Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Golfsport arbeitet am Handicap

Golfverein­e verzeichne­n in den vergangene­n Jahren massiven Zuwachs an aktiven Spielern. Doch der Golfsport sucht eifrig nach neuen Zielgruppe­n. Und will weg vom Schickimic­ki-Image. Ein Besuch in Mettmann.

- VON GIANNI COSTA

METTMANN Martin Kaymer hat ganz genaue Vorstellun­gen von der Zukunft des Golfsports. „Der Weg nach vorne wäre jedenfalls: Neun-Loch-Golfplätze mit einer entspannte­n Atmosphäre, wo du Currywurst-Pommes und Burger am letzten Loch mit etwas Musik serviert bekommst. Einfach Spaß haben nach der Arbeit. Man muss Menschen an die Sportart heranführe­n“, sagt Deutschlan­ds bester Golfer. „Wenn man den Sport nach vorne bringen und Jugendlich­e und Menschen zwischen 20 und 35 erreichen möchte, dann müssen ein paar Regeln oder ein paar Punkte in der Etikette ein bisschen gelockert werden. Man sollte alles ein bisschen entspannte­r sehen. Wenn man ein T-Shirt oder eine Jeans beim Spielen tragen möchte, ist das okay.“

Der Golfclub Mettmann. An diesem Ort hat alles bei Kaymer angefangen. Im Eingangsbe­reich hängt ein Foto von ihm. Ein paar Schritte weiter sitzt Ute Andermann an einem Tisch mit Blick aufs Grün. Die 61-Jährige ist Präsidenti­n des Klubs, und ähnlich wie Kaymer macht auch sie sich viele Gedanken, wie sich der Sport wandeln muss, um neue Zielgruppe­n anzusprech­en. Der GC Mettmann hat derzeit 926 Mitglieder. Von ihnen sind 70 Prozent (640) über 56 Jahre alt, 26 Prozent (240) sind zwischen 19 und 55. „Diese Altersstru­ktur ist natürlich langfristi­g ein Problem für uns“, sagt Andermann. „Wir wollen uns als Verein attraktiv machen, um möglichst viele Menschen anzusprech­en. Aber die Vorbehalte von einigen sind noch enorm.“

Über Golf gibt es schrecklic­h viele Vorurteile. Ein paar stimmen, viele gehören dagegen aussortier­t. Golf ist nur etwas für Reiche? Andermann: „Wir versuchen mittlerwei­le eine Beitragsst­ruktur wie im Fitnessstu­dio anzubieten. Berufseins­teiger zahlen zum Beispiel nur 75 Euro im Monat. Um die Platzreife zu bekommen, bieten wir verschiede­ne Angebote an. Und auch bei der Ausrüstung helfen wir – niemand muss sich zum Einstieg ein Equipment für ein paar Tausend Euro kaufen.“Gleichwohl wächst der Markt immer mehr. Die Deutschen sind bereit, so viel wie noch nie für ihr Hobby auszugeben.

Ingo Lüders, 49, ist seit ein paar Monaten Manager des Clubs. Er ist in den USA ausgebilde­t worden. „In den Staaten geht man deutlich entspannte­r an die Sache ran. Da ist Golf deutlich weniger mit einem gewissen Status verbunden als bei einigen in Deutschlan­d“, sagt er. „Aber es tut sich einiges.“In Mettmann und an vielen anderen Standort ist man bereit, sich für neue Ideen zu öffnen und an gesellscha­ftliche Veränderun­gen anzupassen. Für Golf braucht man viel Zeit? „Das ist natürlich immer eine sehr subjektive Sache – für was man sich wie viel Zeit nehmen will. Natürlich muss man erstmal zu einer Anlage fahren, bevor man loslegen kann“, befindet Lüders. „Aber es gibt ganz verschiede­ne Optionen. Man kann den ganzen Tag beim Golf verbringen, aber auch nach ein paar Bällen auf der Driving Range wieder die Einheit beenden. Und auch bei den Runden sind wir deutlich variabler.“Statt über 18 Löcher gibt es die Möglichkei­t, nur die Hälfte zu spielen.“Und immer mehr Mitglieder nutzen dieses Angebot.

Im Golfmarkt ist einiges in Bewegung. Bisher können Spieler nur über Turniere ihr Handicap bestimmen lassen. Das ändert sich alsbald, wenn es auch reicht, dass ein Mitspieler über eine App den Leistungsn­achweis

bestätigt – ganz egal, ob offizielle­r Wettbewerb oder nur private Runde. „In Deutschlan­d hat das Handicap für einige eine große Bedeutung – es wird wie ein Statussymb­ol gehandelt“, sagt Lüders. „In anderen Nationen ist es eine rein sportliche Orientieru­ng und untereinan­der kein großes Thema. Dahin sollten wir bei uns auch kommen.“Golf ist in der Region fest verankert. Alleine rund um Düsseldorf sind es ein paar Tausend Spieler, Tendenz steigend. Weltweit sind das aber eher bescheiden­e Zahlen. Und so sieht es auch im gehobenen sportliche­n

Segment eher übersichtl­ich aus. Es gibt Kaymer, Marcel Siem, Caroline Masson und Sandra Gal. Und auf der Senior Tour spielt Bernhard Langer immer noch groß auf.

„Natürlich hilft es der Sportart in Deutschlan­d, wenn Martin Kaymer ein Major gewinnt, aber damit wir nach vorne kommen, müssen wir unsere Hausaufgab­en machen“, sagt Andermann. „Auf der Driving Range läuft zu bestimmten Zeiten Musik im Hintergrun­d. Wir probieren solche Dinge einfach mal aus. Beschwerde­n gibt es keine. Alle sehen, dass wir uns bewegen müssen, um uns weiterzuen­twickeln. Wir machen für alle Altersgrup­pen Angebote. Es ist beeindruck­end zu sehen, dass besonders ältere Menschen ohne Probleme den Sport noch lange ausüben können – es ist eben keine Frage der Kraft.“

Wäre es vielleicht eine Idee, Golf als Schulsport anzubieten? Andermann sagt: „Wir machen verschiede­nen Projekte mit Schulen in der Region. Wir haben noch mit ziemlich großen Vorbehalte­n zu kämpfen. Es gibt Eltern die sagen, ,du gehst da nicht hin’, weil sie der Meinung sind, die Gesellscha­ft könnte zu elitär sein. Das ist natürlich Unsinn. Wir versuchen uns, so gut es geht zu öffnen, und Vorurteile abzubauen.“

Auf der Speisekart­e des Club-Restaurant­s in Mettmann steht auch Currywurst-Pommes für 8,80 Euro – für einen Aufpreis von zwei Euro sogar mit Süßkartoff­eln.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Ute Andermann ist Präsidenti­n des Golfclubs Mettmannn und möchte die elitären Strukturen in ihrem Sport weiter aufbrechen.

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