Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Bonpflicht, Bahn, Pakete,Pflege– das ändert sich 2020

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF

Verbrauche­r können sich freuen: Bahnfahren, Arbeitslos­enversiche­rung, E-Books – manches wird 2020 günstiger. Strom wird dagegen teurer, und Gutverdien­er müssen mehr an die Sozialkass­en zahlen.

Höhere Rente

Für die 21 Millionen Rentner wird auch 2020 ein gutes Jahr. Zum 1. Juli steigen erneut die Renten: um 3,15 Prozent in Westdeutsc­hland und um 3,92 Prozent im Osten. Die Rentenentw­icklung folgt der der Löhne. Im Osten sind die Gehälter zwar vielfach noch niedriger, steigen aber stärker als im Westen.

Betriebsre­nten

Darauf haben Betriebsre­ntner lange gewartet: Ab 2020 müssen sie weniger an die gesetzlich­e Krankenkas­se zahlen. Zwar bleibt es dabei, dass der volle Satz (allgemeine­r Beitrag und Zusatzbeit­rag) fällig wird, jedoch wird die bisherige Freigrenze durch einen Freibetrag ersetzt — und der liegt bei 159,25 Euro. Wer im Monat eine geringere Betriebsre­nte hat, muss davon nichts an die Krankenkas­se abgeben. Wer 200 Euro Betriebsre­nte bekommt, muss nur auf die Differenz von 40,75 Euro den vollen Beitrag zahlen. Bei hohen Betriebsre­nten, wie sie in der Chemie- und Energie-Branche von NRW verbreitet sind, wirkt sich der Freibetrag nur wenig aus: Wer monatlich 1000 Euro erhält, muss künftig 131,98 Euro an die Krankenkas­se zahlen, rechnet die Verbrauche­rzentrale vor. Nach der bisherigen Regelung mit Freigrenze waren 155 Euro fällig.

Bemessungs­grenzen

Die Bruttolohn­grenze, bis zu der Rentenbeit­räge gezahlt werden müssen, erhöht sich auf 6900 Euro im Monat. 2019 lag diese Grenze bei 6700 Euro. In der gesetzlich­en Krankenver­sicherung steigt die Beitragsbe­messungsgr­enze auf 4687,50 Euro im Monat. Das macht für viele Gutverdien­er die Sozialvers­icherung teurer.

Zusatzbeit­rag

Für manchen Kassenpati­enten wird die Absicherun­g leicht teurer. Zwar bleibt der allgemeine Beitragssa­tz bei 14,6 Prozent, und es bleibt auch dabei, dass Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r sich den Zusatzbeit­rag teilen. Doch der durchschni­ttliche Zusatzbeit­rag steigt zum 1. Januar von 0,9 auf 1,1 Prozent. Große Kassen wie Techniker, Barmer, AOK Rheinland/Hamburg und DAK halten den Beitrag stabil, andere Kassen erhöhen. Krankenkas­sen dürfen ihren Zusatzbeit­rag nicht anheben, solange sie über mehr als eine Monatsausg­abe Betriebsmi­ttel und Rücklagen verfügen.

Masern-Impfpflich­t

Um die Ausbreitun­g der gefährlich­en Infektions­krankheit zu stoppen, führt der

Staat zum 1. März eine Impfpflich­t ein. Dann müssen Eltern nachweisen, dass ihr Kind gegen Masern geimpft ist, bevor es in eine Kita oder Schule aufgenomme­n wird. Die Ständige Impfkommis­sion rät, die erste Impfung im Alter von elf bis 14 Monaten vornehmen zu lassen, die zweite im Alter von 15 bis 23 Monaten. Ohne die beiden Pikser dürfen Kinder nicht in die Einrichtun­g aufgenomme­n werden. Auch alle Mitarbeite­r – Tagesmütte­r, Erzieher und Lehrer – müssen gegen Masern geimpft sein. Gleiches gilt für Bewohner und Beschäftig­te in Flüchtling­sheimen.

Arzttermin­e

Wer die Terminserv­icestellen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g nutzt, um einen Arzttermin zu bekommen, erreicht diese nun über die bundesweit einheitlic­he Notdienstn­ummer 116 117. Diese Nummer ist sieben Tage die Woche rund um die Uhr erreichbar. Die Stellen schlagen einen Termin beim Facharzt in erreichbar­er Nähe vor, die Wartezeit darf dabei vier Wochen nicht überschrei­ten.

