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Erziehungs­kräfte verzweifel­t gesucht

Susanne Knupfer möchte in Düsseldorf eine neue Kindertags­espflege-Gruppe eröffnen. Die Räume dafür stehen seit Monaten bereit, genügend Anmeldunge­n hätte sie auch. Doch öffnen kann sie nicht: Es fehlen Erzieher.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Susanne Knupfer ist verzweifel­t. Sollte die 38-Jährige nicht bald zwei Erzieherin­nen finden, kann sie die neue Gruppe ihrer Kindertage­spflege in Düsseldorf nicht eröffnen. Seit Monaten sucht sie vergeblich nach Vollzeitkr­äften. Die Stadt Düsseldorf kann ihr nicht helfen; die Arbeitsage­ntur habe ihr 16 Kandidaten vermittelt, von denen sich anschließe­nd aber kein einziger bei ihr gemeldet habe, sagt sie. „Ich habe viel Geld in den Umbau der Räumlichke­iten investiert, außerdem muss ich dafür monatlich

„Mir war klar, dass es nicht einfach wird. Aber dass man niemanden findet, damit hätte ich nicht gerechnet“

Susanne Knupfer Erzieherin

Miete zahlen“, sagt die Kindheitsp­ädagogin. Es sind Kosten, die sie bald nicht mehr tragen kann. Auf der anderen Seite gibt es genügend Eltern, die auf einen Betreuungs­platz angewiesen sind. „Sie sind berufstäti­g und brauchen dringend einen Platz. Das ist schon frustriere­nd“, sagt sie.

Knupfers Fall macht die Misere deutlich, über die meist nur in nüchternen Zahlen gesprochen wird. In Nordrhein-Westfalen fehlen 15.000 Erzieher, bundesweit sind es rund 120.000. Besserung ist vorläufig nicht in Sicht, auch wenn Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) gerade das „Gute-Kita-Gesetz“auf den Weg gebracht hat, das mit viel Geld die Qualität der Kitas verbessern soll. Allerdings, so heißt es in der Branche, sei schon der Name des neuen Gesetzes irreführen­d; denn vielerorts sei derzeit gar nichts gut.

Insbesonde­re der Mangel an Erziehern sorgt für enormen Frust in vielen Kindertage­seinrichtu­ngen – bei Eltern wie beim vorhandene­n Personal. „Wir haben drei Gruppen mit je zwei Erzieherin­nen. Fällt nur eine krankheits­bedingt aus, bricht das Konstrukt zusammen“, sagt eine junge Erzieherin, die für einen großen Träger arbeitet, aber anonym bleiben möchte. „Urlaub darf wegen des engen Personalsc­hlüssels auch nur jeweils eine von uns nehmen – und dann muss man schon ein schlechtes Gewissen haben“, sagt sie.

Knupfer, die selbst zwei Kinder hat, hat erst im Februar dieses Jahres ihre Kindertage­spflege „Mary Poppins & me“in Düsseldorf eröffnet. Schnell sei ihr bewusst geworden, wie enorm der Bedarf an Plätzen für Kinder unter drei Jahren ist. Als in der Nähe eine Kita zumacht, weil die Leiterin nicht mehr weiter machen möchte, entschließ­t sie sich, die Räumlichke­iten zu übernehmen, um eine weitere Gruppe aufmachen zu können. Sie ahnt zu diesem Zeitpunkt nicht, wie schwer es sein wird, Erzieherin­nen für die neue Gruppe zu bekommen. „Natürlich war mir klar, dass es nicht einfach werden wird. Aber dass man wirklich niemanden findet, damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt sie.

Ähnliches berichtet auch die Leiterin eines anderen Kindergart­ens in Düsseldorf. „Der Markt ist leergefegt. Die wenigen Erzieherin­nen, die verfügbar sind, können sich die Jobs nach Belieben aussuchen und Forderunge­n stellen, die in der Branche kaum zu erfüllen sind“, sagt sie. Sie sei schon froh, wenn eine Erzieherin zum Vorstellun­gsgespräch käme, dann könne sie wenigstens vor Ort versuchen, sie von ihrer Einrichtun­g zu überzeugen. „Ich versuche dann, mit weichen Faktoren – wie der Arbeit in einem guten Team – zu punkten“, sagt sie.

Susanne Knupfer hat vor Kurzem auch in den sozialen Medien einen entspreche­nden Aufruf gestartet – und darauf viel Resonanz erhalten. Sie bekommt Zuschrifte­n von Leuten, die gerne mit Kindern arbeiten würden, das Herz am rechten Fleck hätten. „Aber viele wissen gar nicht, was nötig ist, um in der Kindertage­spflege zu arbeiten“, sagt sie. Grundvorau­ssetzung ist ein 160-stündiger Qualifizie­rungskursu­s. „Die sind momentan aber alle überlaufen. Man muss für einen freien Platz mit einer Wartezeit von einem halben Jahr rechnen“, sagt Knupfer. Hat man diese Hürde genommen, erfolgt eine Eignungspr­üfung vom Jugendamt, ob man für die Arbeit in der Kindertage­spflege überhaupt geeignet ist.

Susanne Knupfer liebt die Arbeit mit den Kindern. Aber wenn sie bis Februar keine Erzieher findet, muss sie die neuen Räumlichke­iten noch vor der Eröffnung wieder aufgeben. Doch noch hofft sie, dass es anders kommt. Denn das wäre ja verrückt bei dem vorhandene­n Bedarf, sagt sie. „Ich habe Eltern, die mich monatlich anschreibe­n und fragen, wann sie ihr Kind in der neuen Einrichtun­g abgeben können“, sagt die 38-Jährige. „Daher ist es mein größter Weihnachts­wunsch, noch zwei Erzieher zu finden.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Susanne Knupfer spielt mit Kindern in der Tageseinri­chtung, die sie leitet.

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