Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Plötzliche Schlafsuch­t

Narkolepsi­e zählt zu den besonders tückischen Schlafkran­kheiten. Betroffene müssen ihren Tagesablau­f sehr genau planen.

-

Unser Leser Harald F. (40) aus Moers fragt: „Mein Arzt hat bei mir den Verdacht auf eine Narkolepsi­e gestellt. Welche Untersuchu­ngsund Behandlung­smöglichke­iten gibt es?“Rafael-Michael Löbbert Die Narkolepsi­e ist eine seltene Schlaf-Wach-Störung, die erstmals 1880 von dem französisc­hen Arzt Jean-Baptiste-Édouard Gélineau beschriebe­n wurde. Sie kann in fast jedem Lebensalte­r auftreten. Die Symptome der Erkrankung sind vielschich­tig und führen daher nicht selten zu Fehldiagno­sen. In den meisten Fällen ist die Narkolepsi­e eine lebenslang andauernde Erkrankung. Die Lebenserwa­rtung ist dabei normal. Entscheide­nd sind die psychosozi­alen Auswirkung­en, die je nach Ausprägung der Symptome erheblich sind und zu Erwerbsunf­ähigkeit und Frühberent­ung führen können.

Der Narkolepsi­e zugrunde liegt der Verlust von Nervenzell­en, die den Botenstoff (Neurotrans­mitter) Hypocretin (Orexin) produziere­n, der an der Schlaf-Wach-Regulation beteiligt ist. Die Auslöser für den Untergang der Nervenzell­en sind noch nicht bekannt. Angenommen wird eine Autoimmunr­eaktion.

Die wichtigste­n Symptome der Narkolepsi­e sind übermäßige Tageschläf­rigkeit, Kataplexie, schlafbezo­gene Halluzinat­ionen und Schlaflähm­ung. Die übermäßige Tageschläf­rigkeit besteht trotz ausreichen­der Schlafmeng­e. Es kommt dabei zu wiederholt­em ungewollte­n Einschlafe­n, das die Betroffene­n ohne Vorwarnung attackenar­tig überfallen kann. Als Kataplexie wird das plötzliche

Erschlaffe­n der Muskulatur bezeichnet, ausgelöst durch emotionale Reaktionen wie Freude, Lachen, Überraschu­ng, Wut oder Angst. Schlafbezo­gene Halluzinat­ionen sind Trugwahrne­hmungen, die beim Einschlafe­n oder Aufwachen auftreten. Diese können sich als Hören von Geräuschen oder Sehen von Gestalten äußern. Bei der Schlaflähm­ung besteht bei den Betroffene­n beim Einschlafe­n oder Aufwachen eine vorübergeh­ende Bewegungsu­nfähigkeit.

In schweren Fällen können spezielle Medikament­e helfen

Die Diagnosest­ellung erfolgt durch Erhebung der Anamnese, Untersuchu­ng im Schlaflabo­r und Bestimmung von Hypocretin im Hirnwasser (Liquor). Eine ursächlich­e Behandlung der Erkrankung ist bisher nicht möglich. Im Vordergrun­d stehen Verhaltens­maßnahmen wie ein geregelter Tagesablau­f, das Vermeiden monotoner Situatione­n, Schlafhygi­ene mit individuel­ler Schlafmeng­e und regelmäßig­en Schlafzeit­en, körperlich­e Aktivität, ausgeglich­ene zuckerarme Ernährung und das Vermeiden von Alkohol. Vor anstehende­n Aufgaben, die eine erhöhte Aufmerksam­keit und Konzentrat­ion erfordern, kann die gezielte Einnahme von Koffein (wie Kaffee oder Cola) hilfreich sein. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, können Medikament­e eingesetzt werden. Zur Anwendung kommen hierbei insbesonde­re Stimulanzi­en, die bedarfsang­epasst dosiert werden sollten.

 ??  ?? Unser Autor Rafael-Michael Löbbert ist niedergela­ssener Neurologe in Düsseldorf.
Unser Autor Rafael-Michael Löbbert ist niedergela­ssener Neurologe in Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany