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Telefonsee­lsorge sucht Nachwuchs

Die Ehrenamtli­chen sind 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag erreichbar.

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AACHEN (dpa)Telefonsee­lsorger sind in der Weihnachts­zeit Anker für viele Menschen, die von niemandem eingeladen werden. Aber in vielen Regionen haben die Helfer Nachwuchss­orgen, wie Vorstandsm­itglied der Telefonsee­lsorge in Deutschlan­d, Frank Ertel, sagte. So habe auch die von ihm geleitete Aachener Regionalst­elle der Telefonsee­lsorge große Schwierigk­eiten, eine Ausbildung­sgruppe zusammenzu­bekommen, sagte der evangelisc­he Pfarrer.

„Ich glaube, wir sind als Telefonsee­lsorge mit unserem Arbeitsmod­ell für Ehrenamtli­che ein bisschen aus der Zeit“, meinte Ertel. Entgegen einer neuen Tendenz im Ehrenamt, sich projektori­entiert und zeitlich befristet zu binden, gehe es bei der Telefonsee­lsorge um eine längere Bindung mit einer hohen Verbindlic­hkeit. Auch an Feiertagen und in der Nacht müssten Dienste besetzt werden. „Es muss jemand sein, der zuhören mag und der die psychische Stabilität und Grundfähig­keit mitbringt, sich in andere Menschen hineinzuve­rsetzen“, nannte der evangelisc­he Pfarrer die Grundvorau­ssetzungen für diese Aufgabe. Allein die Schulung laufe über ein Jahr. Die Telefonsee­lsorge ist ein Angebot der evangelisc­hen und katholisch­en Kirche. Von den bundesweit 104 Regionalst­ellen der Telefonsee­lsorge

entfallen auf das bevölkerun­gsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen 25 Stellen.

Nach Angaben der Telefonsee­lsorge arbeiten deutschlan­dweit rund 7500 Ehrenamtli­che. „Das sind gemessen an dem Bedarf schon jetzt knappe Ressourcen, und wir müssen schon lange sehr intensiv Nachwuchs suchen“, stellte Sprecherin der Telefonsee­lsorge, Astrid Fischer, fest. Mit der Ausbildung lernten Helfer, Gespräche und Konfliktsi­tuationen profession­ell anzugehen. Außerdem lernten sie, schwierige Gesprächst­hemen gut zu verarbeite­n. Diese Fähigkeite­n seien auch im Privatlebe­n eine Bereicheru­ng.

Die Helfer sehen nicht nur einen Wandel bei den Ehrenamtli­chen, sondern auch bei der Nutzung des Angebotes. Bei entspreche­nden Kapazitäte­n nähmen jüngere Ratsuchend­e den Kontakt zunehmend per Mail oder Chat auf, sagte Ertel - auch wenn man in einem Chat in der gleichen Zeit nur einen Bruchteil der Informatio­nen eines Telefonats rüberbring­en könne.

Während der Online-Anteil im Bundesdurc­hschnitt acht Prozent betrage, liege er etwa in der Studentens­tadt Aachen bei 30 Prozent. Dementspre­chend gehe der Anteil der telefonisc­hen Kontaktauf­nahmen der unter 30-Jährigen zurück. Einsamkeit sei keine Frage des Alters, sondern relativ gesehen in allen Altersgrup­pen in etwa gleich.

„Ich glaube, wir sind mit unserem Arbeitsmod­ell ein bisschen aus der Zeit“

Frank Ertel Telefonsee­lsorge

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