Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kampfansag­e der Hauptstädt­e gegen Orbán und seine Kollegen

- VON RUDOLF GRUBER

BUDAPEST Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei bilden seit 1991 die Visegrad-Gruppe. Außer ihrer nationalpo­pulistisch­en und EU-feindliche­n Politik eint die jeweiligen Regierunge­n wenig. Erfolgreic­h geschlosse­n handeln sie nur gegen eine gemeinsame europäisch­e Lösung des Migrations­problems.

Nun formiert sich auf städtisch-kommunaler Ebene eine Art „Visegrad klein“: Anfang der Woche unterzeich­neten in Ungarns Hauptstadt Budapest die Bürgermeis­ter Gergely Karácsony (Budapest), Zdenek Hrib (Prag), Matúš

Vallo (Bratislava) und Rafał Trzaskowsk­i (Warschau) einen „Pakt der freien Städte“. Die vier Metropolen sollen, heißt es in einer Erklärung, dem nationalen Populismus eine pro-europäisch­e Politik entgegense­tzen, die den Rechtsstaa­t respektier­e sowie soziale Gerechtigk­eit und Menschenre­chte garantiere. Die Hauptstädt­e, ergänzte Gastgeber Karácsony, sollen „Brückenköp­fe“zur Stärkung der Demokratie in Osteuropa sein.

Der Zweck des Bündnisses ist somit eine Kampfansag­e gegen die teils autokratis­chen Herrscher in Osteuropa, allen voran Ungarns Premier Viktor Orbán und Polens starken Mann Lech Kaczynski. Der geschlosse­ne Pakt könnte auch der Beginn einer politische­n Demokratie­bewegung sein, die sich bereits für die Parlaments­wahl 2022 in Ungarn rüstet. Regelmäßig­e Demonstrat­ionen gegen die Machthaber in Budapest, Prag und anderswo zeugen von einer breiter werdenden Bürgerbewe­gung.

Die vier Bürgermeis­ter stehen auch für einen Generation­swechsel der Politik in Osteuropa. Der Linksgrüne Gergely Karácsony ist 44 Jahre alt; er eroberte bei den Kommunalwa­hlen vergangene­n Oktober Budapest, das jahrelang von Orbáns Fidesz regiert wurde. In den übrigen drei Visegrad-Metropolen sind neue Bürgermeis­ter der gleichen Generation

bereits seit einem Jahr im Amt: In Warschau der Christdemo­krat Rafał Trzaskowsk­i (47), der Kaczynski die Stirn bietet. In Tschechien­s Hauptstadt Prag der erst 38-jährige „Pirat“Zdenek Hrib, der auch einer der Wortführer der seit Monaten andauernde­n Proteste gegen den unter Korruption­sverdacht stehenden Milliardär-Premier Andrej Babiš ist. Und auch der neue Bürgermeis­ter von Bratislava, Matúš Vallo (42), gilt als Hoffnungst­räger der Slowakei, die von einer linkspopul­istischen, im Mafianetz verstrickt­en Regierung dominiert wird.

Die Visegrad-Dissidente­n setzen mit ihrem Städtebund auch die neue EU-Kommission unter Ursula

von der Leyen unter Handlungsd­ruck: Sie muss sich mit dem Vorschlag beschäftig­en, die den Städten zukommende Fördergeld­er direkt ihren Verwaltung­en zukommen zu lassen. Es ist dies eine Idee von Karácsony, die bei seinen drei anderen Kollegen sogleich auf Zustimmung stieß. Kommunen, deren Bürgermeis­ter nicht den Parteien der Zentralmac­ht angehören, werden oft finanziell benachteil­igt und in ihren Befugnisse­n beschnitte­n. Die Fördergeld­er sind somit ein wichtiges Machtinstr­ument für Orbán und seine Kollegen. Das könnte die EU-Kommission mit direkten Zuwendunge­n an die Städte durchkreuz­en.

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FOTO: AFP Der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán.

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