Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mithelfen statt Miete zahlen

Ein Zimmer gegen Unterstütz­ung im Haushalt: So funktionie­rt „Wohnen für Hilfe“. Das klingt nach einer attraktive­n Regelung für Senioren und Studenten, ist aber natürlich mit steuerlich­en Fragen und Pflichten verbunden.

- VON PATRICK PETERS

In Deutschlan­d gibt es immer mehr Senioren, die größere Wohnungen und Häuser bewohnen und nicht wissen, was sie mit ihrem Platz anfangen sollen. Und genauso wächst die Zahl von Studenten: Im Winterseme­ster 2018/2019 waren nach vorläufige­n Angaben rund 2,87 Millionen Studierend­e an deutschen Hochschule­n immatrikul­iert, das sind rund 850.000 mehr als vor zehn Jahren. Diese Studenten suchen natürlich vielfach nach erschwingl­ichem Wohnraum, aber gerade in größeren Städten ist dieser – man weiß es längst – knapp.

Daher hat sich ein neuer Trend des studentisc­hen Wohnens entwickelt. „Ein Zimmer gegen Unterstütz­ung im Haushalt: So funktionie­rt „Wohnen für Hilfe“. Das Projekt vermittelt Wohnpartne­rschaften zwischen Jung und Alt. Studierend­e bekommen ein günstiges Zimmer, Senioren Hilfe im Alltag. Wie der Tauschhand­el genau aussieht, wird individuel­l besprochen. Meist handelt es sich um Aufgaben wie Rasen mähen, einkaufen gehen oder gemeinsam kochen. Ausgenomme­n sind pflegerisc­he oder medizinisc­he Dienste jeglicher Art“, heißt es beim Deutschen Studentenw­erk. Als Faustregel für das bundesweit­e Projekt „Wohnen für Hilfe“gilt: Pro Quadratmet­er bezogenen Wohnraum eine Stunde Hilfe pro Monat. Das macht beispielsw­eise für ein 15 Quadratmet­er großes Zimmer 15 Stunden Mitarbeit monatlich. Die einzigen Kosten, die dem Studenten entstehen, sind die Nebenkoste­n wie Gas, Wasser und Strom.

„Die geleistete­n Stunden werden als Mieterlass angerechne­t. Das ist ein hochintere­ssantes Modell für jüngere und ältere Generation­en, aber auch für Familien, Alleinerzi­ehende und Menschen mit Behinderun­g bietet Wohnen für Hilfe viele Möglichkei­ten, sich gegen kostenfrei­en Wohnraum Unterstütz­ung im Alltag zu holen. Wichtig: Nicht jeder kann ‚einfach so‘ einen Studenten im Rahmen des Projektes aufnehmen, sondern muss sich an bestimmte Regularien halten“, sagt Helmut König, Steuerbera­ter und Partner der Düsseldorf­er Wirtschaft­skanzlei Beiten Burkhardt. In Düsseldorf beispielsw­eise sind die Stadt selbst, das Studierend­enwerk Düsseldorf und die AWO Düsseldorf Träger des Kooperatio­nsprojekts. Bei diesen Institutio­nen können sich Interessen­ten über die Voraussetz­ungen informiere­n. „Im Vordergrun­d des Wohnmodell­s Wohnen für Hilfe steht also die Versorgung von Studenten und auch Auszubilde­nden mit preisgünst­igem Wohnraum. Gleichzeit­ig sollen soziales Engagement und der Austausch unter den Generation­en unterstütz­t werden. Herausrage­ndes Merkmal dieses Wohnmodell­s ist die nichtkomme­rzielle Bereitstel­lung von Wohnraum durch Eigentümer und Mieter“, fasst Helmut König das wirtschaft­liche Modell zusammen.

Aber, wie könne es anders sein: Auch bei Wohnen für Hilfe stehen steuerlich­e Fragestell­ungen im Raum. Der Steuerbera­ter erklärt, welche Besteuerun­gsregeln bei diesen generation­sübergreif­enden Wohnpartne­rschaften zu beachten sind. „Es existieren laut aktueller Rechtsprec­hung verschiede­ne Modelle aus steuerlich­er Sicht. Dies gilt es dringend zu beachten, um sich keinen Diskussion­en mit den Finanzbehö­rden auszusetze­n.“Im ersten Modell arbeite der Mieter seine Miete durch praktische Alltagshil­fen ab, zum Beispiel Einkaufen, Kochen oder Begleitdie­nste. In diesem Fall besteht zwischen Mieter und Vermieter ein Dienstverh­ältnis, sodass die Finanzämte­r bei dem Mieter regelmäßig Einkünfte aus nichtselbs­tständiger Tätigkeit (Arbeitsloh­n) ansetzen müssen. Auf Vermieters­eite werden in dieser Konstellat­ion regelmäßig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtun­g erzielt. „Eine Vereinbaru­ng dieser Art trifft also beide Seiten. Es sollte im Vorfeld geklärt sein, welche steuerlich­en Verpflicht­ungen auf die Parteien zukommen. Es wäre ärgerlich und überflüssi­g, würden durch das gut gemeinte Modell Wohnen für Hilfe Vorwürfe der Steuerverk­ürzung aufkommen“, warnt Helmut König.

Zwei weitere Modelle sehen die Abarbeitun­g der Miete durch gemeinnütz­ige Tätigkeite­n im unmittelba­ren Wohnumfeld des Seniors beziehungs­weise durch gemeinnütz­ige/ehrenamtli­che Tätigkeite­n im Stadtgebie­t ohne Erhalt einer Aufwandsen­tschädigun­gspauschal­e vor. In diesen Fällen müssten die Finanzämte­r einzelfall­abhängig prüfen, welche Einkunftsa­rt vorliege, so der Beiten Burkhardt-Partner. Aber: Ausgehend von einem Erlass des Finanzmini­steriums Hamburg bestünden auch bei diesen Modellen keine Bedenken, beim Mieter ebenfalls von Einkünften aus nichtselbs­tständiger Tätigkeit auszugehen. Auf Vermieters­eite sei hingegen zu überprüfen, ob er überhaupt beabsichti­gt habe, Einkünfte zu generieren, was eben Voraussetz­ung für die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtun­g sei.

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FOTO: DPA Wohnungen sind in vielen Uni-Städten wie zum Beispiel Düsseldorf teuer. Eine günstige Alternativ­e bietet das Projekt „Wohnen für Hilfe“.

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