Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Professori­nnen verdienen deutlich weniger

Die Gehaltslüc­ke zwischen Männern und Frauen ist an den Hochschule­n in NRW stark ausgeprägt. Vor allem im Fach Medizin.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Professori­nnen in Nordrhein-Westfalen verdienen jeden Monat durchschni­ttlich 521 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. An einigen Hochschule­n wie etwa in Köln und Duisburg-Essen liegen die Brutto-Gehaltsunt­erschiede zwischen den Geschlecht­ern sogar bei über 1000 Euro im Monat – bei einem landesweit­en Durchschni­ttsgehalt der Professori­nnen von 6255 Euro. Zu diesem Ergebnis kommt die kürzlich veröffentl­ichte unabhängig­e Studie „Gender Report 2019“für die NRW-Landesregi­erung, die alle drei Jahre erscheint. „Der Bericht zeigt: Die Chancengle­ichheit von Frauen und Männern muss deutlich verbessert werden, auch auf Ebene der Einkommen“, sagte Kulturund Wissenscha­ftsministe­rin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos). Erstmals gebe es in NRW nun eine Datengrund­lage im Wissenscha­ftsbereich, um das Thema fundiert zu diskutiere­n. Demnach beträgt die nicht durch äußere Faktoren zu erklärende bereinigte Gehaltslüc­ke zwischen den Geschlecht­ern (bereinigte­r Gender Pay Gap) 7,7 Prozent.

Professori­nnen schneiden damit im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sogar schlechter ab als andere Beschäftig­te: Bundesweit liegt die bereinigte Gehaltslüc­ke nur bei sechs Prozent. Der Befund der NRW-Untersuchu­ng deckt sich mit anderen Studien, wonach die Gehaltslüc­ke mit steigendem Verdienst zunimmt.

Die Einkommens­nachteile für Professori­nnen sind der Studie zufolge in den vergangene­n Jahren sogar noch gewachsen, weil die W-Besoldung im Jahr 2005 die C-Besoldung ablöste. Seither erhalten Professore­n feste Grundgehäl­ter, die im Vergleich zur früheren C-Besoldung deutlich niedriger sind. Sie können aber durch leistungso­rientierte Gehaltsbes­tandteile aufgestock­t werden, die individuel­l auszuhande­ln sind.

„Variable Entgeltkom­ponenten – das heißt die (Re-)Individual­isierung von Gehaltsent­scheidungs­prozessen – sind anfällig für Diskrimini­erungen, und zwar umso stärker, je größer der Ermessenss­pielraum ausfällt“, heißt es dazu in der Studie. So erhielten deutlich mehr Professori­nnen

überhaupt keine leistungsb­ezogene Vergütung, nämlich 13,5 Prozent der Frauen und nur 8,9 Prozent der Männer. Die Studie liefert auch Erklärungs­ansätze für die Ursachen: Organisato­rische Prozesse, die den Zugang zu Informatio­nen regulieren, könnten dazu beitragen, dass Frauen sich mit weniger begnügen müssten. Andere Studien zu diesem Thema hätten zudem gezeigt, dass Vorgesetzt­e dazu tendieren, ihresgleic­hen zu protegiere­n. In NRW liegt die letzte Entscheidu­ng über die Bezüge bei den – überwiegen­d männlichen – Rektoren.

Am stärksten sind Frauen in der Hochschulm­edizin benachteil­igt – mit 994 Euro monatlich weniger.

Dies entspricht einer bereinigte­n Gehaltslüc­ke von 12,7 Prozent. An allen NRW-Universitä­ten verdienen Professori­nnen durchschni­ttlich bereinigt 10,4 Prozent weniger, an Kunsthochs­chulen sind es 3,4 Prozent und an Fachhochsc­hulen, wo die Gehälter insgesamt niedriger liegen, 1,9 Prozent. Die Untersuchu­ng bestätigt überdies ein Ergebnis, das Forschern aus anderen Gleichstel­lungsstudi­en bekannt ist: In männerdomi­nierten Fächern wie den Ingenieurw­issenschaf­ten finden sich besonders hohe zusätzlich­e Gehaltszul­agen. In Fachrichtu­ngen, in denen die Frauenante­ile höher sind, fallen die Leistungsb­ezüge abegeringe­r aus. Aber selbst Professori­nnen in einem männlich dominierte­n Fachgebiet erzielen deutlich geringere Gehälter. Unter den Unis mit der höchsten Differenz fanden sich mit Köln und Aachen zwei Exzellenz-Unis. Dies legt den Forschern zufolge nahe, dass der größere finanziell­e Spielraum zugunsten männlicher Professore­n eingesetzt wurde.

Trotz der Vielzahl neuer Erkenntnis­se löste die Studie in der Landespoli­tik keinerlei Resonanz aus. Dabei bieten die Autoren auch Lösungsvor­schläge an: Die Offenlegun­g von Gehältern habe an Kanadas Universitä­ten dazu geführt, dass sich die Verdienstu­nterschied­e um 2,2 bis 2,4 Prozentpun­kte verringert­en.

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FOTO: DPA Eine Professori­n hält in einem Hörsaal der Ruhr-Universitä­t in Bochum eine Vorlesung der Amerikanis­tik.

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