Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
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Brunettis letzter Fall: In „Stille Wasser“ermittelt Venedigs berühmtester Polizist letztmals im Fernsehen. Ein Nachruf.
WVENEDIG Die Nachricht traf uns wie ein heftiger Bugklatscher, wie eine plötzliche Preisanhebung der Gondolieri um 250 Prozent: Commissario Brunetti, Lieblingsermittler des mediterran gestimmten TV-Publikums, reicht seinen Abschied ein. Nicht ganz freiwilig: ARD, die Produktionsfirma UFA Fiction und Autorin Donna Leon hatten sich heimlich geeinigt, die Serie auslaufen zu lassen. Jetzt, am ersten Weihnachtstag, wird der geliebte Commissario ein letztes Mal im Dienst zu sehen sein. Die Folge heißt: „Stille Wasser“. Und seien wir ehrlich: Es wird ein wehmütiges Weihnachtsfest sein. Unvermeidlich wird dieser Text eine Art Nachruf.
Denn wie soll das gehen? Wer wird sich jetzt noch in einem eleganten Anzug per Polizeiboot zur Insel Giudecca übersetzen lassen, wo sie einen Politiker mit Arsen im Blut aus dem Kanal gezogen haben? Wer wird so unnachahmlich wie Uwe Kockisch am Teatro La Fenice vorbeischlendern und mal eben auf einen Espresso Lungo im Stehen bAei Umberto einkehren? Wer sonst könnte den Kriminaldienst mit solcher Skepsis, Verschlossenheit und mürrischer Weltsicht versehen wie Brunetti? Joachim Król gab der Rolle vor vielen, vielen Jahren schon eine sehr schöne Signatur, doch bei Kockisch kam sie seit 2003 zu sich selbst und emanzipierte sich gleichzeitig von der Romanfigur. Kockisch verkörperte alles – aufrechte Gesinnung und Hartnäckigkeit, aber auch eine gewisse Unbeholfenheit, wenn es in den sanfteren Dingen des Lebens um den richtigen Tonfall ging.
Allerdings durfte Kockisch so sein, denn ihn umgab ein Trio aus lauter Verbandelten, Verschworenen und Zugeneigten, die ihm entweder fast alles durchgehen ließen oder ihm beizeiten die Möglichkeit der Korrektur soufflierten.
An erster Stelle natürlich Paola, seine Ehefrau, die Julia Jäger mit der perfekten Mischung aus Charme, Liebreiz und Klugheit ausstattete, drei Eigenschaften, die Brunetti mitunter eklatant fehlten. Paola war sozusagen das bessere Ich des Commissario, zumal sie enge familiäre Kontakte zur venezianischen Hochgesellschaft besaß, eine Eignung, die ihr Gatte zugleich bewunderte und bedauerte.
An zweiter Stelle natürlich der Sergente Vianello, der in seiner stets etwas zu engen Polizeiuniform dem Auftreten des Commissario die dienstliche Beglaubigung verlieh. Karl Fischer, dieser wunderbare Schauspieler, neigte zum Schwitzen, wodurch sich dem Betrachter das transpiratorische Pflichtgefühl Vianellos eindringlich vermittelte. Vianello war zugleich bauernschlau und besaß einen gesunden Instinkt, der dem Commissario zuweilensehrhilfreichwar,weilBrunetti sich in wirre Gedanken zu verrennen pflegte, bevor er den Ausweg und die Lösung fand.
Und an dritter Stelle natürlich die unvergleichliche Signorina Elettra (Annett Renneberg), die in mythischen Zeiten die Idealbesetzung einer Seherin gewesen wäre. Elettra besaß zwei lebenswichtige Eigenschaften: Sie wusste, welche vertraulichen, nur durch IT-Recherche zu besorgenden Informationen Brunetti benötigte (manchmal sogar ohne dass er sie danach fragen musste). Ihr regelmäßiger SphinxSpruch war: „Ich weiß!“Sie wusste
aber auch, welche emotionale Temperatur im benachbarten Arbeitszimmer von Vice-Questore Patta herrschte. Dieser eitle Fant vermochte dem Commissario das Leben nach allen Regeln der Vorgesetztenkunst zu vermiesen; trotzdem besaß Patta einen festen Platz in unserem Herzen – weil Michael Degen ihn spielte, dieser feine, leise Gigant der Schauspielkunst.
Sie alle werden uns Weihnachten letztmals bescheren, der Fall selbst ist überschaubar. Brunetti muss ihn aus persönlichem Interesse lösen, und deshalb entlässt er sich aus dem Krankenhaus, in dem er nach Herzbeschwerden gelandet war. Es liegt also ein Hauch von Abschied auch über „Stille Wasser“. Abendlicher, melancholischer war keiner der „Donna Leon“-Filme.
Kockisch ist selbst schon 75, aber wie soll das gehen ohne seinen Brunetti, in dem Venedig ein Werbeplakat in Menschengestalt besaß? Wie sollen wir fortan den Canal Grande bewundern, den Markusdom, die Insel San Michele, ohne selbst hinreisen zu müssen? Ach, Commissario, wir werden Sie, den Fremdenführer wider Willen, sehr vermissen.