoffenheim. Sein Team überstand so den Abgang einer ganzen Armada starker Spieler (unter anderem Kerem Demirbay und Nico Schulz).
Die Tempomacher Sie würden sich allesamt auch als Lehrer bezeichnen, weil sie ihren Fußballstil schließlich ebenso akribisch wie der unnachahmliche Favre erarbeiten müssen. Sie scheinen aber alle gemeinsam auf einer Schulbank gesessen zu haben.
Von Marco Rose (43, Mönchengladbach) über David Wagner (48, Schalke), Peter Bosz (56, Leverkusen), Adi Hütter (49, Frankfurt), Steffen Baumgart (47, Paderborn), Florian Kohfeldt (37, Bremen), Achim Beierlorzer (52, Mainz) bis zu Markus Gisdol (50, Köln) heißt die Devise: Ballgewinn und ab nach vorn.
Die Lehrbücher nennen die Taktik Gegenpressing. Und in Deutschland gilt Jürgen Klopp als ihr Erfinder. Akademiker sehen die Wurzeln in der Fußballschule von Dynamo Kiew in den 1970er Jahren oder im holländischen Voetbal totaal von Ajax Amsterdam. Es geht vor allem um den Faktor Begeisterung. Wie lange der hält, wenn es wirklich eng wird? Abwarten.
Der Veteran Friedhelm Funkel (66) ist ganz sicher ein Fußballlehrer. Vor allem aber ist er ein Mann der Praxis, der als Spieler und Trainer eigentlich schon alles erlebt hat – außer dem Kampf um den Titel in der Bundesliga. Aber das ist eine andere Geschichte. Funkel lebt mit seiner Ruhe bei Fortuna Düsseldorf die wichtigste Tugend in einem Verein vor. Schön wär’s, wenn sich alle ein Beispiel nehmen würden. Eine verwegene Hoffnung.
Der Vielseitige Martin Schmidt (52) ist Skilehrer, er hat früher in einer Autogarage gearbeitet, er führt einen Kleiderladen und steigt auf Berge wie so viele Schweizer. Beim FC Augsburg wirkt er als leidenschaftlicher Antreiber an der Linie. Das ist so seine Art. Und weil er sich dabei ziemlich auspowert, benötigt er nach den immer mal fälligen Entlassungen (siehe oben: temporäre Erscheinung) stets eine kleine Auszeit, in der er unter anderem versucht, ein Stück ins normale Leben zurückzukehren. Der „Neuen Zürcher Zeitung“verriet er, dass das nicht so einfach ist.
Der Strahlemann Jürgen Klinsmann (55) kann lächeln, dass sich die Werbeagenturen vor Verlangen biegen. Der Daueroptimist mit der Wahlheimat Kalifornien und der Empfehlung, das Sommermärchen 2006 in Deutschland verantwortet zu haben, soll nun Hertha BSC „sexy“machen. Das schreiben die erwartungsvollen Hauptstadtblätter. Damit ist es nicht nur auf strahlende Öffentlichkeitsarbeit ankommt, hat Klinsmann einen Stab von Fachleuten zur Seite gestellt bekommen.
Der Visionär Julian Nagelsmanns (32) Traum ist es, eine Mannschaft aus Spielern zu bilden, die im Leipziger Fußball-Labor mit allen Mitteln der Technik zu makellosen Athleten geformt wurden, die möglichst jung, möglichst groß und möglichst schnell sind und denen er dann beibringt, innerhalb eines Spiels mindestens zehn verschiedene Systeme zu spielen. Dazu überfrachtet er seine Fußballer im Training planvoll mit Eindrücken und Anforderungen. Das hat ihn schon für ganz große Klubs interessant gemacht. Er findet das normal. So viel Selbstbewusstsein muss sein.