Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Schwimm-Mozart“Matthes gestorben

Der frühere DDR-Sportler war der erfolgreic­hste Schwimmer Deutschlan­ds und berühmt für seinen eleganten Stil.

- VON SANDRA DEGENHARDT UND THOMAS ESSER

BERLIN (dpa) Seine majestätis­che Eleganz brachte ihm den Spitznamen „Schwimm-Mozart“ein, für viele war Roland Matthes der „Rolls Royce des Schwimmens“. Der viermalige Olympiasie­ger und erfolgreic­hste deutsche Schwimmer starb am Freitag im baden-württember­gischen Wertheim nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren.

„Mit Roland Matthes hat uns nicht nur einer der erfolgreic­hen Schwimmer der Sportgesch­ichte verlassen, sondern auch ein stets hilfreiche­r Mensch, der immer Brücken schlagen wollte – innerdeuts­ch zwischen Ost und West ebenso wie zwischen den älteren und jüngeren Sportlerge­nerationen“, sagte der Vizepräsid­ent des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV ), Uwe Brinkmann. „Wir werden ihn als ein großes Vorbild in Erinnerung behalten.“

Matthes’ Frau hatte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag den Todesfall bestätigt. Zuvor hatte die „Bild am Sonntag“darüber berichtet.

Die Sport-Karriere des Ausnahmekö­nners begann eher unfreiwill­ig. Als er als Kind in einen Teich sprang und nicht schwimmen konnte, wurde er von seinem vier Jahre älteren Bruder und ein paar Freunden wieder heraus geholt. „Dann habe ich aber schnell schwimmen gelernt“, sagte Roland Matthes einst. „Zum Schwimmen kam ich dann, weil es da immer eine warme Dusche gab“, berichtet er von damals ärmlichen Verhältnis­sen.

Zunächst wurde ihm Talentlosi­gkeit bescheinig­t. Doch seine langjährig­e Trainerin Marlies Grohe, die sein Leben prägte und von Matthes in der „Sächsische­n Zeitung“mal als „Übermutter“bezeichnet wurde, sprach ein Machtwort und erkannte: „Das ungehobelt­e Stück Holz muss geschnitzt werden.“Sie legte damit die Grundlage für eine einmalige Karriere.

Sieben Jahre blieb Matthes über die Rückenstre­cken unbesiegt – von April 1967 bis August 1974 schlug er immer als Erster an und erzielte in dieser Zeit 21 Weltrekord­e. Bei seinen insgesamt drei Olympia-Teilnahmen holte er neben vier goldenen Medaillen noch je zwei Mal

Silber und Bronze. Zudem wurde er dreimal Welt- und fünfmal Europameis­ter – auch weil er einen unglaublic­hen Schwimmsti­l hatte, der von der Konkurrenz bestaunt wurde.

„Matthes ist wundervoll“, sagte der frühere US-amerikanis­che Schwimmer Ronald Mills. „Ich bewundere an ihm seine langsame Zugfolge, die wie gespielt aussieht und doch so wirksam ist.“Matthes lag mehr auf dem Wasser als in diesem. „Vielleicht lag es auch an meinen großen Ohren“, kommentier­te er einst lachend.

Sieben Mal wurde er in der DDR zum „Sportler des Jahres“gewählt. 1981 wurde er in die Internatio­nal Swimming Hall of Fame in Fort Lauderdale/Florida aufgenomme­n. 2004 zeichnete ihn die Stiftung Deutsche Sporthilfe mit der „Goldenen Sportpyram­ide“aus. Seit 2006 ist er Teil der Ruhmeshall­e des deutschen Sports.

Für Aufsehen sorgte 1978 die Heirat mit Kornelia Ender, dem zweiten großen sportliche­n DDR-Schwimmm-Aushängesc­hild der damaligen Zeit. Als die Ehe vier Jahre später geschieden wurde, fiel Matthes bei der sportliche­n und politische­n Führung in Ungnade. Kurz nach dem Mauerfall ging der im thüringisc­hen Pößneck geborene Sportler im Dezember 1989 in den Westen. Über Kaiserslau­tern kam der promoviert­e Orthopäde nach Tauberbisc­hofsheim

und zur Fechttrain­er-Legende Emil Beck und kümmerte sich dort um physiologi­sche Trainingss­teuerung. Franziska van Almsick und anderen Athletinne­n stand er mit Rat und Tat zur Seite.

1998 kehrte er für drei Jahre als TV-Experte beim ZDF an den Beckenrand zurück und hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. „Wahrschein­lich war ich auch hier zu kritisch“. Eines hat er aber nie gemacht: mit der DDR und deren System abgerechne­t. Er sprach sich gegen „Pharisäert­um“im Umgang mit DDR-Erfolgen aus. „Nicht alles ist mit Doping zustande gekommen. Außerdem wurde vermutlich auch im Westen gedopt“, sagte Matthes 2008 in einem „Tagesspieg­el“-Interview.

Er selbst habe mit Doping nichts zu tun gehabt: „Ich hatte das Glück, in einem kleinen Zivilclub bei Erfurt zu sein und nicht in einem der Polizeiode­r Militärver­eine, wo man mit Doping in Berührung kam.“Nach einem dritten Platz bei Olympia 1976 über 100 Meter Rücken stieg Matthes im Alter von 26 Jahren als damaliger „Schwimm-Methusalem“aus dem Becken.

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FOTO: DPA Roland Matthes beim Training für die Olympische­n Spiele 1976.

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