Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
So kam Rade in das „Spiel ohne Grenzen“
2020 werden Erinnerungen wach ans Jahr 1970. Damals wurde Radevormwald europaweit bekannt – durch eine Fernseh-Show.
RADEVORMWALD 50 Jahre ist es in diesem Jahr her, als die ganze Nation gemeinsam mit den Einwohnern von Radevormwald vor den TV-Bildschirmen mitfieberte. In der berühmten Arena von Verona, wo sonst Opernspektakel das Publikum begeistern, trat eine Mannschaft aus der Bergstadt bei der Eurovisions-Show „Spiel ohne Grenzen“an – gegen Teams aus sechs anderen europäischen Ländern.
Auf dem ganzen Kontinent buchstabierten die Fernsehzuschauer erstmals den Namen der Kleinstadt aus dem Bergischen Land – und wer weiß, manche schlugen vielleicht sogar im Lexikon nach, denn Wikipedia gab es damals noch nicht.
Als die Radevormwalder Mannschaft in Verona schließlich einen beachtlichen dritten Platz holte, war das der Abschluss einer langen, mühsamen, aber am Ende erfolgreichen Zeit der Bewerbungen und der Vorentscheidungen. Denn zunächst einmal mussten sich die Bergischen gegen Mitbewerber auf Bundesebene durchsetzen. In diesem Fall fiel die Entscheidung im Wettstreit gegen Bocholt im Mai 1970. Natürlich
Hartmut Behrensmeier Teammitglied in Avignon
war die Bergische Morgenpost als Berichterstatter immer nah dran am Geschehen. Lutz Aldermann, Sohn des ersten Radevormwalder BM-Redakteurs Hans Aldermann, hat in seinem Archiv zahlreiche Berichte dazu aufbewahrt – und ist auf ein besonderes Fundstück gestoßen, das zeigt, wie schwierig es war, überhaupt an dem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Es handelt sich um die Kopie eines Schreibens des Westdeutschen Rundfunks, das an den Heimat- und Verkehrsverein im Jahr 1967 ging. Die Radevormwalder hatten angefragt, ob sie beim Wettbewerb im Jahr 1968 dabei sein könnten. Das sei leider nicht möglich, teilte die Sendeleitung in Köln mit. 38 deutsche Städte hätten sich beworben, die Stadt Radevormwald könne leider dieses Mal nicht dabei sein. „Ich habe aber veranlasst, dass sie in den Kreis der Bewerber für 1969 aufgenommen wird“, schrieb Hans Joachim Lange, der damalige Direktor des WDR.
1970 hatte sich die Zähigkeit der Radevormwalder dann endlich gelohnt. Und als es um die Qualifikation für die Zwischenrunde ging, die im französischen Avignon stattfand, verwiesen die Bergischen die Konkurrenz aus Bocholt auf den zweiten Platz. Die BM schrieb, dass „unbeschreiblicher Jubel“eine „fast ins Unerträgliche gesteigerte Spannung“ablöste, als „buchstäblich in letzter Sekunde“die Rader Mannschaft „mit einem furiosen Wettlauf mit dem Superbett sich den Sieg“gesichert hatte.
Für Radevormwald war das auch eine großartige Werbung, erinnert sich Hartmut Behrensmeier, ehemaliger Leiter der Wirtschaftsförderung. Im Jahr 2003 hatte er ein Wiedersehen der damaligen Konkurrenten in Bocholt organisiert, eine Revanche sozusagen. Behrensmeier selber nahm als Team-Mitglied am Wettbewerb in Avignon teil, „aber in Verona war ich nur
Zuschauer“, sagt er. Dort, im großen Finale, gehörte zum Team unter anderem die Leichtathletin Heide Ecker-Rosendahl, die zwei Jahre später bei den Olympischen Spielen zwei Mal Gold und einmal Silber gewann.
In Verona trat die Mannschaft aus Radevormwald an gegen die Teams aus Verviers (Belgien), Great Yarmouth (Großbritannien), Aix-lesBains (Frankreich), Alpen a.d. Rijn (Niederlande), Como (Italien) und Vervey (Schweiz).
Moderiert wurde „Spiel ohne Grenzen“damals von Camillo Felgen und dem jungen Frank Elstner. Als es 2003 das erwähnte Wiedersehen in Bocholt gab, war auch Camillo Felgen als Gast mit von der Partie. Hartmut Behrensmeier erinnert sich gerne an die Begegnung mit dem Sänger und Moderator aus Luxemburg: „Das war ein sehr angenehmer Mensch und absolut seriös.“
Übrigens hatten die Bocholter auch im Jahr 2003 gegen die Radevormwalder keine Chance. Sie verpassten um vier Punkte Rückstand die Gelegenheit, die Scharte von 1970 auszuwetzen. Bei diesem Wiedersehen mit dabei waren der ehemalige Trainer Fritz Krumm, Bernd, Lothar, Volker und Nika Reinbott, Ulrich Rüsing, Dietmar Helmich, Axel Reichenberg und Ute Butz.
Was vor 17 Jahren als entspannte Nostalgie-Veranstaltung stattfand, war 1970 ein Wettbewerb, den man trotz der lustigen Spiele sehr ernst nahm. Schon vor dem 16. Mai, als im Rahmen einer Live-Sendung in Radevormwald die Entscheidung gegen Bocholt fiel, gab es kaum ein anderes Thema in der Stadt. „Im Rathaus gibt es jetzt schon ständig Anfragen von auswärts nach Karten“, schrieb die BM. „Das Fernsehteam wird sich schon Tage vor der Sendung in Radevormwald aufhalten. Deshalb muss das Betten-Angebot überprüft werden.“Die Stadt hatte ab dem 3. Mai dem WDR das Hausrecht der Sportplatzanlagen am Kollenberg übertragen.
Damit nicht genug: Rudolf Schwanz hatte für die Veranstaltung ein Emblem geschaffen, das „in Kürze in einem Sonderstempel der Bundespost benutzt wird“, schrieb BM-Redakteur Hans Aldermann. „Den gleichen Werbestempel werden auch Stadt und Sparkasse verwenden, um damit überall im Land auf diese Sendung hinzuweisen, die schließlich das Image von Radevormwald aufbessern soll.“
Sicher ist: Für viele Radevormwalder ist die Teilnahme an „Spiel ohne Grenzen“unvergesslich geblieben.
„Camillo Felgen war ein sehr angenehmer Mensch“