Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ansturm auf die Goldhändler
Zum Jahreswechsel sinkt der Höchstbetrag, für den man anonym Gold in bar kaufen kann, von 10.000 auf 2000 Euro. Der Andrang ist groß – auch aus Angst vor Strafzinsen und wegen der Hoffnung auf steigende Kurse.
DÜSSELDORF Lange Schlangen im deutschen Einzelhandel sind nach den Weihnachtsfeiertagen keine Seltenheit. Die einen lösen Geschenkgutscheine ein, die unter dem Tannenbaum lagen; andere tauschen unliebsame Präsente um; wieder andere kaufen sich was für geschenktes Bares. Den Mitarbeitern in der Kölner Filiale des Goldhändlers Degussa ist ein solcher Kundenansturm eher fremd. Dass es dort einen solchen Ansturm gab, hat mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Geldwäscherichtlinie zum Jahreswechsel zu tun. Ab 1. Januar sinkt nämlich die Schwelle, bis zu der man Gold und/oder Silber anonym kaufen kann. Bisher war dies bis zu einem Wert von 10.000 Euro möglich, künftig sind es nur noch 2000 Euro.
Die Grenze ist womöglich noch nicht die endgültige. Zwar haben sich Bundestag und Bundesrat im
November darauf geeinigt, dass das Limit nicht auf 1000 Euro sinken sollte. Aber damit, so glauben Beobachter der politischen Diskussion, wird sich die Länderkammer nicht auf Dauer zufrieden geben.
Ob damit wirklich ein großer Schlag gegen die Geldwäscher in Deutschland möglich ist, bleibt dahingestellt. Denn die Kriminellen waschen ihr Geld den Erfahrungen der Händler zufolge nur selten in Edelmetall. „Die Absenkung der Bargeldobergrenze als Mittel gegen Geldwäsche macht überhaupt keinen Sinn“, sagte unserer Redaktion am Freitag Robert Hartmann, Mitgründer des Münchener Goldhändlers Pro Aurum, der auch eine Filiale in Düsseldorf betreibt. Der Antwort des Bundestages auf eine Kleine Anfrage der FDP sei zu entnehmen, dass kaum ein Promille aller Geldwäsche-Verdachtsfälle auf Gold entfallen sei, und nur in vier Fällen habe sich der Verdacht bestätigt, so Hartmann.
Trotzdem haben die Edelmetall-Interessenten den Goldhändlern in Deutschland in den vergangenen Wochen die Türen eingerannt. Mehr als 98 Prozent der Kunden hätten noch einmal Gold für unter 10.000 Euro einkaufen wollen, ohne sich registrieren lassen zu müssen, hat Kerstin Botscheck, Niederlassungsleiterin der Degussa in Köln, gesagt. Hartmann spricht von 80 Prozent der Kunden im Pro-Aurum-Filialgeschäft, die mit diesem Motiv gekommen seien. „Die Warteschlange reicht bis auf die Straße“, hieß es kurz vor Weihnachten auf der Internetseite des Unternehmens.
Die Furcht davor ein gläserner Kunde zu sein, ist aber nicht der einzige Beweggrund – schon gar nicht im Online-Handel, wo bargeldlos gezahlt wird. Die hohe Nachfrage hat nicht nur damit zu tun, dass Anleger möglichst schnell noch viel Bares investieren wollen und ihre Hausbank nicht wissen soll, in was.
Sondern auch damit, dass Goldkauf im zu Ende gehenden Jahr ein sehr rentables Geschäft gewesen ist und Kunden auf eine Fortsetzung des Trends hoffen. In den vergangenen zwölf Monaten ist der Kurs für eine Feinunze (etwa 31 Gramm) um rund 20 Prozent gestiegen; in Dollar macht der Wertzuwachs immerhin auch noch 18 Prozent aus.
Im nächsten Jahr könnte das nach Einschätzung der Experten so weitergehen. Denn die wachsende Angst vor Strafzinsen, die viele Banken und Sparkassen in Deutschland zumindest auf Summen in sechsstelliger Höhe bereits erheben, treibt die Nachfrage derer, die ihr Geld auf Bankkonten deponiert haben. Der Kurs, der nach dem Sommerhoch bei umgerechnet knapp 1400 Euro im November auf 1310 Euro gesunken war, ist zuletzt wieder auf 1355 Euro geklettert. Die Korrektur nach unten hätten einige Kunden genutzt, um nachzukaufen, so Hartmann.