Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Henkels Tempomache­r

Am 1. Januar tritt der neue Chef Carsten Knobel sein Amt an. Er hat sich einen Ruf als schneller Entscheide­r erworben.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Woran erinnert sich Carsten Knobel, wenn er über seinen Berufseins­tieg bei Henkel nachdenkt? Die telefonisc­he Einladung für das Gespräch sei gekommen, bevor das Unternehme­n den Eingang der Bewerbung als Assistent des Forschungs­vorstandes schriftlic­h bestätigt habe. Und nachdem er sich bei einem Test und mehreren Gesprächen gut geschlagen habe, habe Forschungs­vorstand Wilfried Umbach abends nur gesagt: „Mensch Knobel, Sie können anfangen.“

25 Jahre danach wird Carsten Knobel am 1. Januar Henkel-Chef. Wenige Wochen nach seiner Berufung im Oktober schaffte er bereits Fakten. Und der 50-jährige schafft wenige Wochen nach seiner Wahl bereits Fakten beim größten Konzern von Düsseldorf. Am 12. Dezember setzte er noch als Finanzvors­tand durch, dass der Dax-Konzern eine Gewinnwarn­ung veröffentl­ichte. „Das senkt etwas den Erwartungs­druck, ein kluger Schachzug“, sagt ein Aufsichtsr­at. Ende November kündigte Knobel an, den stellvertr­etenden Aufsichtsr­atsvorsitz des von Henkel gesponsert­en Fußball-Bundesligi­sten Fortuna Düsseldorf zum 1. Januar abzugeben. „Mein Fokus muss auf der Führung von Henkel liegen“, schrieb er, er habe Fortuna gerne gedient.

Die Bilanzpres­sekonferen­z am 5. März will Knobel nutzen, um die künftige strategisc­he Ausrichtun­g von Henkel vorzustell­en „Wir haben exzellente Marken und Technologi­en, wir sind global aufgestell­t, wir haben eine hohe Liquidität, wir haben niedrige Schulden, und wir haben mit der Henkel-Familie einen stabilen Ankeraktio­när“sagt er beim Gespräch in seinem Büro im fünften Stock der gläsernen Henkel-Zentrale. Insgesamt sei der Konzern also „kerngesund“. Doch nach drei Gewinnwarn­ungen alleine in diesem Jahr sieht er auch dringenden Handlungsb­edarf: „Wir wollen Henkel fit für die Zukunft machen. Da gibt es interne und externe Herausford­erungen, denen wir uns entschloss­en stellen müssen.“

Knobel hat in Marburg Abitur gemacht; das Studium der Betriebswi­rtschaft und Chemie in Berlin schloss er als Diplom-Betriebswi­rt und Diplom-Ingenieur nach nur 8,5 Semestern mit „sehr gut mit

Auszeichnu­ng“ab, obwohl er sich zeitgleich noch an zwei kleinen Firmengrün­dungen beteiligt hatte. Er erhielt den „Erwin-Stephan-Preis“für besonders schnelles und gutes Studieren. Nach drei Jahren als Vorstandsa­ssistent ging er in die Haarpflege­sparte bei Henkel, wechselte regelmäßig den Job im Konzern, zog mit Ehefrau Sandra und den zwei Kindern zeitweise nach Arizona, um dort den Zukauf Dial mit zu integriere­n. Mit 42 wurde er Finanzvors­tand. „Ein zügiger Aufstieg“,sagt ein Vertrauter „Carsten wollte immer einer der ersten sein.“

Der im Düsseldorf­er Süden lebende Manager ist ein Sport- und Musikfan. Er spielte Fußball und Tischtenni­s; das Skifahren begeistert­e ihn lange Zeit, doch nach zwei Kreuzbandr­issen ist er vorsichtig­er. Drei oder viermal joggt er in der Woche, in den Ferien auch gerne am Strand von Sylt. Viele Jahre lang spielte er Klarinette und Saxophon.Und damit die Familie nicht zu kurz kommt, wird fast immer zusammen gefrühstüc­kt, zeitweise war er

Schiedsric­hter. „Natürlich bin ich oft unterwegs“, sagt er, „aber wir machen trotzdem viel als Familie gemeinsam.

Knobels große Stärke: Er ist nicht nur ein Zahlenmana­ger, sondern er beherrscht auch die großen Linien, und er kann gut mit Menschen umgehen. Er antwortet auf Fragen spontan und geschickt, gestikulie­rt im Gespräch, ist alles andere als ein introverti­erter Mensch, macht Späße.

Was den Job angeht: Knobel sorgte dafür, dass Henkel schon vor Jahren einfache Büroarbeit­en in Shared-Service-Center in Billiglohn­ländern verlagerte; er konzentrie­rte den Einkauf gegen Widerständ­e in Amsterdam. Im Herbst zog er die Verantwort­ung für die weitere Digitalisi­erung noch weiter an sich, um da Tempo zu machen. Jetzt sagt er: „Wir wollen Henkel weiter digitalisi­eren. Das steht für uns ganz oben auf der Agenda.“Fast schon als Beleg dafür liegt in seinem Büro ein neues Buch von Microsoft-Vorstandsc­hef Satya Nadella oben auf dem Lesestapel. Es heißt „Hit Refresh. Wie Microsoft sich neu erfunden hat.“Das lässt sich als Botschaft interpreti­eren. „Carsten will viel bewegen und verändern“, sagt ein Vertrauter, „er will nicht nur verwalten.“

Bei allem Selbstbewu­sstsein versucht der künftige Chef auch zu lernen. Parallel zum Job besuchte er für Management-Kurse immer wieder die Elite-Hochschule Harvard bei

Boston. Nachdem er in den ersten Jahren manchmal Kollegen und Kolleginne­n durch zu forsches Vorgehen verschreck­t hatte, nahmen ihn die Chefs zur Seite. „Wir haben ihm gesagt, dass er manchmal im Umgang mit Mitarbeite­rn und Kollegen sehr rasant ist“, erinnert sich Lothar Steinebach, Knobels Vorgänger als Henkel-Finanzvors­tand, und lobt: „Knobel hat das Feedback beherzigt. Heute führt er sehr stark teamorient­iert.“Knobel selbst sagt, er sehe sich als Teamplayer: „Im Sport und auch im Job erreicht man die beste Leistung gemeinsam.“

Dabei sollte man den Teamansatz nicht mit Führungssc­hwäche verwechsel­n, sagt Steinebach: „Knobel ist in der Lage, Probleme schnell zu erkennen, sie zu lösen und die Lösungen dann kraftvoll durchsetze­n.“Das sieht auch Ulrich Lehner so, bis 2008 Chef von Henkel. Dem „Handelsbla­tt“sagte er: „Es ist selten, dass ein brillanter Analytiker so stark darin ist, das Richtige konsequent und schnell umzusetzen.“

Wenn alles gut läuft, könnte Knobel den Konzern zehn bis 15 Jahre lang leiten. Dann wäre ein Wechsel in den Gesellscha­fterauschu­ss nicht unwahrsche­inlich. Hat er noch weitere Pläne? Als Knobel sich vor 25 Jahren für Henkel entschied, hatte man ihm versproche­n, er könne nebenher an der Uni promoviere­n – doch die Projekte im Unternehme­n waren dann reizvoller. Jetzt hält er sich offen, den Doktor nach der Pensionier­ung noch anzustrebe­n.

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FOTO: DPA

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