Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Trump spricht von Präventivs­chlag

Laut US-Außenminis­terium plante Soleimani einen Anschlag. Kritiker werfen dem Präsidente­n vor, er provoziere eine Verschärfu­ng der Lage im Nahen Osten.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Kaum war der Tod Ghassem Soleimanis publik geworden, sprach Mark Esper von einer „entschiede­nen Defensivak­tion“. Der iranische General habe Attacken gegen Diplomaten und Soldaten der USA vorbereite­t, nicht nur im Irak, sondern im gesamten Nahen Osten. Das habe man verhindern wollen, erklärte der Verteidigu­ngsministe­r, deshalb habe man gehandelt. Mit Donald Trumps Entscheidu­ng, Soleimani zu töten, sei das Leben Hunderter, wenn nicht Tausender Amerikaner gerettet worden, legte Mike Pompeo nach.

Es ist eine Darstellun­g, die bei kundigen Beobachter­n auf Skepsis und Widerspruc­h stößt. Falls es Hinweise gab, dass Soleimani Angriffe auf US-Soldaten im Irak plante, wäre präventive­s Handeln vertretbar, räumt Richard Haass, der realpoliti­sch-konservati­ve Direktor des Thinktanks Council on Foreign Relations, in einem Tweet ein. „Klug zu handeln ist allerdings etwas anderes.“Denn nun drohe eine Spirale der Eskalation, die womöglich in einem Krieg ende. Es wäre ironisch und tragisch, bringt es der Republikan­er auf den Punkt, würde ausgerechn­et ein Präsident, der die US-Militärprä­senz

in Nahost verringern wollte, eine Dynamik in Gang setzen, die Amerika noch tiefer hineinzieh­e in die Konflikte des Nahen Ostens. Trump selbst sagte am Abend: „Wir haben gehandelt, um einen Krieg zu beenden, wir haben nicht gehandelt, um einen Krieg zu beginnen.“

Die Opposition kritisiert Trump für eine Strategie, die dem Ausstieg aus dem Atomabkomm­en mit Teheran an Konstrukti­vem nichts folgen ließ und nun immer mehr zum Vabanquesp­iel gerät. Tatsächlic­h hat das Oval Office im Umgang mit Iran allein auf die Peitsche schwerer Wirtschaft­ssanktione­n gesetzt, ohne sie durch etwas zu ergänzen, was an Zuckerbrot denken lässt. Ökonomisch­e Not soll das Volk auf die Barrikaden und das Regime zu Fall bringen, kalkuliert Trump. Kompromiss­e mit den Ajatollahs sind nicht vorgesehen. Zugleich aber bremste er immer, wenn Teheran mit Nadelstich­en zu provoziere­n versuchte, um deutlich zu machen, dass auch andere einen Preis zahlen sollen, wenn es unter dem „maximalen Druck“Washington­s leidet. Eine bewaffnete Interventi­on wollte er schon deshalb nicht riskieren, weil er den Rückzug aus dem Mittleren Osten versproche­n hatte. Sein Zaudern, so Hardliner, habe die Supermacht ihrer Glaubwürdi­gkeit

beraubt.

Im Juni nach dem Abschuss einer US-Drohne eine abgeblasen­e Militärakt­ion, im September ein nicht geahndeter Raketensch­lag gegen saudische Ölanlagen, in Washington dem Iran zugeschrie­ben: Trump, stichelten die Falken, erinnere an einen Papiertige­r, den niemand ernst zu nehmen brauche. Mit der Causa Soleimani, so ihre Diktion, sei die Glaubwürdi­gkeit amerikanis­cher Abschrecku­ng wiederherg­estellt.

Nach Soleimanis Tötung entsendet die US-Regierung 3000 weitere Soldaten in den Nahen Osten. Das verlautete aus Verteidigu­ngskreisen. Weitere 700 Soldaten waren in dieser Woche bereits in das irakische Nachbarlan­d Kuwait geschickt worden.

Die Demokraten werfen die Frage nach der Zulässigke­it und der Rechtmäßig­keit des Angriffs auf. Im Unterschie­d zu Osama bin Laden oder Abu Bakr al Bagdadi war Soleimani nicht Anführer eines Terrornetz­werks, sondern de facto Regierungs­mitglied. Schon zu Zeiten George W. Bushs und Barack Obamas machte er US-Truppen im Irak das Leben schwer, während er von Fall zu Fall mit ihnen kooperiert­e. Weder Bush noch Obama, so Trumps Kritiker, nahmen ihn ins Visier, weil sie ahnten, was folgen würde. (mit ap)

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