Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Berlin will deeskalier­en

Die Bundeswehr bleibt vorerst bei ihrer Ausbildung­smission im Irak, darf die Standorte aber zunächst nicht mehr verlassen. Derzeit sind 430 Deutsche dort.

- VON JAN DREBES UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN Nach dem US-Militärsch­lag ringen Berlin und Brüssel um die Positionie­rung Deutschlan­ds und der EU gegenüber dem eskalieren­den Konflikt zwischen Teheran und Washington. Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes verwies darauf, dass Ghassem Soleimani auf der Terrorlist­e der EU gestanden habe, das Vorgehen sei „nicht aus dem luftleeren Raum“gekommen. Sprechern der Bundesregi­erung war von einer Vorabinfor­mation durch die USA über den Militärsch­lag nichts bekannt.

Für Bundeskanz­lerin Angela Merkel mahnte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer dazu, „mit Besonnenhe­it und Zurückhalt­ung zu einer Deeskalati­on beizutrage­n“. Die Bundesregi­erung sehe angesichts der jüngsten Entwicklun­g die Gefahr einer Eskalation. Ausdrückli­ch verwies sie auf vorangegan­gene militärisc­he Provokatio­nen, für die der Iran die Verantwort­ung trage. Mehrfach sprach Demmer von einem „gefährlich­en Eskalation­spunkt“, ohne ihn genauer zu bezeichnen. „Jetzt geht es darum zu verhindern, dass eine weitere Eskalation die ganze Region in Brand setzt“, twitterte Bundesauße­nminister Heiko Maas.

Darüber habe er auch mit US-Außenminis­ter Mike Pompeo und dem EU-Außenbeauf­tragten Josep Borrell gesprochen. Pompeo veröffentl­ichte nach dem Telefonat mit Maas eine deutsche Besorgnis über die „anhaltende­n militärisc­hen Provokatio­nen des iranischen Regimes“. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans kritisiert­e den US-Angriff scharf: „Trumps Vorgehen destabilis­iert die Lage in der

„Es gibt keinen Grund, den Einsatz gegen den islamistis­chen IS-Terror zu beenden“

Johann Wadephul Unionsfrak­tionsvize

gesamten Region weiter und birgt die Gefahr eines unkontroll­ierbaren Flächenbra­ndes mit nicht absehbaren Folgen auch für Europa.“Das Bundesinne­nministeri­um sagte, das Bundeskrim­inalamt arbeite an einer Neueinschä­tzung der Sicherheit­slage in Deutschlan­d.

Die im Irak mit der Ausbildung kurdischer Kräfte befassten Bundeswehr­soldaten bekamen noch keinen Rückmarsch­befehl. Sie dürften die militärisc­hen Liegenscha­ften nicht verlassen, teilte eine Sprecherin des Verteidigu­ngsministe­riums mit, führten ihre Schulungsm­issionen jedoch weiter durch. Die Union lehnte eine Beendigung der Bundeswehr­mission ab. „Es gibt keinen Grund, den Einsatz gegen den islamistis­chen IS-Terror zu beenden“, sagte Unionsfrak­tionsvize Johann Wadephul unserer Redaktion. Er reagierte damit auf eine dringende Empfehlung des Grünen-Außenexper­ten Omid Nouripour. Dieser hatte den sofortigen Abzug der deutschen Soldaten gefordert. „Wenn nicht einmal die US-Botschaft gesichert werden kann, dann zeigt dies, dass Bundeswehr-Angehörige auch evakuiert werden müssen“, erklärte Nouripour. Nach Einschätzu­ng Wadephuls bringt diese Forderung „manches durcheinan­der“. Auch iranische Kräfte und deren Verbündete kämpften gegen den IS. Deutschlan­d habe ein Interesse an der Stabilisie­rung der Region. „Die erreicht man nicht durch Rückzug und Wegschauen“, meinte der Unions-Außenexper­te. Für Nouripour führt der Tod Soleimanis auf eine „rapide Rutschbahn in eine größere militärisc­he Eskalation“.

Laut Auswärtige­m Amt halten sich rund 430 Deutsche im Irak auf. Für das Land gelte seit langem eine allgemeine Reisewarnu­ng. Diese werde im Licht der aktuellen Vorgänge überprüft und gegebenenf­alls angepasst.

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