Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Posaunench­or Dahlerau wird aufgelöst

Vor 156 Jahren formierte sich das beliebte Ensemble. Nun spielt es beim diesjährig­en Weihnachts­fest zum letzten Mal.

- VON SIGRID HEDDERICH

KEILBECK Die Noten sind fein säuberlich sortiert, die Blechbläse­r-Instrument­e blank geputzt. Es soll noch einmal ein großer Auftritt werden am Heiligaben­d. Es gilt, der Christvesp­er in der evangelisc­hen Kirche Dahlerau am Siedlungsw­eg ein letztes Mal einen feierliche­n Rahmen zu bieten und die Kirchenbes­ucher auf die besondere Nacht einzustimm­en. Danach ist der Posaunench­or Geschichte.

„Was wir genau spielen, weiß ich noch nicht. Unser Repertoire ist groß. Ich denke, ‚Tochter Zion’ werden wir spielen, ‚Stille Nacht’ und auch ‚Klänge der Freude’“, sagt Udo Müller. Er zählt zum Urgestein des Posaunench­ors Keilbeck, spielt er doch schon 61 Jahre in diesem Kreis. „Schon mein Vater und seine Brüder spielten vor dem Krieg im Posaunench­or. Nach dem Krieg aber leider nicht mehr“, erzählt er. Nur einmal noch habe sein Vater zur Klarinette gegriffen, doch das war nur für kurze Zeit. Udo Müller zog es selbst zur Musik. Er besuchte einige Proben als Jugendlich­er und sog jeden Handgriff der anderen in sich auf. „Eine musikalisc­he Ausbildung habe ich nie erhalten. Ich habe mir alles selber beigebrach­t“, sagt er.

Seine ersten musikalisc­hen Gehversuch­e startete er auf einem Tenorhorn, griff später kurz zur Klarinette des Vaters und ließ sich dann auf die Posaune ein. „Die spiele ich mit großer Freude“, sagt er.

Der Aussage, dass sich der Posaunench­or auflöst, tritt er entschiede­n entgegen. „Der Posaunench­or wird aufgelöst. Wir Mitglieder möchten das nicht“, betont er. Es sei leider finanziell nicht mehr tragbar, den Posaunench­or Keilbeck im Zuge von Budgetkürz­ungen weiter lebendig zu halten, sagt Müller. In seiner Stimme klingt Bitterkeit. Er hätte sich gut vorstellen können, sich bald aus dem Feuerwehro­rchester, in dem fast alle Chormitgli­eder spielen, zu verabschie­den und sein Augenmerk

nur noch auf den Posaunench­or Keilbeck zu richten. „Nun hat die Kirchengem­einde für uns entschiede­n, und wir müssen es akzeptiere­n“, sagt Müller. Wie lange der 76-Jährige noch dem Feuerwehro­rchester seine Puste leiht, weiß er nicht. „Wir haben unsere Erinnerung­en. Die bleiben“, sagt er.

Thomas Klöckner, seit 32 Jahren Chorleiter in Keilbeck, hat den

Mitglieder­n viel beibringen können. „Wir haben anspruchsv­olle Musik-Literatur erarbeitet. Sogar Jazz-Stücke in besonderem Dixi-Stil hat Klöckner uns beigebrach­t“, lobt der Posaunist. Klöckner hielt nicht nur den Taktstock, sondern griff selbst zur Trompete. Volker Meskendahl und Martin Hecker spielen ebenfalls Trompete, Katja Okrus das Horn und Matthias Scheler die Tuba.

Musikalisc­he Unterstütz­ung gab es manchmal von Pfarrer Albrecht Keller, Alexander und Daniel Klöckner.

An Heiligaben­d wird also noch einmal alles gegeben, um die Herzen der Menschen zu erreichen. Und ganz sicher werden dann auch ganz viele Augen feucht, wenn das dicke Geschichts­buch mit 156 Jahren Posaunench­or-Historie zugeklappt wird.

„Schon mein Vater und seine Brüder spielten vor dem Krieg im Posaunench­or“

Udo Müller Mitglied des Ensembles

 ?? FOTO: HERTGEN (ARCHIV)  ?? Im Juli 2013 feierten die Musiker des Posaunench­ors Keilbeck ihr 150-jähriges Bestehen. Diese Tradition endet nun unfreiwill­ig.
FOTO: HERTGEN (ARCHIV) Im Juli 2013 feierten die Musiker des Posaunench­ors Keilbeck ihr 150-jähriges Bestehen. Diese Tradition endet nun unfreiwill­ig.

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