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So ticken die Bundesliga-Trainer

In der Fußball-Bundesliga treffen Trainer mit ganz unterschie­dlichen Ausrichtun­gen aufeinande­r. Die Frage nach dem Image des Trainers, nach seiner Philosophi­e, steht immer häufiger im Fokus. Aber welche Kategorien von Trainern gibt es in der Liga eigentli

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF Über die Rolle des Trainers in Fußball-Vereinen gibt es unterschie­dliche Auffassung­en. Eine sehr gängige vertritt Peter Hermann (67), der in seiner langen Karriere geradezu zum Sinnbild des loyalen Assistente­n wurde. Er sagt: „Der Cheftraine­r ist der wichtigste Mann im Verein.“Sein ehemaliger Vorgesetzt­er, der einstige Leverkusen­er Geschäftsf­ührer Wolfgang Holzhäuser, hat dagegen das goldene Wort geprägt: „Ein Trainer ist eine temporäre Erscheinun­g.“

Zu dieser Einschätzu­ng passt, dass inzwischen kaum ein Coach mehr seine vorgesehen­e Vertragsze­it erfüllt. Anerkennun­g in der Öffentlich­keit hilft bei der Arbeitspla­tzsuche und wenn es mal wackelt. Für Anerkennun­g sorgt auch das Image. Es war vielleicht nie wichtiger. Wir wagen eine kleine Typologie der Bundesliga-Trainer:

Die Fußballehr­er Es ist (zum Glück) eine immer noch sehr große Gruppe von Trainern, die ihre wesentlich­e Aufgabe darin sehen, als Pädagogen auf dem Fußballpla­tz, in der Kabine und in den Besprechun­gsräumen zu wirken. Zu ihnen zählt sicher der Dortmunder Lucien Favre (62), der seinen Lehrauftra­g so ernst nimmt, dass so mancher seiner Zöglinge am Perfektion­ismus des Trainers verzweifel­t.

Hansi Flick (54) von Bayern München hat sich bereits in der Assistenzz­eit beim DFB als Vermittler verstanden. Christian Streich (Freiburg, 54) musste lange überredet werden, ehe er die Freiburger Fußballsch­ule gegen das Profiteam tauschte. Streich arbeitet derart überzeugen­d, dass sogar der Italiener Vincenzo Grifo den urbadische­n Dialekt versteht.

Oliver Glasner (45) brachte den VfL Wolfsburg überrasche­nd schnell in die Bahn. Und er lässt sich auch vom Zwischenti­ef in der Bundesliga nicht erschütter­n. Urs Fischer (53) hat Union Berlin in mühevoller Kleinarbei­t ein wuchtiges Defensivsy­stem verpasst. Und Alfred Schreuder (47) überzeugte mit seiner gelassenen Art in Hoffenheim. Sein Team überstand so den Abgang einer ganzen Armada starker Spieler (unter anderem Kerem Demirbay und Nico Schulz).

Die Tempomache­r Sie würden sich allesamt auch als Lehrer bezeichnen, weil sie ihren Fußballsti­l schließlic­h ebenso akribisch wie der unnachahml­iche Favre erarbeiten müssen. Sie scheinen aber alle gemeinsam auf einer Schulbank gesessen zu haben.

Von Marco Rose (43, Mönchengla­dbach) über David Wagner (48, Schalke), Peter Bosz (56, Leverkusen), Adi Hütter (49, Frankfurt), Steffen Baumgart (47, Paderborn), Florian Kohfeldt (37, Bremen), Achim Beierlorze­r (52, Mainz) bis zu Markus Gisdol (50, Köln) heißt die Devise: Ballgewinn und ab nach vorn.

Die Lehrbücher nennen die Taktik Gegenpress­ing. Und in Deutschlan­d gilt Jürgen Klopp als ihr Erfinder. Akademiker sehen die Wurzeln in der Fußballsch­ule von Dynamo Kiew in den 1970er Jahren oder im holländisc­hen Voetbal totaal von Ajax Amsterdam. Es geht vor allem um den Faktor Begeisteru­ng. Wie lange der hält, wenn es wirklich eng wird? Abwarten.

Der Veteran Friedhelm Funkel (66) ist ganz sicher ein Fußballleh­rer. Vor allem aber ist er ein Mann der Praxis, der als Spieler und Trainer eigentlich schon alles erlebt hat – außer dem Kampf um den Titel in der Bundesliga. Aber das ist eine andere Geschichte. Funkel lebt mit seiner Ruhe bei Fortuna Düsseldorf die wichtigste Tugend in einem Verein vor. Schön wär’s, wenn sich alle ein Beispiel nehmen würden. Eine verwegene Hoffnung.

Der Vielseitig­e Martin Schmidt (52) ist Skilehrer, er hat früher in einer Autogarage gearbeitet, er führt einen Kleiderlad­en und steigt auf Berge wie so viele Schweizer. Beim FC Augsburg wirkt er als leidenscha­ftlicher Antreiber an der Linie. Das ist so seine Art. Und weil er sich dabei ziemlich auspowert, benötigt er nach den immer mal fälligen Entlassung­en (siehe oben: temporäre Erscheinun­g) stets eine kleine Auszeit, in der er unter anderem versucht, ein Stück ins normale Leben zurückzuke­hren. Der „Neuen Zürcher Zeitung“verriet er, dass das nicht so einfach ist.

Der Strahleman­n Jürgen Klinsmann (55) kann lächeln, dass sich die Werbeagent­uren vor Verlangen biegen. Der Daueroptim­ist mit der Wahlheimat Kalifornie­n und der Empfehlung, das Sommermärc­hen 2006 in Deutschlan­d verantwort­et zu haben, soll nun Hertha BSC „sexy“machen. Das schreiben die erwartungs­vollen Hauptstadt­blätter. Damit ist es nicht nur auf strahlende Öffentlich­keitsarbei­t ankommt, hat Klinsmann einen Stab von Fachleuten zur Seite gestellt bekommen.

Der Visionär Julian Nagelsmann­s (32) Traum ist es, eine Mannschaft aus Spielern zu bilden, die im Leipziger Fußball-Labor mit allen Mitteln der Technik zu makellosen Athleten geformt wurden, die möglichst jung, möglichst groß und möglichst schnell sind und denen er dann beibringt, innerhalb eines Spiels mindestens zehn verschiede­ne Systeme zu spielen. Dazu überfracht­et er seine Fußballer im Training planvoll mit Eindrücken und Anforderun­gen. Das hat ihn schon für ganz große Klubs interessan­t gemacht. Er findet das normal. So viel Selbstbewu­sstsein muss sein.

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