Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„In meiner eigenen Wohnung darf der Weihnachts­baum auch krumm und schief sein“

Rainer Kern sorgt dafür, dass andere in diesen Tagen den perfekten Weihnachts­baum finden. Seine eigenen Ansprüche sind eher gering.

- VON LEA HENSEN

WERMELSKIR­CHEN Es ist still in Grünenbäum­chen. Links geht der Blick auf die Große Dhünn-Talsperre, zur Rechten ist das vernebelte Eifgental zu sehen. Ein Auto fährt auf den Parkplatz, ein Mann und eine Frau steigen aus. Die Gummistief­el der beiden knirschen im Kies. Es scheint, als haben sie sich für ein Abenteuer gerüstet: Wetterfest­e Jacke, Handschuhe, die Mütze sitzt tief im Gesicht. In der Rechten trägt der Mann eine Säge. Die beiden stapfen einen Feldweg entlang und verschwind­en in einem Meer aus Grün.

Manche bleiben dann zwei bis drei Stunden in den Tannen, sagt Rainer Kern, andere entscheide­n sich schon nach zehn Minuten für einen Baum. Der groß gewachsene Mann zieht eine Arbeitshos­e über seine Jeans, man kann ihm ansehen, dass er viel Zeit im Freien verbringt: Seit 30 Jahren arbeitet er mit Weihnachts­bäumen.

Spätestens bis 17 Uhr müssen sich die Besucher entscheide­n, dann nämlich schließt die Schonung von „Weihnachts­baum Klein“. In Dabringhau­sen haben die Besucher eine Auswahl auf einer Fläche von etwa 13 Hektar. Jeder Baum wird zu einem Preis von 19,90 Euro verkauft. „Wer da nichts findet, ist selber schuld“, sagt Kern und lacht.

„Weihnachts­baum Klein“gibt es seit mehr als 40 Jahren. Der Inhaber August Klein hat den Betrieb im vergangene­n Jahr verpachtet. Sein Nachfolger ist der Garten- und Tiefbauunt­ernehmer Boris Flosbach.

Zusammen mit zwei anderen Standorten in Hückeswage­n und Wipperfürt­h hat der Betrieb grob geschätzt 160.000 Tannen auf 20 Hektar-Fläche.

Der 54-jährige Kern ist eigentlich gelernter Landwirt und hat sich in seiner Meisterprü­fung auf Weihnachts­bäume und Schmuckrei­sig spezialisi­ert. Viele Besucher kommen in die Schonung, um ihren Weihnachts­baum selbst zu schlagen. Kern berät sie und hilft ihnen dabei. Gerade wenn Schnee fällt, die Baumkronen ganz weiß bedeckt sind, sei das ein Erlebnis für die ganze Familie. Nach dem Spaziergan­g wärmen sich die Besucher am Lagerfeuer, es gibt einen Getränkest­and mit Glühwein und Kinderpuns­ch.

Dass die Kunden den Baum selbst fällen, hat einen besonderen Vorteil, sagt Kern: „Sie überzeugen sich davon, dass er frisch ist.“Die Eheleute Arntz haben sich für eine Blaufichte entschiede­n. Damit sie den Baum besser transporti­eren können, wird er verpackt. Kern schiebt die Tanne mit der Spitze voran in einen großen Trichter. Das, was an der anderen Seite heraus kommt, ist in engmaschig­es Netz geschnürt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Arntz’ einen Baum bei ihm kaufen. „Der Baum hält länger, ich lasse ihn bis zum 10. Januar stehen“, sagt Doris Arntz.

Bevor die Kunden einen Weihnachts­baum wählen, kommen sie an der Grundsatze­ntscheidun­g zwischen Blaufichte und Nordmannta­nne nicht vorbei. „Blaufichte­n riechen besonders gut“, sagt der Weihnachts­baum-Verkäufer. „Aber sie verlieren eben auch schneller ihre Nadeln.“Beide Bäume sollten ungefähr zwei bis drei Liter Wasser am Tag bekommen, rät er. „Dann bleibt so ein Baum theoretisc­h drei bis vier Wochen schön.“

Kerns Arbeit ist ein Ganzjahres­job: In jedem Baum steckt jahrelange Pflege, nur so bekommt er eine

Rainer Kern Weihnachts­baum-Verkäufer schöne Form und kann als Weihnachts­baum verkauft werden. Eine Nordmannta­nne muss acht bis zehn Jahre wachsen, bis sie eine Höhe von zwei Metern erreicht. Blaufichte­n sind im Schnitt jünger, wenn sie verkauft werden, nach sechs bis acht Jahren sind sie zwei Meter groß. Eingepflan­zt werden die Setzlinge aus der Baumschule mit drei Jahren, anschließe­nd werden sie immer wieder neu beschnitte­n und gegen Ungeziefer geschützt. „Weil die Sommer durch den Klimawande­l trockener werden, verschiebt sich die Einpflanzu­ng immer weiter in den Herbst“, erklärt Kern.

Mit den Jahren hat der Weihnachts­baum-Verkäufer beobachtet, wie sich der Geschmack der Kunden wandelt. „Früher wollten sie zimmerhohe Bäume, etwa 2,50 Meter groß“, sagt er. Heute soll der Baum schlanker sein und eine Größe von im Schnitt 1,80 bis 2,20 Metern haben. Auch habe es früher mehr Leute gegeben, die ihren Weihnachts­baum erst an Heiligaben­d kaufen. „Solche Last-Minute-Käufe gibt es heute weniger“, sagt er.

Wobei er selbst zum Last-Minute-Baum neigt. Seine Ansprüche an den eigenen Weihnachts­baum hält Rainer Kern eher gering. Gerade, weil er weiß, wie viel Arbeit und Pflege ein Baum benötigt, ist jeder für ihn einzigarti­g. „In meiner eigenen Wohnung darf der Weihnachts­baum auch krumm und schief sein“, sagt er. „Weihnachts­bäume mit dreifacher Spitze habe ich auch schon gehabt.“

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FOTO (3): LEA HENSEN Die Weihnachts­baum-Schonung in Dabringhau­sen mit Blick auf das Eifgental
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So wird der Weihnachts­baum in ein Netz gepackt, damit er besser transporti­ert werden kann.
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Rainer Kern arbeitet seit 30 Jahren mit Weihnachts­bäumen.

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