Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
NRW stemmt sich gegen neue Schuldenpläne
SPD, Gewerkschaften und Institute raten zu Milliardeninvestitionen auf Pump. Die Landesregierung will das um jeden Preis verhindern.
DÜSSELDORF/BERLIN In der von der SPD-Spitze angestoßenen Debatte um schuldenfinanzierte Investitionen geht die Landesregierung Nordrhein-Westfalens auf Distanz. Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) sagte unserer Redaktion: „Das Nadelöhr sind nicht die Finanzen, sondern die Planungskapazitäten.“Auch Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) ist skeptisch: „Die vorhandenen Milliarden sind erst einmal umzusetzen. Es steht ausreichend Geld zur Verfügung. Alles andere sind Scheindebatten.“
Die SPD mit ihren neuen Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatte massive Investitionen von rund 450 Milliarden Euro gefordert und die schwarze Null, also den ausgeglichenen Haushalt, wie auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse infrage gestellt. Für den Kampf gegen marode Bahnstrecken, defekte Schultoiletten und Funklöcher wollen sie zur Not Kredite aufnehmen. Auch Gewerkschaften und Wirtschaftsinstitute hatten die Abkehr von der strengen Anti-Schulden-Politik zugunsten von Investitionen gefordert. Wirtschaftsvertreter und Unionspolitiker sehen darin aber keinen Widerspruch und wollen am Prinzip der schwarzen Null festhalten.
Neben der Schuldenbremse, die weiterhin Kredite in kleinem Umfang erlaubt, steht die schwarze Null für einen Haushalt ohne Neuverschuldung.
Seit 2014 ist sie im Bund Realität. Zugleich plant die Bundesregierung für 2020 mit 43 Milliarden Euro Investitionen – ein Höchststand. Sie fließen vor allem in Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum, Bildung und Forschung. Mehr als 50 Milliarden Euro sind in den kommenden Jahren für den Klimaschutz verplant.
Finanzminister Olaf Scholz, der gegen Esken und Walter-Borjans ins Rennen um den sozialdemokratischen Parteivorsitz gegangen war, hatte stets an der schwarzen Null festgehalten. Nach seiner Niederlage hatte aber auch er betont, dass es mit ihm selbst bei sinkenden Steuereinnahmen kein Zurückfahren der Investitionen geben werde – was teils als Abkehr von seinen bisherigen Leitsätzen gesehen wurde.
NRW kämpft unterdessen mit Engpässen bei den Planungskapazitäten. So verlief beispielsweise der Abruf von Fördergeld für die Sanierung von Schulgebäuden zuletzt auch deshalb schleppend, weil es in vielen Kommunen an Fachkräften fehlte, die das Geld fristgerecht hätten verplanen können. Weil das auch anderen Ländern so geht und das Geld anderswo nicht eingeplant worden war, bekam NRW 2019 für Autobahnen und Bundesstraßen rund 65 Millionen Euro mehr vom Bund als vorgesehen. Insgesamt flossen im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro aus Berlin für Bundesfernstraßenprojekte nach NRW.
Auch in die Digitalisierung wird 2020 in NRW weiter investiert – über alle Ressorts hinweg. Das Wirtschaftsministerium plant beispielsweise allein für die Förderung des schnellen Internets 114,3 Millionen Euro ein, Breitbandanschlüsse an Schulen und kommunale W-Lan-Hotspots sollen zusätzlich mit 25 Millionen gefördert werden. Gleichzeitig wird die Digitalisierung der Landesverwaltung vorangetrieben. Waren 2017 erst 38 Millionen Euro dafür bereitgestellt worden, sind es in diesem und den kommenden Jahren rund 90 Millionen.