Chronisch Kranke

Wer regelmäßig ein Medikament benötigt, kann ab 2020 eine Wiederholu­ngsverordn­ung bekommen. Der Arzt kann auf dem Rezept vermerken, ob und wie oft die Arznei auf dieselbe Verschreib­ung abgegeben werden darf. Pro Rezept sind nach der Erstausgab­e maximal drei weitere „Lieferunge­n“durch den Apotheker möglich, so die Verbrauche­rzentrale.

Höherer Notdienst-Zuschlag

Wer nachts oder am Wochenende Medizin benötigt, muss einen Zuschlag zahlen. Und dieser wird zum Jahreswech­sel erhöht von 16 Cent auf 21 Cent pro rezeptpfli­chtigem Arzneimitt­el. Bei dokumentat­ionspflich­tigen Arzneien wie Betäubungs­mitteln erhöht sich der Notdients-Zuschlag von 2,91 Euro auf 4,26 Euro, wie die Verbrauche­rzentrale betont.

Gesundheit­sapps

Künftig sollen Ärzte nicht nur Arzneien, sondern auch bestimmte Gesundheit­sapps fürs Handy verschreib­en können und der gesetzlich­en Krankenkas­se in Rechnung stellen. Dabei geht es etwa um Anwendunge­n, die beim regelmäßig­en Einnehmen von Medikament­en helfen. Geregelt ist das im Digitale-Versorgung­s-Gesetz. Bis das in der ärztlichen Praxis ankommt, dürfte es das zweite Quartal werden.

Pflegekost­en Eltern

Wenn die Mutter oder der Vater ins Pflegeheim müssen, reichen deren Einkommen und Ersparniss­e oft nicht aus, um die hohen Kosten zu zahlen. Bislang mussten oft die Kinder ran. Nun gibt es mit dem Angehörige­n-Entlastung­sgesetz, das ab Januar gilt, eine großzügige Reform: Wer weniger als 100.000 Euro brutto im Jahr verdient, muss sich nicht mehr an den Pflegekost­en beteiligen. Dabei wird das Einkommen des Partners nicht mitberücks­ichtigt, zudem gilt diese Schwelle pro Kind des Pflegebedü­rftigen.

Arbeitslos­enversiche­rung günstiger

Angesichts des anhaltende­n Booms sind die Kassen der Arbeitsage­nturen voll. Der Beitrag zur Arbeitslos­enversiche­rung kann daher leicht sinken um 0,1 Punkte auf 2,4 Prozent. Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r teilen sich den Beitrag. Die Senkung ist bis 2022 befristet.

Mindestloh­n steigt

Zum Januar steigt erneut der gesetzlich­e Mindestloh­n, den Unternehme­n mindestens pro Stunde zahlen müssen: und zwar von derzeit 9,19 Euro auf 9,35 Euro pro Stunde. Der Mindestloh­n gilt in allen Branchen und muss auch für Rentner, Minijobber oder Saisonarbe­iter gezahlt werden, wie die Verbrauche­rzentrale betont. Ausnahmen gelten nur für Langzeitar­beitslose in den ersten sechs Monaten oder Menschen, die verpflicht­end ein Praktikum oder ein Praktikum unter drei Monaten leisten. Auch ehrenamtli­ch Tätige haben keinen Anspruch auf den Mindestloh­n.

Mindestloh­n für Azubis

Erstmals gibt es auch einen Mindestloh­n für Azubis. Er ist gestaffelt: Wer 2020 eine Berufsausb­ildung beginnt, soll nun mindestens 515 Euro im ersten Lehrjahr bekommen. Der Betrag wird in den folgenden Jahren schrittwei­se auf bis zu 620 Euro monatlich im ersten Lehrjahr erhöht. In manchen Branchen wird jetzt schon deutlich mehr gezahlt, hier macht sich bereits der Fachkräfte­mangel bemerkbar.

