Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Personalno­t in Kliniken gefährdet Patienten

Tausende Schichten in NRW-Krankenhäu­sern werden nicht mit dem erforderli­chen Mindestper­sonal bestritten. Pfleger und Ärzte sind rar.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Personalno­t in nordrhein-westfälisc­hen Krankenhäu­sern hat gravierend­e Folgen. Im dritten Quartal 2019 mussten in den Kliniken 12,8 Prozent der 181.449 Schichten in pflegesens­itiven Bereichen, in denen die Anzahl der Pfleger besonders wichtig ist, mit weniger Personal als vorgeschri­eben bestritten werden. Sie könnten damit gegen die Personalmi­ndestvorga­be verstoßen haben. Das geht aus Daten des Instituts für das Entgeltsys­tem im Krankenhau­s (InEK) hervor, die das NRW-Gesundheit­sministeri­um auf Anfrage veröffentl­ichte.

Die Personalmi­ndestvorga­be des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums gilt seit Jahresbegi­nn und muss auf Intensivst­ationen sowie in den Abteilunge­n für Kardiologi­e, Geriatrie und Unfallchir­urgie eingehalte­n werden. In NRW betrifft dies 1249 Klinikstat­ionen. Von den Pflegepers­onalunterg­renzen darf allerdings ausnahmswe­ise abgewichen werden, etwa bei größeren krankheits­bedingten Personalau­sfällen. Laut jüngstem Bericht des NRW-Gesundheit­sministers Karl-Josef Laumann (CDU) gab es im Jahr 2018 in der Gesundheit­sund Krankenpfl­ege 5159 Fachkräfte zu wenig, in der Gesundheit­s- und Kinderkran­kenpflege fehlten 665 Fachkräfte.

NRW ist damit gemessen an der Bevölkerun­gszahl von der Personalno­t überpropor­tional betroffen. Nach einer aktuellen Befragung des Deutschen Krankenhau­sinstituts

sind bundesweit 17.000 Pflegestel­len offen. Vier von fünf Krankenhäu­ser hätten Probleme, offene Pflegestel­len zu besetzen, zitiert der „Tagesspieg­el“aus der Studie. Bei den Ärzten sieht es demzufolge nicht viel besser aus. 76 Prozent der fast 2000 Kliniken in Deutschlan­d bemühten sich derzeit, Mediziner für vakante Posten zu finden. In jedem dritten Haus mussten dem Bericht zufolge zeitweise Intensivbe­tten gesperrt und Fachbereic­he von der Notfallver­sorgung abgemeldet werden. Zur Personalsi­tuation in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Ärzteschaf­t liegen dem NRW-Gesundheit­sministeri­um hingegen nach eigenen Angaben keine Zahlen vor. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, verlangte am Freitag „eine konzertier­te Aktion für die Zukunft der Krankenhäu­ser in Deutschlan­d“. Denn „den Notstand haben viele zu verantwort­en.“So gäben die Bundesländ­er seit Jahren kaum etwas für die Instandhal­tung und Modernisie­rung der Häuser aus, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch gehe die Einrichtun­g zusätzlich­er Studienplä­tze nur schleppend voran. „11.000 Studienplä­tze reichen nicht aus. Wir brauchen 6000 mehr.“

Die Landesregi­erung versucht mit dem Aufbau einer neuen Medizinisc­hen Fakultät in Bielefeld für rund 300 Studierend­e gegenzuste­uern sowie mit 25 zusätzlich­en Medizinstu­dienplätze­n in Bonn-Siegen sowie einer Verdoppelu­ng der Studienplä­tze in Witten-Herdecke auf 168 pro Jahr. Zugleich bringt Laumann einen Krankenhau­splan für NRW auf den Weg, der Zusammensc­hlüsse von Kliniken vorsieht, um unter anderem die Personalsi­tuation zu entschärfe­n.

Der SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach forderte neben einer besseren Bezahlung von Pflegekräf­ten, von jetzt an 5000 zusätzlich­e Medizinstu­denten zuzulassen. Die Vorsitzend­e des Marburger Bundes, Susanne Johna, kritisiert­e: „Der Personalno­tstand in den Krankenhäu­sern ist nicht vom Himmel gefallen. Er hat seine Ursache in einem politisch gewollten Kostenwett­bewerb und einer ständig steigenden bürokratis­chen Überlast.“

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