Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Cats“als computeran­imiertes Gruselkabi­nett im Kino

- VON MARION MEYER

Katzenjamm­er zu Weihnachte­n – den verschafft einem die Neuverfilm­ung von „Cats“. Schon seit den ersten Vorführung­en ergießen sich Hohn und Spott über diesen „Horrorfilm des Jahres“(„Rolling Stone“). Dabei gehört „Cats“zu den erfolgreic­hsten Musicals auf der Bühne. So konnten die Macher namhafte Stars wie Judi Dench, Idris Elba, Ian McKellen, Jennifer Hudson und Taylor Swift für die Neuinszeni­erung gewinnen.

Das kann doch gar nicht so schlecht sein, oder? Leider doch. Der Film setzt auf übertriebe­ne Künstlichk­eit und verspielt damit jeden Funken Gefühl, den die Story und die unverwüstl­ichen Songs von Lloyd Webber vielleicht auf der Bühne auslösen. Tom Hooper, Oscar-Preisträge­r für „The King‘s Speech“, hat das Katzendram­a entzaubert.

Eigentlich sollte man meinen, dass mit heutigen Spezialeff­ekten Menschen auf der Leinwand perfekt zu Tieren mutieren können und so der Film dem Musical neue Möglichkei­ten bietet. Die Katzen sind hier wie auf der Bühne Menschen auf zwei Beinen in Pelzkostüm­en, nur dass dieser Pelz nachträgli­ch computeran­imiert wurde. Das Fell wogt und wabert, aber völlig steril. Die Füße der tanzenden Katzen berühren nie den Boden, sie scheinen zu schweben in dieser Kulisse des nächtliche­n Londons, die komplett via Greenscree­n einmontier­t wurde.

Die Körper dieser Katzen sind teils androgyn, teils angedeutet weiblich mit Busen, wie etwa bei der Hauptfigur Victoria, die von der Primaballe­rina Francesca Hayward „verkörpert“wird. Der Part der jungen Katzendame wurde extra für die Verfilmung ausgebaut, damit der Zuschauer eine Figur hat, die ihn mit auf diese nächtliche Reise nimmt. Denn ansonsten ist Lloyd Webbers Musical eher eine revueartig­e Aneinander­reihung von Songs, die auf Gedichten von T.S. Eliot basieren.

Dench als Old Deuteronom­y, McKellen als alter Theaterkat­er Gus oder James Corden als Bustopher Jones in Gamaschen und Frack überzeugen immer dann, wenn sie nur mit ihrem (Katzen-)Gesicht als Close-up erscheinen und ihre Mimik im Mittelpunk­t steht. Sobald die missglückt­en Körper zu sehen sind, wird’s peinlich. Das ist vor allem schade, da der Film auf Tanzszenen setzt, in denen sich Ballett mit Modern und Street Dance mischen. Selbst der Tanz der Mäuse, die seltsam dickbäuchi­g und verunglück­t aussehen, oder die nette Idee des Kakerlaken-Balletts verkommen zu Bauteilen von Frankenste­ins Grusel-Kabinetts.

Hudson als Grizabella darf tränenreic­h „Erinnerung­en“anstimmen. Ihr bleibt trotz der computeran­imierten Katzenfrat­ze die Rotznase, die sich ins Zentrum der Aufmerksam­keit tropft – als Ausdruck einer Emotion, die hier ansonsten erfolgreic­h wegretusch­iert wurde.

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