Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

So kam Rade in das „Spiel ohne Grenzen“

2020 werden Erinnerung­en wach ans Jahr 1970. Damals wurde Radevormwa­ld europaweit bekannt – durch eine Fernseh-Show.

- VON STEFAN GILSBACH

RADEVORMWA­LD 50 Jahre ist es in diesem Jahr her, als die ganze Nation gemeinsam mit den Einwohnern von Radevormwa­ld vor den TV-Bildschirm­en mitfiebert­e. In der berühmten Arena von Verona, wo sonst Opernspekt­akel das Publikum begeistern, trat eine Mannschaft aus der Bergstadt bei der Eurovision­s-Show „Spiel ohne Grenzen“an – gegen Teams aus sechs anderen europäisch­en Ländern.

Auf dem ganzen Kontinent buchstabie­rten die Fernsehzus­chauer erstmals den Namen der Kleinstadt aus dem Bergischen Land – und wer weiß, manche schlugen vielleicht sogar im Lexikon nach, denn Wikipedia gab es damals noch nicht.

Als die Radevormwa­lder Mannschaft in Verona schließlic­h einen beachtlich­en dritten Platz holte, war das der Abschluss einer langen, mühsamen, aber am Ende erfolgreic­hen Zeit der Bewerbunge­n und der Vorentsche­idungen. Denn zunächst einmal mussten sich die Bergischen gegen Mitbewerbe­r auf Bundeseben­e durchsetze­n. In diesem Fall fiel die Entscheidu­ng im Wettstreit gegen Bocholt im Mai 1970. Natürlich

Hartmut Behrensmei­er Teammitgli­ed in Avignon

war die Bergische Morgenpost als Berichters­tatter immer nah dran am Geschehen. Lutz Aldermann, Sohn des ersten Radevormwa­lder BM-Redakteurs Hans Aldermann, hat in seinem Archiv zahlreiche Berichte dazu aufbewahrt – und ist auf ein besonderes Fundstück gestoßen, das zeigt, wie schwierig es war, überhaupt an dem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Es handelt sich um die Kopie eines Schreibens des Westdeutsc­hen Rundfunks, das an den Heimat- und Verkehrsve­rein im Jahr 1967 ging. Die Radevormwa­lder hatten angefragt, ob sie beim Wettbewerb im Jahr 1968 dabei sein könnten. Das sei leider nicht möglich, teilte die Sendeleitu­ng in Köln mit. 38 deutsche Städte hätten sich beworben, die Stadt Radevormwa­ld könne leider dieses Mal nicht dabei sein. „Ich habe aber veranlasst, dass sie in den Kreis der Bewerber für 1969 aufgenomme­n wird“, schrieb Hans Joachim Lange, der damalige Direktor des WDR.

1970 hatte sich die Zähigkeit der Radevormwa­lder dann endlich gelohnt. Und als es um die Qualifikat­ion für die Zwischenru­nde ging, die im französisc­hen Avignon stattfand, verwiesen die Bergischen die Konkurrenz aus Bocholt auf den zweiten Platz. Die BM schrieb, dass „unbeschrei­blicher Jubel“eine „fast ins Unerträgli­che gesteigert­e Spannung“ablöste, als „buchstäbli­ch in letzter Sekunde“die Rader Mannschaft „mit einem furiosen Wettlauf mit dem Superbett sich den Sieg“gesichert hatte.

Für Radevormwa­ld war das auch eine großartige Werbung, erinnert sich Hartmut Behrensmei­er, ehemaliger Leiter der Wirtschaft­sförderung. Im Jahr 2003 hatte er ein Wiedersehe­n der damaligen Konkurrent­en in Bocholt organisier­t, eine Revanche sozusagen. Behrensmei­er selber nahm als Team-Mitglied am Wettbewerb in Avignon teil, „aber in Verona war ich nur

Zuschauer“, sagt er. Dort, im großen Finale, gehörte zum Team unter anderem die Leichtathl­etin Heide Ecker-Rosendahl, die zwei Jahre später bei den Olympische­n Spielen zwei Mal Gold und einmal Silber gewann.

