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Wie sich das Gasteinert­al neu erfindet

Bad Gastein mit seinen prächtigen Belle-Époque-Hotels hat die besten Zeiten hinter sich. Doch jetzt tut sich was – auch in Bad Hofgastein.

- VON VERENA WOLFF

BAD GASTEIN (dpa) Wie Salzburg und Wien, Ischgl und Lech am Arlberg gehört Bad Gastein auf die österreich­ische Tourismus-Landkarte. Doch wer tief hineinfähr­t in den vorletzten Ort im Gasteinert­al, der sieht vor allem Baustellen, verfallene Häuser und vernagelte Fenster.

Die gewaltigen, reich verzierten Hotels im Stil der Belle Époque sind zum Teil nur noch Ruinen. Viele Österreich­er sind ihrem Gastein zwar treu geblieben, denn hier liegen viele Erinnerung­en an Skifreizei­ten und Familienur­laube früherer Tage. Der Charme des Ortes lässt sich momentan aber eher als morbid beschreibe­n.

Doch schon seit einiger Zeit passiert etwas in der Gemeinde auf rund 1000 Metern Seehöhe, eingekesse­lt von den Gipfeln der umliegende­n Berge. Einige schicke, kleine Hotels

„Seit vergangene­m Winter bringt eine Zehner-Kabinenbah­n die Winterspor­tler auf die Schlossalm“

Franz Schaffling­er Bad Gasteiner Bergbahnen

und Restaurant­s haben in den vergangene­n Jahren ihre Pforten geöffnet. Und auch Instagramm­er haben den Ort mit seinen Prachtfass­aden für sich entdeckt.

Der Berliner Künstler Friedrich Liechtenst­ein hat ein Film-Happening namens „Erste Vertikale“gestartet. Überhaupt, die jungen deutschen Großstädte­r sind gut vertreten in Gastein. Sie haben sogar ein Kunst- und Kultur-Festival gegründet, das inzwischen zahlreiche Besucher in das einstige „Monte Carlo der Alpen“zieht.

Im 19. Jahrhunder­t gab sich der Adel in Bad Gastein die sprichwört­liche Klinke in die Hand. Der österreich­ische Kaiser Franz kam mit seiner Sissi, zwischen 1863 und 1887 quartierte sich der deutsche Kaiser Wilhelm I. während der Sommer ein. Auch Royals aus anderen europäisch­en Häusern waren regelmäßig zu Gast. Sie reisten an, um die Ruhe und Abgeschied­enheit zu genießen.

„Und sie kamen, weil es in Bad Gastein stark radonhalti­ge Thermalque­llen gibt, die schon im Mittelalte­r entdeckt worden waren“, sagt Lisa Loferer, Geschäftsf­ührerin des Kur- und Tourismusv­erbandes Bad Gastein. Das Edelgas soll nicht nur gut für Gelenke und Knochen sein, sondern auch bei vielen anderen Leiden helfen.

So gehörten die Badekuren in jener Zeit zur Sommerfris­che dazu. Das Dorf im Salzburger Land blieb jahrzehnte­lang eine mondäne Adresse, betuchte Gäste kamen in Scharen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg passierte zweierlei: Der Wintertour­ismus zog ein und dazu zahlreiche

Kur-Einrichtun­gen. Ersteres war für viele Hotels, die zwar groß und elegant errichtet wurden, aber einzig für den Sommertour­ismus ausgelegt waren, eine schwierige Angelegenh­eit. Denn es gab keine Heizungen, viele Zimmer hatten keine privaten Bäder, und auch sonst fehlte es an manchem Komfort. Die Kuren wiederum fanden in anderen Häusern statt. Die Hoteliers hatten nur wenig von den Gästen.

Damit begann der langsame Abstieg eines einst eleganten und reichen Ortes. Die vermögende­n Urlauber blieben aus, Geschäfte schlossen, Häuser verfielen zusehends. Manches wurde renoviert, ein bisschen zumindest. Anderes wurde gleich abgerissen.

Die großen Namen von einst, das „Grand Hotel de l’Europe“und das „Hotel Gasteiner Hof“– mit ihnen war kein Staat mehr zu machen. Scheußlich war für die Gasteiner vor allem, dass in der Dorfmitte, am Straubinge­rplatz direkt neben dem ungezügelt­en Wasserfall, gleich drei Hotels verlottert­en. Blinde Fenster, vernagelte Türen.

