Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Das Brieftauben-Gen in der Familie
das weiß auch die Wissenschaft nicht so genau. Aber man kann es trainieren. Flitsch und sein Vater lassen schon die Jungtauben im Garten fliegen. „Die Brieftaube ist für mich ein Hochleistungssportler, der richtig ernährt werden muss“, sagt Thomas. Und er muss es wissen: Bei der Meisterschaft auf Bundesebene war die schnellste männliche Taube von ihm. Wenn alles stimmt, sagt Flitsch, könne eine Taube 90 Kilometer pro Stunde fliegen, mit Rückenwind sogar 120. Wenn alles stimmt.
Brieftaubenzüchter, die erfolgreich sein wollen, kontrollieren Nahrung, Körperwärme, Gewicht ihrer Athleten. Auch Flitsch ist ehrgeizig, das merkt man, es war auch nicht das erste Mal, dass er bei Wettkämpfen
gewinnt. Seine beste Taube hat er nach China verkauft. Den Weg zurück von dort wird sie wohl nicht finden, stattdessen wird sie für die Zucht genutzt. „Die Chinesen sind verrückt nach solchen Tauben“, sagt er, aber zur Beliebtheit von Tauben aus Belgien oder den Niederlanden sei das kein Vergleich.
Thomas Flitsch findet, der Vater könnte seine Tauben besser ernähren, und ein bisschen macht es ihm Spaß, ihn damit zu necken. Wilfried Flitsch lässt seinen Sohn reden. Seit 65 Jahren ist er Mitglied im Verband der Brieftaubenzüchter, schon sein eigener Vater hatte eine eigene Zucht. Er hat viele Preise gewonnen, aber er will sie nicht alle aufzählen: In den vergangenen Jahren hat sein Ehrgeiz etwas nachgelassen, sagt er. 55 Tauben hat er noch, Thomas besitzt 190.
Auf dem verwinkelten Dachboden muss man sich ducken, die Taubenschläge
dort hat Wilfried Flitsch selbst gebaut. Er ist Tischlermeister, und hat auch bei seinem Sohn viel gezimmert. „Du musst die Tauben hier trennen“, mahnt Thomas an. Seit Jahren hat sein Vater Probleme mit dem Knie, aber mehrmals täglich steigt er hoch, über eine Klappleiter, oft mit einem Eimer Wasser in der Hand. „Ich kenne Brieftaubenschläge, die sauberer sind, als so manche Küche, in der ich war“, pflegt er zu sagen. Jetzt packt er eine der Tauben, hält mit der Hand behutsam die Flügel umklammert, Brust und Kopf an den Bauch gepresst. Es ist seine Beste: 2015 sei sie von Passau geflogen, habe sich gegen 5500 andere Tauben durchgesetzt. Das mit der Leiter macht Flitsch nicht mehr lange, aber durch die Liebe zu den Vögeln hat er ein neues Projekt: Er baut an einer Treppe, die durch den Boden nach unten führt. Sie endet in Thomas’ Zimmer.