Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Gefangenen besuchen
Wer Mina Pflüger trifft, hat sie nie für sich allein. Eines ihrer beiden Telefone klingelt immer. Es kommt oft vor, dass am anderen Ende der Leitung Menschen sind, die sie nicht kennt. „Es ist mir ein Rätsel, wie diese Leute alle an meine Nummer kommen“, sagt sie. Oft sind es Mütter aus Italien, die wissen wollen, wo ihr Sohn abgeblieben ist. Mina Pflüger hört dann nach und muss ihnen manchmal sagen, dass der Sohn in irgendeinem Gefängnis in NRW ist.
Pflüger, selbst gebürtige Italienerin, kümmert sich seit 30 Jahren ehrenamtlich um Häftlinge, vor allem solche, die aus Italien stammen. Früher hatte sie Gruppen in mehreren Gefängnissen, inzwischen arbeitet sie vor allem in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf. „Zwischen kriminell und kriminell liegen Welten“, sagt die 70-Jährige. „Man muss immer die Geschichte hinter einer Tat kennen, um sich ein Urteil bilden zu können.“Von ihren Jungs im Knast will sie alles wissen. „Und wenn mir einer nicht die Wahrheit sagt, gibt es Ärger.“
Mina Pflügers Mann ist vor zehn Jahren gestorben, sie hat vier Kinder und zehn Enkel, lebt aber allein in ihrem Häuschen im Kölner Norden. Sie hat schon immer ehrenamtlich gearbeitet, sagt sie. „Das ist so drin. Ich habe schon als Kind auf dem Friedhof Blumen auf Gräber gestellt, wo keine waren.“Gefangene hätten keine Lobby, sagt sie, niemand spende für Sträflinge. Sie lässt die Väter oder Mütter der Häftlinge
bei sich übernachten, wenn sie aus Italien anreisen, um den Sohn eine Stunde lang zu sehen. Sie vermittelt zwischen zerstrittenen Familien, spricht mit den JVA-Beamten, wenn es Probleme gibt, und macht Behördengänge.
Mina Pflüger ist hartnäckig. „Das Schönste ist für mich, wenn ich etwas für meine Jungs erreicht habe“, sagt sie. „Und ich erreiche es eigentlich immer.“Claudia Hauser