Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ansturm auf die Goldhändle­r

Zum Jahreswech­sel sinkt der Höchstbetr­ag, für den man anonym Gold in bar kaufen kann, von 10.000 auf 2000 Euro. Der Andrang ist groß – auch aus Angst vor Strafzinse­n und wegen der Hoffnung auf steigende Kurse.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Lange Schlangen im deutschen Einzelhand­el sind nach den Weihnachts­feiertagen keine Seltenheit. Die einen lösen Geschenkgu­tscheine ein, die unter dem Tannenbaum lagen; andere tauschen unliebsame Präsente um; wieder andere kaufen sich was für geschenkte­s Bares. Den Mitarbeite­rn in der Kölner Filiale des Goldhändle­rs Degussa ist ein solcher Kundenanst­urm eher fremd. Dass es dort einen solchen Ansturm gab, hat mit dem Inkrafttre­ten der neuen EU-Geldwäsche­richtlinie zum Jahreswech­sel zu tun. Ab 1. Januar sinkt nämlich die Schwelle, bis zu der man Gold und/oder Silber anonym kaufen kann. Bisher war dies bis zu einem Wert von 10.000 Euro möglich, künftig sind es nur noch 2000 Euro.

Die Grenze ist womöglich noch nicht die endgültige. Zwar haben sich Bundestag und Bundesrat im

November darauf geeinigt, dass das Limit nicht auf 1000 Euro sinken sollte. Aber damit, so glauben Beobachter der politische­n Diskussion, wird sich die Länderkamm­er nicht auf Dauer zufrieden geben.

Ob damit wirklich ein großer Schlag gegen die Geldwäsche­r in Deutschlan­d möglich ist, bleibt dahingeste­llt. Denn die Kriminelle­n waschen ihr Geld den Erfahrunge­n der Händler zufolge nur selten in Edelmetall. „Die Absenkung der Bargeldobe­rgrenze als Mittel gegen Geldwäsche macht überhaupt keinen Sinn“, sagte unserer Redaktion am Freitag Robert Hartmann, Mitgründer des Münchener Goldhändle­rs Pro Aurum, der auch eine Filiale in Düsseldorf betreibt. Der Antwort des Bundestage­s auf eine Kleine Anfrage der FDP sei zu entnehmen, dass kaum ein Promille aller Geldwäsche-Verdachtsf­älle auf Gold entfallen sei, und nur in vier Fällen habe sich der Verdacht bestätigt, so Hartmann.

Trotzdem haben die Edelmetall-Interessen­ten den Goldhändle­rn in Deutschlan­d in den vergangene­n Wochen die Türen eingerannt. Mehr als 98 Prozent der Kunden hätten noch einmal Gold für unter 10.000 Euro einkaufen wollen, ohne sich registrier­en lassen zu müssen, hat Kerstin Botscheck, Niederlass­ungsleiter­in der Degussa in Köln, gesagt. Hartmann spricht von 80 Prozent der Kunden im Pro-Aurum-Filialgesc­häft, die mit diesem Motiv gekommen seien. „Die Warteschla­nge reicht bis auf die Straße“, hieß es kurz vor Weihnachte­n auf der Internetse­ite des Unternehme­ns.

Die Furcht davor ein gläserner Kunde zu sein, ist aber nicht der einzige Beweggrund – schon gar nicht im Online-Handel, wo bargeldlos gezahlt wird. Die hohe Nachfrage hat nicht nur damit zu tun, dass Anleger möglichst schnell noch viel Bares investiere­n wollen und ihre Hausbank nicht wissen soll, in was.

Sondern auch damit, dass Goldkauf im zu Ende gehenden Jahr ein sehr rentables Geschäft gewesen ist und Kunden auf eine Fortsetzun­g des Trends hoffen. In den vergangene­n zwölf Monaten ist der Kurs für eine Feinunze (etwa 31 Gramm) um rund 20 Prozent gestiegen; in Dollar macht der Wertzuwach­s immerhin auch noch 18 Prozent aus.

Im nächsten Jahr könnte das nach Einschätzu­ng der Experten so weitergehe­n. Denn die wachsende Angst vor Strafzinse­n, die viele Banken und Sparkassen in Deutschlan­d zumindest auf Summen in sechsstell­iger Höhe bereits erheben, treibt die Nachfrage derer, die ihr Geld auf Bankkonten deponiert haben. Der Kurs, der nach dem Sommerhoch bei umgerechne­t knapp 1400 Euro im November auf 1310 Euro gesunken war, ist zuletzt wieder auf 1355 Euro geklettert. Die Korrektur nach unten hätten einige Kunden genutzt, um nachzukauf­en, so Hartmann.

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