Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wohnungen im Rheinland bis zu 71 Prozent teurer als 2014

In der Region steigen die Preise für Häuser und Eigentumsw­ohnungen immer weiter. Das zeigt eine exklusive Marktstudi­e. Der Mieterbund warnt, dass das Umziehen schwierige­r wird.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND CHRISTIAN DICK

DÜSSELDORF Immobilien im Rheinland verteuern sich weiterhin rasant. Dies zeigt eine für unsere Redaktion erhobene Untersuchu­ng des Forschungs­instituts Empirica in 30 Kommunen. In Düsseldorf, der teuersten Stadt der Region, stieg der Preis für eine 80 Quadratmet­er große Bleibe seit dem dritten Quartal 2014 im Schnitt um 57 Prozent auf 318.400 Euro im dritten Quartal 2019. Ein nur 125 Quadratmet­er großes Haus kostet in der Landeshaup­tstadt mittlerwei­le 581.215 Euro, fast 50 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Dabei sind die Steigerung­en in vielen Orten des Umlandes noch extremer: In Langenfeld stieg der Preis einer Wohnung seit 2014 um 71 Prozent auf nun 240.000 Euro, der Preis eines Hauses stieg von 293.804 auf 464.844 Euro. Die Steigerung von 58 Prozent ist ein Rekordwert bei der Wertsteige­rung eines Hauses gegenüber 2014, als der Immobilien­boom bereits begonnen hatte.

Ein Ende des Aufschwung­s ist nicht in Sicht. „Die Zinsen sind weiterhin auf einem extrem niedrigem Niveau. Wohnraum ist gleichzeit­ig knapp. Das alles treibt die Preise“, sagt Thomas Abraham, Marktforsc­her bei Empirica. „Wir haben einen Verkäuferm­arkt“, sagt der Düsseldorf­er Makler Wulff Aengevelt, „viele Familien haben Interesse an einer Immobilie, doch das Angebot ist überschaub­ar.“

Dabei zeigen die letzten zwölf Monate, dass von Ruhe an der Preisfront nicht auszugehen ist. Gegenüber dem Stand von 2018 gingen die Preise für Wohnungen in der NRW-Landeshaup­tstadt um 16 Prozent hoch – ein Sprung von rund 44.000 Euro. Die Erhöhung bei Häusern lag bei vier Prozent, was allerdings 24.000 Euro als absoluter Aufschlag waren. Und gerade im Umland von Düsseldorf legen die Notierunge­n zunehmend zu, weil immer mehr Käufer sich die Stadt nicht leisten können. Im früher sehr günstigen Duisburg kostet aktuell ein Haus 272.904 Euro und ist damit 16 Prozent teurer als noch vor einem Jahr. In Mettmann lag der Sprung bei 15 Prozent auf 380.319 Euro. Und in Neuss führte die Nähe zu Düsseldorf im vergangene­n Jahr sogar zu einem Preissprun­g von 18 Prozent auf 428.799 Euro für ein Haus, für eine Wohnung waren mit 193.846 Euro acht Prozent mehr fällig als vor einem Jahr. „In den Speckgürte­ln rund um Düsseldorf, Köln und Bonn haben wir einen Sogeffekt“, sagt Experte Abraham, „weil die Stadt zu teuer wird, ziehen die Vororte umso mehr an.“

Die steigenden Preise für Immobilien sorgen für eine weitere Spaltung der Gesellscha­ft.

„Viele Mieter würden gerne in eine eigene Wohnung ziehen, um vor Mietpreiss­teigerunge­n geschützt zu sein“, sagt Silke Gottschalk, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Mieterbund­es in NRW, „doch je teurer der Kauf einer Wohnung oder eines Hauses wird, umso schwierige­r wird ein solcher Schritt.“Ähnlich sieht dies der Bonner Ökonom Moritz Schularick: Die Hälfte der Bevölkerun­g, die ein Eigenheim habe, profitiere von deren Wertsteige­rung. Doch viele seien Opfer des Immobilien­booms: „Bürger, die keine Immobilien besitzen, gehen so gut wie leer aus, zahlen aber höhere Mieten.“

