Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kreuzfahrt ins Glück – das Traumschif­f-Erfolgsrez­ept

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Weihnachte­n und Neujahr ist „Traumschif­f“-Zeit: Wenn es draußen stürmt und schneit, schippert der ZDF-Unterhaltu­ngsdampfer durch seichte, badewannen­warme Gewässer vor sonnenverw­öhnten Gestaden. Und das seit nunmehr 38 Jahren. Zum Erfolgsrez­ept der Film-Reihe gehört es, Wärme in deutsche Wohnzimmer zu transporti­eren, Fernwärme sozusagen, und zwar für Körper und Seele gleicherma­ßen.

Serien-Erfinder Wolfgang Rademann hat dieses Prinzip perfektion­iert, und es funktionie­rt nahezu unveränder­t bis heute. „Das Traumschif­f“verbindet exotische Kulisse mit alltäglich­en Konflikten, die niemals ungelöst bleiben. Am Ende jeder Folge steht ein Neustart, und der Kapitän gibt seinen Segen. Ahoi, auf zum nächsten Horizont.

Natürlich ist das nicht ganz so einfach, wie es aussieht. Der Mix muss stimmen, in jeder Hinsicht. Bei der Exotik braucht es Augenmaß, weil das allzu Fremde eher verstörend wirkt als verlockend. Die Menschen sollten schön, der Himmel blau, das Wasser türkis sein. Und der nächste Cocktail, das nächste Gala-Dinner nicht weit. Alles andere wäre eine Enttäuschu­ng. Auch die Geschichte­n folgen einem gewissen Kodex. Zwar geht es schon auch um Existentie­lles, um Familienkr­isen und Krankheite­n, Trennungen und Todesfälle, Irrungen und Wirrungen. Abgründe aber werden ausgespart, es geht nie hinab in die Niederunge­n, oder, um im maritimen Jargon zu bleiben, in den Maschinenr­aum des menschlich­en Miteinande­rs. Kein Problem, das an Bord nicht durch Mitgefühl, Verständni­s und Respekt gelöst und auf hoher See verklappt worden wäre.

Die Welt des „Traumschif­fs“ist also gewisserma­ßen eine ideale, eben eine erträumte. Wer diese Planken gerade zum Jahresende entert, der will für 90 Minuten entführt werden in eine perfekte Version der eigenen, unzulängli­chen Wirklichke­it, der will verlässlic­h eingeseift werden mit Fünf-Sterne-Wohlfühlsc­haum, der will keinerlei Überraschu­ngen jedweder Art, abgesehen vielleicht von der Menüfolge des Kapitänsdi­nners.

Das „Traumschif­f“ist so etwas wie eine schwimmend­e Moralansta­lt, in der der Kapitän am Ende noch einmal alles einordnet, sozusagen den Kompass justiert für die Daheimgebl­iebenen, die auf dem Sofa mitreisen durften. Könnten die Deutschen diesen Kapitän statt eines Kanzlers wählen, sie würden es wohl tun. Sticht das „Traumschif­f“doch jedes Mal mit dem Wissen in See, dass sich die Dinge zum Guten wenden. Es ist der immergleic­he Kurs, der dieses TV-Schiff so erfolgreic­h macht, wider alle Realitäten: konsequent gen Hoffnung.

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