Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Er war das Gesicht Brandenbur­gs

Der SPD-Politiker prägte das Bild des modernen Brandenbur­g. Umstritten waren seine Stasi-Kontakte. Als Bundesverk­ehrsminist­er fehlte ihm die politische Fortüne. Nun ist Manfred Stolpe im Alter von 83 Jahren gestorben.

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m Ende war die Krankheit stärker: Manfred Stolpe ist

Der erste Ministerpr­äsident des Landes Brandenbur­g verstarb in der Nacht zum Sonntag im Alter von 83 Jahren im Kreise seiner Familie. Schon seit 2004 kämpfte er mit Darmkrebs, später kamen weitere Erkrankung­en hinzu.

Lange sah es so aus, als würde der Preuße Stolpe es mit zusammenge­bissenen Zähnen schaffen, die Krankheite­n zu besiegen: 2016 erklärte er in einem Interview, die Ärzte hätten ihm 2004 lediglich drei weitere Lebensjahr­e prophezeit. Tatsächlic­h sollten es 15 gute Jahre werden, in denen Stolpe als „Elder Statesman“in Brandenbur­g präsent war wie eh und je. Doch als er auf dem Parteitag, auf dem Dietmar Woidke im Sommer 2019 zum Kandidaten für das Amt des Ministerpr­äsidenten gewählt werden sollte, nur ein schriftlic­hes Grußwort verteilen ließ, wussten alle: Es steht ernst um Manfred Stolpe.

Von 1990 bis 2002 stand der SPD-Politiker an der Spitze des Landes Brandenbur­g. Zuvor war der Stettiner leitender Kirchenjur­ist der evangelisc­hen Kirche in Berlin-Brandenbur­g. Während die Bischöfe im Licht der Öffentlich­keit standen, regelte Stolpe hinter den Kulissen das Tagesgesch­äft. Er verteidigt­e jene, die sich unter dem Dach der Kirche in der Umweltbewe­gung oder in Friedensgr­uppen engagierte­n. „Wenn es mal brenzlig werde, sollte man beim Konsistori­alpräsiden­ten anrufen. Stolpe hatte den Ruf, Menschen aus den Gefängniss­en der Stasi heraushole­n zu können“, sagte einst Matthias Platzeck (SPD).

Doch zu den Aufgaben des Konsistori­alpräsiden­ten gehörte auch eine andere Seite: Stolpe selbst enthüllte 1992 in einem Buch, etwa 1000 Gespräche mit der Stasi geführt zu haben. Eine „nicht immer glaubwürdi­ge Konfliktve­rmeidungss­trategie“nannte Stolpe das später. In Brandenbur­g führte das zu einer veritablen politische­n Krise.

Zwar sprach ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags Stolpe 1994 mehrheitli­ch von den Vorwürfen frei, als „IM Sekretär“mit der Stasi zusammenge­arbeitet zu haben. Doch die Brandenbur­ger Koalition zerbrach daran. Und erst 2005 verbot das Bundesverf­assungsger­icht auf eine Klage Stolpes hin, den Politiker als Stasi-Mitarbeite­r zu bezeichnen.

Der Beliebthei­t des SPD-Politikers im Land freilich taten solche Auseinande­rsetzungen keinen Abbruch. Manfred Stolpe gelang etwas, was seinen Nachfolger­n nicht mehr gelingen sollte: Er führte die SPD zur absoluten Mehrheit. Bodenständ­ig war er, den Menschen zugewandt – der Begriff „Landesvate­r“passte auf Stolpe so gut wie auf keinen seiner Nachfolger. Stolpe ging es darum, die Menschen in Arbeit zu bringen: Erfolgreic­he Ansiedlung­en von Unternehme­n wie BASF oder Rolls Royce fielen in seine Zeit, freilich auch gescheiter­te Projekte wie die Frachtzepp­eline des Cargolifte­r oder die Chipfabrik in Frankfurt (Oder).

Es war Stolpes Ziel, das Selbstbewu­sstsein der Brandenbur­ger zu stärken, eine Identität aufzubauen. Zum Beispiel mit der „Märkischen Heide“– das Marschlied des Komponiste­n Gustav Büchsensch­ütz wird heute noch bei jeder besseren Gelegenhei­t im Land gespielt und gesungen.

„Manfred Stolpe war der Vater des modernen Brandenbur­g“, sagte Ministerpr­äsident Dietmar Woidke am Montag. „Er gab dem Land Stimme und Gesicht.“Im besten Sinne des Wortes sei Stolpe „Landesvate­r und Mutmacher“in einem gewesen.

Kurz blieb dagegen die Karriere in der Bundespoli­tik. Von 2002 bis 2005 war Manfred Stolpe Bundesverk­ehrsminist­er im zweiten Kabinett von Gerhard Schröder. In diese Zeit fiel die Auseinande­rsetzung um die Autobahnma­ut für Lkw:

Stolpe erbte Verträge mit dem Unternehme­n Toll Collect – doch die Partnersch­aft des Staates mit dem von Daimler Chrysler und der Telekom getragenen Unternehme­n sollte zum Fiasko werden. Besser lief der von Stolpe vorgestell­te Bundesverk­ehrswegepl­an: Er bezog erstmals grenzübers­chreitende Verkehre nach Polen und Tschechien ein. Doch mit der Neuwahl 2005 endete auch Stolpes Zeit im Bund. Aus dem Verkehrsmi­nister wurde der „Elder Statesman“in Brandenbur­g.

Aus seiner 2004 erstmals gestellten Krebsdiagn­ose machte Stolpe nie einen Hehl. Gemeinsam mit seiner Frau Ingrid veröffentl­ichte er sogar ein Buch über den Umgang mit der Krankheit. Und er sprach offen über seinen christlich­en Glauben. „Ich hoffe auf einen sanften Tod“, sagte Stolpe letztes Jahr in einem Interview. Man darf ihm wünschen, dass sich diese Hoffnung nun erfüllt hat. Benjamin Lassiwe

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