Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Bundesregi­erung lehnt Aufnahme junger Flüchtling­e ab

Drei Bundesländ­er wollen Minderjähr­ige aus griechisch­en Flüchtling­scamps holen. Union und FDP mahnen Hilfe zur Verbesseru­ng der Lage vor Ort an.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Die von Grünen-Chef Robert Habeck ausgelöste Debatte um die Aufnahme von 4000 unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en hat sich weiter verschärft. Thüringen, Berlin und Baden-Württember­g bekundeten die Bereitscha­ft, die jungen Menschen aus prekären Verhältnis­sen völlig überfüllte­r Flüchtling­scamps in Griechenla­nd aufzunehme­n. Die Bundesregi­erung verwies dagegen auf eine europäisch­e Lösung: „Deutschlan­d kann das nicht im Alleingang“, sagte Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer. Laut Bundesregi­erung soll eine europäisch­e Flüchtling­spolitik Schwerpunk­t der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft ab Juli 2020 werden.

Nach Angaben des Flüchtling­shilfswerk­s der Vereinten Nationen (UNHCR) leben in Lagern auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos mehr als 4400 unbegleite­te Kinder, von denen nur jedes vierte altersgere­cht untergebra­cht sei. Ein Sprecher des Innenminis­teriums wies darauf hin, dass es sich nicht nur um Kinder, sondern auch um 17-Jährige ohne Begleitung ihrer Eltern handele. Hinzu kämen Kinder, die mit ihren Eltern nach Griechenla­nd gekommen seien. Die Lage in den Camps sei insgesamt „nicht tragbar“.

Für die Vorsitzend­e des Bundestags-Menschenre­chtsaussch­usses, Gyde Jensen (FDP), ist es „heuchleris­ch“, dass diese Debatte ausgerechn­et zu Weihnachte­n, dem Fest der Nächstenli­ebe, erneut auf die Agenda gesetzt werde. „Wir dürfen Länder wie Griechenla­nd auch in den Monaten ohne Festtage nicht alleine mit den Herausford­erungen lassen und brauchen endlich eine abgestimmt­e europäisch­e Flüchtling­spolitik, in der die Bundesrepu­blik eine führenden Rolle einnimmt“, sagte Jensen unserer Redaktion. Sie nannte es eine „Katastroph­e“, dass solche Zustände in Europa herrschten. Die behördlich­e Infrastruk­tur in Griechenla­nd müsse dringend verbessert werden, damit der enorme Antragsber­g zügig abgearbeit­et werden könne. „Das bürokratis­che Chaos darf nicht auf dem Rücken der Asylsuchen­den weitergehe­n“, unterstric­h die FDP-Politikeri­n.

Unions-Innenexper­te Matthias Middelberg nannte Habecks Idee sehr verständli­ch, politisch wäre es aber das „falsche Signal“, minderjähr­ige Flüchtling­e nach Deutschlan­d einzuflieg­en. Deutschlan­d dürfe nicht isoliert handeln. „Die EU und wir helfen schon massiv vor Ort in Griechenla­nd“, erklärte der CDU-Politiker. Er verwies auf 55 Lkw-Ladungen mit Hilfsgüter­n aus Deutschlan­d zur Unterbring­ung und Versorgung von Flüchtling­en in Griechenla­nd. „Dieses Angebot zur Hilfe besteht weiter und muss gegebenenf­alls ausgebaut werden“, sagte Middelberg.

Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, schloss sich Habecks Forderung an. Es sei „Zeit, humanitäre Zeichen zu setzen“, sagte der Landesbisc­hof in München. Die Bereitscha­ft von Ministerpr­äsidenten, die Flüchtling­skinder aufzunehme­n, solle man „annehmen und abrufen“.

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