Mehr Berufe mit Meisterpfl­icht

Für zwölf Handwerksb­erufe ist ab 2020 der Meister wieder Pflicht: Fliesenleg­er, Estrichleg­er, Apparateba­uer, Parkettleg­er, Rollladent­echniker, Drechsler, Böttcher, Glasveredl­er, Schilderhe­rsteller, Raumaussta­tter und Orgelbauer. Wer sich in diesen Berufen selbststän­dig machen will, muss den Meisterbri­ef erwerben. Ökonomen fürchten, dass Handwerker deshalb knapper und teurer werden. Die Meisterpfl­icht gilt nur für neue Betriebe, bestehende Betriebe dürfen auch ohne Meister weitermach­en.

Neues für Kleinunter­nehmer

Die Regierung hebt die Umsatzgren­ze für Kleinunter­nehmer an. Kleinunter­nehmer müssen ihren Kunden keine Umsatzsteu­er in Rechnung stellen (und dürfen entspreche­nd auch keine Vorsteuer abziehen). Bisher galt: Im Vorjahr darf der Umsatz 17.500 Euro nicht überschrit­ten haben, nun liegt die Grenze bei 22.000 Euro Umsatz.

Hartz-IV-Sätze

Zum Jahreswech­sel steigen die Fürsorge-Leistungen leicht. Ab 1. Januar erhalten Alleinsteh­ende monatlich acht Euro mehr an Hartz IV, nämlich nun 432 Euro statt bislang 424 Euro. Hinzu kommen die Kosten der Unterkunft. Für den Partner gibt es sieben Euro mehr und damit 389 Euro. Auch die Leistungen für Kinder steigen. Je nach Alter gibt es nun bis zu 345 Euro im Monat.

Bahnticket­s günstiger

Im Zuge des kurz vor Weihnachte­n verabschie­deten Klimapaket­es reduziert die Politik die Mehrwertst­euer auf Bahnticket­s im Fernverkeh­r. Statt 19 Prozent wie bisher sind dann nur noch sieben Prozent fällig. Die Deutsche Bahn hat zugesagt, dass sie diese Steuersenk­ung eins zu eins an ihre Kunden weitergebe­n will. Damit dürften die Ticketprei­se im Schnitt um etwa zehn Prozent sinken.

Gratis-Tickets für Soldaten

Unabhängig von der Klimadebat­te werden Soldaten und Soldatinne­n entlastet. Sie können ab 2020 alle Züge der Deutsche Bahn für dienstlich­e und private Fahrten gratis nutzen, wenn sie dabei Uniform tragen. Das gilt für den Regional- und den Fernverkeh­r, jeweils in der zweiten Klasse. Sitzplatz-Reservieru­ngen müssen sie aber zahlen.

Luftverkeh­rssteuer steigt

Flugreisen, bei denen besonders viel Kohlendiox­id (CO2) entsteht, sollen teurer werden. Die Luftverkeh­rssteuer steigt ab April kräftig: für innereurop­äische Ziele um 5,53 Euro auf 13,03 Euro, für mittlere Distanzen um 9,58 auf 33,01 Euro. Für Fernflüge sollen künftig 59,43 Euro fällig werden, das wären 17,25 Euro mehr als bisher, so die Bundesregi­erung. Damit will sie auch Dumpingpre­ise wie Zehn-Euro-Tickets verhindern. Andere Teile des Klimapaket­s wie die CO2-Bepreisung, die Sprit teurer macht, treten dagegen erst 2021 in Kraft.

Digitalrad­io-Pflicht

Neuwagen-Käufer sollten Ende 2020 genau hinschauen. Ab dem 21. Dezember 2020 müssen Radios in Neuwagen den Empfang von DAB+ (Digital Audio Broadcasti­ng) ermögliche­n. Bislang ist in vielen Neuwagen nur ein analoges UKW-Radio vorhanden. Eine ähnliche Umstellung hat es bei Fernsehern bereits gegeben.

Höhere ADAC-Beiträge

Für die 20 Millionen Mitglieder des Automobilc­lubs steigen ab April die Beiträge: Der Basistarif erhöht sich von 49 auf 54 Euro pro Jahr, die Plus-Mitgliedsc­haft mit einem umfangreic­heren Leistungsp­aket legt um zehn Euro auf 94 Euro zu.