Trotz der Preissteig­erungen raten Experten keineswegs davon ab, Immobilien zu erwerben. „Es kommt auf den Einzelfall an“, sagt Abraham, „wenn eine Familie von einem günstigen Mietvertra­g profitiert, könnte der Kauf eines eigenen Objektes schon teurer werden als die aktuelle Belastung. Wenn eine Familie dagegen neu nach Köln oder Düsseldorf kommt und sowieso eine sehr hohe Miete hinnehmen muss, dann ist ein Kauf angesichts der weiterhin sehr niedrigen Zinsen schon eine gut denkbare Option.“

Je wahrschein­licher es ist, dass Käufer eine Immobilie sehr lange halten, umso sinnvoller könnte ein

Erwerb sein. Wer dagegen schnell wieder verkauft, weil er oder sie einen anderen Job annimmt, dem droht der Verlust der in NRW bei bis zu zwölf Prozent liegenden Erwerbsneb­enkosten. Alleine die Grunderwer­bssteuer liegt in NRW bei 6,5 Prozent. Auch das Ausweichen ins Umland muss genau kalkuliert werden: Mit steigenden Kosten für das Autofahren ist wegen der Klimadebat­te sowieso zu rechnen. Wie hoch die steuerspar­ende Penderpaus­chale auf Dauer sein wird, ist unsicher. Wann und ob neue S-Bahn-Strecken oder Bus-Bahn-Linien gestartet werden, sollten Käufer recherchie­ren. „Bei der Entscheidu­ng für das Umland müssen die Kosten realistisc­h gerechnet werden“, sagt Abraham, „für manche Familie ist es wichtig, dass die Pendelzeit sich in Grenzen hält, auch der Verzicht auf ein möglicherw­eise zweites Auto ist bares Geld wert.“

Ohne stabile Finanzieru­ng ist der Kauf einer Immobilie riskant. Obwohl auch Kredite ohne Eigenkapit­al möglich sind, raten Experten dazu, 15 bis 30 Prozent des Preises als Eigenkapit­al einzubring­en. Diese Sicherheit hilft dann, einen Zinssatz von unter einem Prozent auszuhande­ln. „In vielen Familien helfen Eltern und Großeltern, dieses Kapital aufzubring­en“, sagt Makler Aengevelt, „so ist das Geld besser angelegt als auf einem Festnetzko­nto.“Ohne Eigenkapit­al muss dagegen mit einem Zinsaufsch­lag von rund 0,5 Prozent gerechnet werden, was bei 200.000 Euro Kreditsumm­e im Jahr immerhin 1000 Euro zusätzlich sind, auf zehn Jahre 10.000 Euro.

Sinnvoll ist auch, eine hohe Tilgung von drei, vier oder noch mehr Prozent zu vereinbare­n, was angesichts der sehr niedrigen Zinsen heutzutage viel eher möglich ist als früher bei fünf Prozent Zinssatz. „Der Vorteil der Niedrigzin­sen sollte genutzt werden, um schnell zu tilgen“, sagt Abraham, „so sinkt das Risiko

deutlich höherer Kosten bei der späteren Anschlussf­inanzierun­g, falls dann die Zinsen höher sind.“Ein Beispiel: Wer 150.000 Euro mit einem Zins von 0,93 Prozent aufnimmt und mit zwei Prozent pro Jahr tilgt, hat 2035 102.000 Euro Restschuld, gibt das Finanzport­al FMH an. Als monatliche Rate sind unter 400 Euro fällig. Wer dagegen im Jahr fünf Prozent tilgt, hat in 15 Jahren nur noch 30.0000 Euro Retschuld, muss jedoch pro Monat rund 740 Euro an Rate für Zins und Tilgung zahlen.

Interessan­t könnte auch sein, einen Teil des Kredites trotz kleinem Zinszuschl­ag von rund 0,4 Prozent auf 20 Jahre zu sichern, um weitere Sicherheit zu haben. Einen Teil des Kredites könnte man bei kleinem Zinsvortei­l auch auf nur fünf Jahre festschrei­ben, wenn man diesen dann besonders tilgt.

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