Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Teherans gefährlichster General ist tot
Ghassem Soleimani war der wichtigste Vertreter des iranischen Militärs im Ausland. Seine Tötung durch das US-Militär wird nicht ohne Folgen bleiben
BAGDAD Seine eiskalten Augen machten ihn unvergesslich, als er im Herbst 2009 in der Lobby des Bagdader Hotels Mansour am Tigrisufer auftauchte. Umgeben von einer Entourage aus Sicherheitskräften in iranischen Uniformen, schritt der Mann aus Teheran mit den schmalen Lippen, den ergrauten Schläfen und den gepflegten Händen in einen der Konferenzräume in der ersten Etage. Das Hotelpersonal tuschelte. Schon damals war Ghassem Soleimani berühmt und berüchtigt. Schon damals klebte unendlich viel Blut an seinen Händen. Den „Schlächter von Bagdad“nannten ihn diejenigen, die ihn ablehnten, den „Herrscher von Bagdad“diejenigen, die ihn bewunderten. Und so ist es bis heute geblieben: Die einen hassten ihn, andere liebten ihn. Gleichgültig blieb niemand, wenn sein Name fiel. Freitagfrüh, noch vor Tagesanbruch, haben amerikanische Raketen einen Fahrzeugkonvoi unmittelbar am Frachtterminal des Bagdader Flughafens getroffen, in dem der iranische General zusammen mit dem stellvertretenden Leiter der schiitischen Volksmobilisierungskräfte Hasched al Schaabi Abu Mahdi al Muhandis, saß. Beide Männer und fünf weitere sind tot. Angeblich kam Soleimani gerade aus Beirut, und Muhandis holte ihn vom Flughafen ab.
Mit dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak Ende 2011 begann der Aufstieg des Ghassem Soleimani in der gesamten Region. Bis dahin koordinierte er die Aktivitäten der im Iran gegründeten Al-Kuds-Brigaden, die für Ausländseinsätze zuständig sind, und nahm im Irak Einfluss auf die aus dem iranischen Exil nach dem Sturz Saddam Husseins zurückgekehrten Badr-Brigaden, die mittlerweile zu einer politischen Partei geworden sind und in der Regierung in Bagdad mitmischen. Auch Moktada al Sadr, der zornige Schiitenrebell mit seiner Mahdi-Miliz, wurde von Soleimani unterstützt, als er mit den irakischen Widerständlern Anschläge auf US-Truppen verübte. Sadr brüstete sich später damit, 6000 Attacken gegen die Amerikaner verübt zu haben. Dass er dabei Hilfe aus dem Iran bekam, blieb lange geheim.
Wie überhaupt die Aktivitäten von Soleimani im Irak. Der Iran war ausgesprochen wortkarg, was den Einsatz der Revolutionsgardisten und ihres Chefs im Ausland angeht. Erfolg bedeutete für sie auch, dass wenig über ihr Engagement bekannt wurde – sei es im Irak, in Syrien, im Libanon oder im Gazastreifen.
Erst 2013 berichtete der „New Yorker“über Aktivitäten von Al Kuds im Irak, die zeitweise von den Amerikanern toleriert wurden, um sunnitische Aufständische zu bekämpfen. Spät auch wurde der zunehmende Einsatz der Brigaden unter der Führung Soleimanis in Syrien bekannt. Dort wurde die marode syrische Armee, die von Massendesertierungen geplagt war, zur schlagkräftigen Truppe umgekrempelt. Ihre Vorgehensweise stellte der Iraner von klassischer Kriegsführung auf moderne Guerillataktik um. Gleichzeitig schickte der General hochrangige iranische Revolutionsgardisten in den syrischen Bürgerkrieg, um dort Milizen auszubilden. Sie sollten die Armee unterstützen. Sah es jahrelang schlecht aus für den syrischen Machthaber Baschar al Assad, kann dieser nun in einem großen Teil des Landes seine Macht sichern – auch dank Soleimanis Hilfe.
Doch der große Durchbruch für die Stellung des 62-jährigen obersten Kuds-Brigadiers brachte die Terrormiliz IS. Der Zusammenschluss diverser schiitischer Milizen machte ihn zum unangefochtenen Helden. Denn Iran und Soleimanis Kuds-Brigaden traten früher in den Kampf ein als die Amerikaner mit ihrer Anti-IS-Koalition. Während Washington unter dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama bis zum Drama um Sindschar und die Jesiden mit der Reaktion wartete, Tikrit, Mossul und weite Teile des Nordirak schon als Kalifat bezeichnet wurden, hatte Ghassem Soleimani bereits im Juni 2014 reagiert, die Hasched-Milizen um sich geschart und den Vormarsch der sunnitischen Dschihadisten bei Samarra, 130 Kilometer nördlich von Bagdad, stoppen können. Dort hatte er sich ein Hauptquartier eingerichtet und koordinierte den Einsatz der Milizen. Wie in Syrien. Überschwänglich ließ er sich nach diversen Siegen über den IS von seinen irakischen Gefolgsleuten mit Jubeltänzen feiern. Plötzlich fanden sich entsprechende Videos auf Youtube. Soleimanis Gesicht wurde allseits bekannt. Den Ruhm als Irans gefährlichster General genoss er sichtlich.
Die Befreiung von Amirli machte ihn zum Star. Zwei Monate lang war die schiitisch-turkmenische Kleinstadt Amirli vom IS belagert worden, bevor es dort erstmals gelang, eine Stadt gegen den Ansturm der Dschihadisten zu verteidigen, ein
beachtlicher Erfolg unter Federführung Soleimanis. Inzwischen wurde der Generalmajor der Kuds-Brigaden als zweitwichtigster Mann Irans nach Großajatollah Ali Chamenei angesehen. Dem Einfluss des Iran im ehemals verfeindeten Nachbarland Irak schienen keine Grenzen gesetzt.
Die Tötung des Generals könnte jetzt auch ein Hinweis sein, dass die US-Regierung ihre bisherige Politik, sich weniger in der Region zu engagieren, neu bewertet. „Der Irak galt den Amerikanern seit ihrem Rückzug als kaum mehr denn ein gescheiterter Staat“, heißt es in der in London erscheinenden Zeitung „AlQuds al-Araby“. Jetzt wolle die Regierung in Washington offenbar wieder stärkere Präsenz zeigen.