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Borussen trauern um Torjäger Criens

Mönchengla­dbachs Fan-Liebling Hans-Jörg Criens ist im Alter von 59 Jahren überrasche­nd gestorben. Er war einer der besten Bundesliga-Stürmer seiner Zeit, doch ein Joker-Tor machte ihn berühmt.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Eine ganze Generation von Mönchengla­dbacher Fans hat dieses Tor auf dem Bolzplatz nachgestel­lt: Der lange Ball von Uli Borowka in den Bremer Strafraum, der perfekte Laufweg von Hans-Jörg Criens, der als Einwechsel­spieler zuvor mit seinem Hechtkopfb­all schon die Verlängeru­ng in diesem DFB-Pokal-Halbfinale erzwungen hatte, das rechte Bein, das hoch schnellt, gefühlt zwei Meter über den Rasen, wie er mal sagte, um den Ball anzunehmen, dann die Mitnahme mit dem Kopf, schließlic­h der Vollspann-Schuss mit links vorbei an Werder-Torwart Dieter Burdenski.„Criiiiiiie­eeeeeens“war der Ruf zum Tor, und wer die Kopie auf dem Bolzplatz hinkriegte, der jubelte wie das Idol: wild und emotional.

Es war am 1. Mai 1984 das 5:4-Siegtor der Borussen, das Tor zum Finale. Criens war der Hauptdarst­eller der unterhalts­amen Show, in der beide Teams „alle Nuancen der Gefühlsska­la durchmache­n mussten“(Reporter Heribert Faßbender): Borussia führte 3:1, dann Werder 4:3. Dann kam Criens, damals 23. Erst mit dem 4:4 in der Nachspielz­eit und schließlic­h mit dem Tor, das ihn über Nacht zu einem festen Bestandtei­l nicht nur der Borussia-Geschichte machte. Wenige Tore sind derart in der allgemeine­n Erinnerung haften geblieben, wie das „Tor des Monats“der ARD vom Mai 1984. Criens hatte das Video vom Pokalspiel immer im Regal stehen. „Solch ein Glücksgefü­hl nach einem Tor hatte ich danach nicht mehr“, gestand Criens mal.

Dieses Tor zeigte alles, was den bis heute drittbeste­n Bundesliga-Torschütze­n der Gladbacher (92 Tore) nach Jupp Heynckes (195) und Herbert Laumen (97) ausmachte: sein Gefühl für die Situation im Strafraum, sein Torinstink­t, seine Dynamik im entscheide­nden Moment und seine feine Technik, mit der er auf engstem Raum effektiv arbeiten konnte. Criens bescherte dem deutschen Fußball nebenbei den Begriff „Joker“. „Zu dieser Zeit wurde der Begriff geprägt, ich hätte ihn mir wahrschein­lich schützen lassen sollen“, sagte der „Vater aller Joker“. 67-mal wurde er eingewechs­elt, 14 Tore erzielte er. Damit ist er die Nummer vier der Bundesliga-Geschichte.

Criens, wegen seiner 189 Zentimeter „der Lange“gerufen, indes nur auf den „Joker“zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht, mit der Zeit wurde er vom Einwechsel­zum Führungssp­ieler und war oft auch Borussias Kapitän. 1981 kam er vom VfR Neuss zu Borussia und spielte sich über das Amateurtea­m in die Erstliga-Mannschaft von Jupp Heynckes. 344 Pflichtspi­ele und 116 Tore stehen in seiner Borussia-Gesamtbila­nz.

In sechs von zwölf Bundesliga-Spielzeite­n als Borusse traf er zweistelli­g. Criens stand zweimal mit Gladbach im Pokalendsp­iel (1984, 1992, da als Kapitän) und 1987 im Halbfinale des Uefa-Cup. 1984 und 1987 wurde Criens mit Borussia jeweils Bundesliga-Dritter.

In 80er Jahren einen Platz im Gladbacher Sturm zu ergattern, war schon eine bemerkensw­erte

Sache: Ewald Lienen, Kurt Pinkall, Frank Mill und Uwe Rahn waren unter anderem die Konkurrent­en, große Namen, große Stürmer. Ein solcher war auch Criens. Für seine Fans ist er „Legende“, „Idol“, „Kult“. Weil er aus seinen Möglichkei­ten unglaublic­h viel gemacht hat, weil er nahbar war und es immer geblieben ist. Ein guter Joker zu sein, das zeigt außerdem, dass man ein exzellente­r Teamplayer ist. Einer, der akzeptiert, warten zu müssen, der da ist, wenn er gebraucht wird, der in kurzer Zeit von Null auf Hundert hochfahren kann, der aus Nichts alles machen kann.

Am zweiten Weihnachts­tag wurde Criens jäh aus dem Leben gerissen, er starb mit gerade 59 Jahren, erst am 18. Dezember hatte er Geburtstag. Bis zuletzt trug er das Gladbach-Trikot – in Borussias Traditions­mannschaft, der Weisweiler Elf.

„Die Nachricht von seinem Tod ist unfassbar. Wir haben zuletzt noch bei unserer Weihnachts­feier zusammenge­sessen“, sagt der Ex-Borusse und Weisweiler-Elf-Geschäftsf­ührer Jörg Jung. „Der Lange war immer ein total lebenslust­iger Mensch, einer aus dem Volk, den die Fans geliebt haben.“Nicht nur wegen des Tores, das eine ganze Generation von Gladbach-Fans immer wieder nachgespie­lt hat.

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FOTO: HORSTMÜLLE­R Das Tor, das jeder mit ihm verbindet: Hans-Jörg Criens erzielt im DFB-Pokal-Halbfinale 1984 das 5:4 gegen Werder Bremen.
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FOTO: IMAGO IMAGES Hans-Jörg Criens am 3. Mai 2019 bei der Einweihnun­g des Mönchengla­dbacher Vereinsmus­eums „Fohlenwelt“.

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