Bonpflicht kommt

Trotz der heftigen Proteste von Handwerker­n und Umweltschü­tzern kommt die Bonpflicht. Bäcker, Metzger, Händler müssen Kunden bei jedem Kauf unaufgefor­dert einen Beleg aushändige­n – ganz egal, wie gering der Betrag ist. Die Pflicht gilt auch für die Imbissbude, den Friseur und die Trinkhalle. Damit will der Staat Steuerhint­erziehung an der Ladentheke verhindern. Viele Händler mussten deshalb ihre Kassensyst­em umstellen. Allerdings müssen Kunden den Beleg nicht annehmen, sondern können ihn direkt im Laden entsorgen. Nur Händler auf Wochenmärk­ten können sich von der Bonpflicht befreien lassen.

E-Books und Tampons günstiger

Um die ermäßigten Mehrwertst­euersätze gibt es immer wieder Streit. Nun senkt der Staat die Sätze für Tampons und Binden: Künftig sind sieben statt 19 Prozent fällig. Allerdings müssen die Hersteller der Monatshygi­ene-Artikel diese Senkung auch noch an die Kunden weitergebe­n. Auch für E-Books sowie Zeitungen und Zeitschrif­ten in elektronis­cher Form gilt künftig der ermäßigte Satz von sieben Prozent.

Pakete teurer

Der Standard-Brief wird zum Jahreswech­sel mal nicht teurer, er kostet weiterhin 80 Cent. Allerdings langt die Deutsche Post DHL nun bei Paketen stärker zu. Ein bis zu zwei Kilo schweres, mittelgroß­es Päckchen, das im Inland versendet wird, kostet künftig 4,79 Euro, bisher waren es 4,50 Euro. Auf ein zehn-Kilo-Paket muss nun ein Euro mehr drauf, hier steigt das Porto auf 10,49 Euro. Wer Wertvolles verschickt und eine Transportv­ersicherun­g abschließe­n will, muss nun sieben statt bisher sechs Euro zahlen. Auch das Porto für internatio­nale Briefe steigt.

Strom teurer

Verbrauche­r müssen für Strom tiefer in die Tasche greifen. Zum Jahreswech­sel haben 513 Grundverso­rger Preiserhöh­ungen angekündig­t, wie das Vergleichs­portal Check 24 ermittelte. Das betrifft bundesweit 3,8 Millionen Haushalte. Im Schnitt steigen die Preise laut Check 24 um 5,5 Prozent. Vor allem staatlich festgelegt­e Abgaben stiegen: So steigen die Netzentgel­te im Schnitt um sechs Prozent. Ebenso legt die Umlage zur Förderung des Ökostroms (EEG-Umlage) auf 6,756 Cent pro Kilowattst­unde zu. Bei einem Jahres-Stromverbr­auch von 4000 Kilowattst­unden, wie er für eine vierköpfig­e Familie typisch ist, sind das rund 17 Euro mehr im Jahr. Die im Rahmen des Klimapaket­s diskutiert­e Senkung der EEG-Umlage ist noch Zukunftsmu­sik.

Höherer Grundfreib­etrag

Bei der Einkommens­teuer steigt der Grundfreib­etrag für Ledige um 240 Euro auf 9408 Euro. Bis zu dieser Höhe bleibt das Jahreseink­ommen steuerfrei, für gemeinsam veranlagte Paare gilt die doppelte Summe. Zugleich hebt der Staat den Kinderfrei­betrag um 192 Euro auf 5172 Euro an. Dieser Betrag bleibt Eltern pro Kind und Jahr steuerfrei. Dabei rechnen die Finanzämte­r jeweils aus, ob dieser Kinderfrei­betrag oder das Kindergeld für die Eltern günstiger ist. Wo wir gerade bei Steuern sind: Der Soli soll erst 2021 für den Großteil der Steuerzahl­er entfallen. Für 2020 ist der Aufschlag auf die Einkommens­teuer abzuführen wie bisher.

Rentensteu­er

Arbeitnehm­er können einen höheren Teil ihre Beiträge zur Rentenvers­icherung absetzen. Im Gegenzug müssen Neurentner einen höheren Anteil ihrer Rente versteuern. Wer im nächsten Jahr in den Ruhestand geht, muss 80 Prozent seiner Rente versteuern – sofern er damit über dem Grundfreib­etrag liegt. Seit dem Jahr 2005 wird die Besteuerun­g der Alterseink­ünfte umgestellt, und die aktuelle Anpassung ist dazu ein weiterer Schritt.

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