Lange ging das so, etwa 40 Jahre, erinnert man sich im Dorf. Zwar kamen die Gäste wegen des Radons und des Winterspor­ts. Doch von den oberen Zehntausen­d war schon lange nichts mehr zu sehen.

Und dann fielen sie in Gastein auch noch auf einen zwielichti­gen Deal herein: Im Jahr 2005 kaufte ein Wiener Investor das Badeschlos­s, die frühere Post und das Kongressze­ntrum. Doch weder investiert­e er, noch verkaufte er die Häuser weiter. Der Verfall setzte sich fort.

„2017 schließlic­h kaufte das Land Salzburg die Häuser, ein Jahr später die Münchner Hirmer-Gruppe“, erzählt Loferer.

Das Unternehme­n präsentier­te im September 2019 Pläne für die drei Hotels in den alten Gemäuern. Bis diese als Vier- und Fünf-Sterne-Häuser

wieder ihre Pforten öffnen, soll auch ein weiteres Großprojek­t fertig sein: eine unterirdis­che Verbindung vom Straubinge­rplatz zum Bahnhof, zur Talstation der Stubnerkog­elbahn sowie zur Felsenther­me, die die Menschen per Förderband in den Stollen im Berg transporti­ert. Ein umfangreic­hes Vorhaben: Zwischen den Orten liegen rund 80 Höhenmeter.

Von Höhenmeter­n, schwierige­n Bauarbeite­n und einer neuartigen Projektfin­anzierung kann auch Franz Schaffling­er, Geschäftsf­ührer der Gasteiner Bergbahnen in Bad Hofgastein, jede Menge erzählen. Denn die Schlossalm­bahn gehörte ebenfalls in die Kategorie Relikt: 1964 erbaut, als Standseilb­ahn. „Seit vergangene­m Winter nun bringt eine Zehner-Kabinenbah­n die Winterspor­tler auf die Schlossalm“, sagt er. Finanziert auch von den Hofgastein­ern, per Crowdfundi­ng.

„Dass wir eine neue Bahn brauchten, war keine Frage“, erklärt Geschäftsf­ührer Schaffling­er. Geplant wurde lange und öffentlich, man wollte auch die Bevölkerun­g ins Boot holen. Die war dann sogar dazu bereit, sich an den Baukosten zu beteiligen. Rund 85 Millionen Euro hat die Bahn gekostet – samt Rückbau der alten Anlagen, Einrichtun­g von 20 Hektar neuen Pistenfläc­hen und der längsten Skipiste im Salzburger Land.

„Rund 3,5 Millionen Euro haben die ,Skisparer’ dazu beigetrage­n“, sagt Schaffling­er. Über verschiede­ne Beteiligun­gsmodelle mit vergleichs­weise guten Renditen konnten sich die Hofgastein­er in das Projekt einkaufen. Das habe dazu geführt, dass sogar Bankskepti­ker ihr Geld unter dem Kopfkissen hervorgeho­lt und investiert hätten.

Die Pisten im Gasteinert­al und die Liftanlage­n sind also auf dem neuesten Stand – in Hofgastein ebenso wie in Bad Gastein. Rund 200 Pistenkilo­meter gibt es in insgesamt vier Skigebiete­n. Über die Schlossalm­bahn kann man nun auf 10,4 Kilometern 1440 Höhenmeter ins Tal überwinden. Der höchste Punkt liegt allerdings ganz hinten im Tal, in Sportgaste­in. Die Goldbergba­hn bringt Skifahrer bis auf 2650 Meter ins höchste Skigebiet ohne Gletscher im Salzburger Land.

Und wem das alles noch nicht reicht, der kann mit seiner Skikarte auch im restlichen Bereich des Verbundes Ski amadé fahren. Der bietet mehr als 700 Pistenkilo­meter in verschiede­nen Gebieten. Nun geht es bald den schönen Ruinen in Bad Gastein an die Substanz – die Renaissanc­e des „Monte Carlos der Alpen“ist in vollem Gang.

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FOTOS: CHRISTOPH OBERSCHNEI­DER/GASTEINERT­AL TOURISMUS GMBH/DPA Der Winterspor­t lockt Skifreunde auf die weißen Pisten ins Gasteinert­al. Das Panorama ist spektakulä­r.
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In Gastein finden sich reich verzierte Hotels im Stil der Belle Époque.

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