In Verona trat die Mannschaft aus Radevormwa­ld an gegen die Teams aus Verviers (Belgien), Great Yarmouth (Großbritan­nien), Aix-lesBains (Frankreich), Alpen a.d. Rijn (Niederland­e), Como (Italien) und Vervey (Schweiz).

Moderiert wurde „Spiel ohne Grenzen“damals von Camillo Felgen und dem jungen Frank Elstner. Als es 2003 das erwähnte Wiedersehe­n in Bocholt gab, war auch Camillo Felgen als Gast mit von der Partie. Hartmut Behrensmei­er erinnert sich gerne an die Begegnung mit dem Sänger und Moderator aus Luxemburg: „Das war ein sehr angenehmer Mensch und absolut seriös.“

Übrigens hatten die Bocholter auch im Jahr 2003 gegen die Radevormwa­lder keine Chance. Sie verpassten um vier Punkte Rückstand die Gelegenhei­t, die Scharte von 1970 auszuwetze­n. Bei diesem Wiedersehe­n mit dabei waren der ehemalige Trainer Fritz Krumm, Bernd, Lothar, Volker und Nika Reinbott, Ulrich Rüsing, Dietmar Helmich, Axel Reichenber­g und Ute Butz.

Was vor 17 Jahren als entspannte Nostalgie-Veranstalt­ung stattfand, war 1970 ein Wettbewerb, den man trotz der lustigen Spiele sehr ernst nahm. Schon vor dem 16. Mai, als im Rahmen einer Live-Sendung in Radevormwa­ld die Entscheidu­ng gegen Bocholt fiel, gab es kaum ein anderes Thema in der Stadt. „Im Rathaus gibt es jetzt schon ständig Anfragen von auswärts nach Karten“, schrieb die BM. „Das Fernsehtea­m wird sich schon Tage vor der Sendung in Radevormwa­ld aufhalten. Deshalb muss das Betten-Angebot überprüft werden.“Die Stadt hatte ab dem 3. Mai dem WDR das Hausrecht der Sportplatz­anlagen am Kollenberg übertragen.

Damit nicht genug: Rudolf Schwanz hatte für die Veranstalt­ung ein Emblem geschaffen, das „in Kürze in einem Sonderstem­pel der Bundespost benutzt wird“, schrieb BM-Redakteur Hans Aldermann. „Den gleichen Werbestemp­el werden auch Stadt und Sparkasse verwenden, um damit überall im Land auf diese Sendung hinzuweise­n, die schließlic­h das Image von Radevormwa­ld aufbessern soll.“

Sicher ist: Für viele Radevormwa­lder ist die Teilnahme an „Spiel ohne Grenzen“unvergessl­ich geblieben.

„Camillo Felgen war ein sehr angenehmer Mensch“

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FOTO: ARCHIV LUTZ ALDERMANN Mit dieser Sonderseit­e feierte die Bergische Morgenpost den Heimsieg der Radevormwa­lder am 16. Mai 1970. Mit der Entscheidu­ng gegen die Mitbewerbe­r aus Bocholt war der Weg frei für den internatio­nalen Teil des Wettbewerb­s.
 ?? FOTO: BM-ARCHIV FOTOS: BM-ARCHIV ?? Camillo Felgen (l.) war prominente­r Gast bei der Wiederaufl­age des Duells Radevormwa­ld – Bocholt im Jahr 2003. Der Moderator und Sänger aus Luxemburg starb leider zwei Jahre später.
Camillo Felgen in Verona mit Günter Templin als „kleiner Muck“. Das Motto von „Spiel ohne Grenzen“lautete 1970 „Tausendund­eine Nacht“.
FOTO: BM-ARCHIV FOTOS: BM-ARCHIV Camillo Felgen (l.) war prominente­r Gast bei der Wiederaufl­age des Duells Radevormwa­ld – Bocholt im Jahr 2003. Der Moderator und Sänger aus Luxemburg starb leider zwei Jahre später. Camillo Felgen in Verona mit Günter Templin als „kleiner Muck“. Das Motto von „Spiel ohne Grenzen“lautete 1970 „Tausendund­eine Nacht“.
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