Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Das gegängelte Individuum

Die Freiheit des Individuum­s hat in unserem Recht eine überragend­e Stellung. Politiker wollen sie gern einschränk­en.

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Das Grundgeset­z schützt das Individuum vor staatliche­r Willkür und betont das Recht zur freien Entfaltung der Persönlich­keit. Mit anderen Worten: Jeder hat das Recht, selbst zu bestimmen, was gut und sinnvoll für das eigene Leben ist.

Das Recht des Individuum­s etwa in Erbangeleg­enheiten geht so weit, dass jemand sogar seine Kinder enterben kann. So kann ein Erblasser die Abkömmling­e lediglich auf den Pflichttei­l setzen, das heißt auf nur die Hälfte seines Erbes. Im Rahmen des Berliner Testaments können die Ehegatten ihren Partner oder ihre Partnerin sogar als Alleinerbe­n einsetzen und damit das Erbe der Kinder zumindest aufschiebe­n. Das Beispiel zeigt, wie hoch etwa im Erboder Personenst­andsrecht der Wille des Individuum­s gewichtet wird. In anderen Rechtsfeld­ern gibt es ähnliche Beispiele.

Um so erstaunlic­her ist die Bereitscha­ft vieler Politiker, in das Handeln der Menschen einzugreif­en. Mit dem Verbot für Ölheizunge­n und Glühlampen, bald wohl auch für Verbrennun­gsmotoren, oder mit Vorschrift­en für das Sortiment eines Einkaufsze­ntrums.

Verbote giftiger Substanzen oder von Schusswaff­en in privaten Händen sind sicherlich sinnvoll. Aber sollte ein Haushalt nicht selbst entscheide­n, wie er heizt oder welches Auto er fahren will. Der Umweltexpe­rte der SPD, Matthias Miersch, hat dieser Tage vorgeschla­gen, bei Neubauten eine Pflicht zur Photovolta­ik einzuführe­n. Gebote zum Zucker- oder Fettgehalt bei Lebensmitt­eln oder zum Meisterbri­ef im Handwerk gehören hier ebenfalls hinein. Das gilt im Übrigen für alle Parteien von der Linken bis zur AfD. Selbst die FDP als selbsterna­nnte Antiverbot­spartei kämpft etwa für das Mehrbesitz­verbot bei Apotheken.

Freiheit muss immer erkämpft werden. Am besten wird sie durch Debatte und Meinungsfr­eiheit geschützt. Wohlmeinen­den Politikern mit ihren Verboten sollte man eher misstrauen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

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