Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Auch die Lenneper und Lüttringhauser möchte ich als Neubürger der Großstadt Remscheid begrüßen“
Mit einem zwölfstündigen Fest wurde im August der Jahrestag als Großstadt zelebriert.
Die Programmpunkte der Feierlichkeiten waren bunt – so wie die Stadtbevölkerung selbst. Mit blauen und weißen Ballons, den Stadtfarben Remscheids, waren die grünen Laternen auf dem Theodor-Heuss-Platz geschmückt. Einige bergische Löwen, die 2014 anlässlich der Parade zum 85. Geburtstag der Stadt das Licht der Welt erblickten, standen ebenfalls als Blickfang um den großen Rathauslöwen auf der Säule. Ein modernes Bungee-Trampolin und ein historisches Pferdekarussell in unmittelbarer Nähe zueinander deuteten das Thema an, unter das das Stadtmarketing die Geburtstagsfeier gestellt hatte. Früher und heute, eine Stadt im Wandel, eine bunte Großstadt.
Eine alte Litfaßsäule mit Werbeplakaten früherer Zeiten und eine moderne Fotobox, in der sich Besucher vor historischer Kulisse ablichten lassen konnten, flankierten den Weg ins Rathaus. Auch dort zeichneten sich Vergangenheit und Gegenwart ab: Während die Schilder der Büros für die anstehende historische Führung durch solche in Sütterlinschrift ersetzt wurden, fuhr ein kleiner, hochmoderner Roboter mit einem Tablett durch die Flure des Rathauses und bot den Gästen Schokoriegel an. „Ich finde es sehr schön gemacht, mit vielen unterschiedlichen Angeboten für jede Altersgruppe“, urteilte Besucher Felix Martins.
Der 38-jährige Remscheider interessierte sich – so wie rund 100 weitere Gäste, die sich im Rathaus-Foyer einfanden – vor allem für die bevorstehende Führung von Dr. Urs Diederichs. Der ehemalige Leiter des Historischen Zentrums in Hasten lud als Assessor Dr. Borcherding zu einer Zeitreise ins Jahr der Großstadtgründung 1929 ein und tat so, als ob die Besucher die frisch eingemeindeten Bürger Remscheids wären. Das 1906 erbaute Rathaus stellte er ihnen mit launigen Anekdoten vor: „Sind denn auch Lenneper und Lüttringhauser unter uns?“, fragte Diederichs von einer Fensterbank aus stehend, um sich in der großen Menge Gehör zu verschaffen. Einige Besucher zeigten auf. „Auch Sie möchte ich als Neubürger der Großstadt Remscheid begrüßen.“Die Leute schmunzelten. Vor dem Stadtsteueramt erfuhren die Teilnehmer, dass die Steuerbelastung in der Großstadt Remscheid niedriger war als in Lennep, dafür etwas höher als in Lüttringhausen. „Aber wir erheben hier auch die Schank- und Konzessionssteuer, die Biersteuer. Also trinken sie ordentlich, dann verdienen wir mit.“
Dass der Keller des Rathauses in seinen frühen Jahren als Gefängnis und Obdachlosenheim
Dr. Urs Diederichs
genutzt wurde, erfuhren die Führungsteilnehmer ebenfalls. 1929 etwa wurden 20 festgenommene Personen untergebracht, bis zu 4000 Obdachlose nahm das Rathaus im selben Jahr auf. Die Tour führte in die übrigen Etagen, in den Ratssaal oder ins Bürgermeisterzimmer, die Diederichs dank seiner Redekunst und den Anekdoten mit Leben füllte.
Im weiteren Verlauf des Nachmittags fanden sich immer mehr Besucher auf dem Rathausplatz ein, wo Formationen wie die „Jimmy Rockford Band“oder „YouWho“für Stimmung sorgten. Entgegen aller Erwartungen fand die 20er-Jahre-Party im Rathaus-Foyer kaum Zuspruch. Nur wenige Gäste hatten sich mit Frack und Fransenkleid in Schale geworfen. Die meisten blieben auf dem Platz vor der Bühne. „Eigentlich schade“, fand Besucherin Sarah im 20er-Jahre-Outfit, die umdisponierte und statt zu Swing zu Rockmusik auf dem Rathausplatz tanzte.